Warum IS-Karikaturen dem Iran nutzen

Geschickte Propaganda: Der Iran veranstaltet eine Karikaturen-Ausstellung über die Dschihadisten des IS. Und versucht dabei doch nur zu zeigen, wie Israel und die USA Grund allen Übels sind. Von Sarah Judith Hofmann und Parsa Bayat

Von Sarah Judith Hofmann und Parsa Bayat

Blut tropft dem Werwolf von seinen spitzen Zähnen. Mit seinem schwarzen Turban und dem langen Bart ist er unschwer als Dschihadist zu erkennen. Die Leine, die ihn hält, zeigt zwei Flaggen: die israelische und die amerikanische. Der IS als Bluthund, angetrieben von den zwei traditionellen Erzfeinden der Islamischen Republik Iran: Das soll diese Zeichnung offenbar darstellen.

Zu sehen ist sie in einer Karikaturen-Ausstellung im Kulturzentrum "Arasbaran" in Teheran. Insgesamt 270 Zeichnungen widmen sich der Terrorgruppe IS – und liefern die iranische Interpretation der Verbrechen, die im Namen des "Islamischen Staates" in Syrien und im Irak begangen werden. Ausgelobt war dazu eigens vom iranischen Staat ein internationaler Wettbewerb für die beste Karikatur und den besten Cartoon, der sich mit dem "Daesch" beschäftigt, wie der IS im Iran und auch in den meisten arabischen Ländern genannt wird.

Karikaturen als Propagandainstrument

Organisator Massud Shodschaei erklärte bei der Ausstellungseröffnung, nicht nur die Politik müsse auf die Gräueltaten der IS-Miliz aufmerksam machen. Das sei auch eine Aufgabe insbesondere von muslimischen Künstlern.

Der iranische Karikaturist Mana Neyestani hat nicht an dem Wettbewerb teilgenommen. Er lebt in Paris. Nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen von 2009 musste er sein Heimatland verlassen. Seither beobachtet er den Iran aus der Exil-Perspektive. Die Zeichnungen, die jetzt in Teheran zu sehen sind, hat er sich im Internet angeschaut. Natürlich sei es richtig, sich in Karikaturen über den IS lustig zu machen, sagt er. Die Ausstellung aber ist für Neyestani, der 2010 mit dem "Cartoonists Rights Network International" ausgezeichnet wurde, eindeutig Propaganda der Regierung. "Vermutlich geht es darum, Israel und die USA mit dem IS-Terror in Verbindung zu bringen".

Ein "Daesh"-Kämpfer auf einer amerikanischen Liege wird von einem Israeli massiert; Foto: picture-alliance/dpa/A.Taherkenareh
Karrikaturen-Propaganda: Die Ausstellung erfüllt einen doppelten Zweck. Einerseits wird der unmenschliche "Schrecken" des IS in bis ins Detail ausgearbeiteten, farbigen Zeichnungen dargestellt. Andererseits kommentieren sie Außenpolitik. Es gehe darum, Israel und die USA mit dem IS-Terror in Verbindung zu bringen, mutmaßt der im Exil lebende Karikakturist Mana Neyestani.

Auffällig ist zumindest, dass in einer ganze Reihe der Karikaturen und Cartoons neben Symbolen des IS oder Schriftzügen wie "Daesch" häufig der Davidstern als Symbol Israels oder die amerikanischen Stars and Stripes platziert werden. Damit steht der Wettbewerb durchaus in der Tradition des antisemitischen "Holocaust-Karikaturen-Wettbewerbs", der erstmals 2006 im Iran ausgerufen wurde und der unter anderem vom damaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan, der Organisation "Reporter ohne Grenzen" und der "Anti-Defamation League" scharf verurteilt wurde. Auch diesen Wettbewerb hatte Massud Shodschaei organisiert.

Merkel und Obama mit Lügennasen

Einige Karikaturen des diesjährigen Wettbewerbs lassen den IS gleich ganz weg - wie die eines Künstlers, der unter dem Pseudonym Ridha h Ridha zeichnet und angeblich aus Deutschland kommt. Er zeigt stattdessen Staatschefs wie Angela Merkel, Francois Hollande oder Barack Obama neben dem saudischen König Salman ibn Abd al-Aziz – allesamt mit langen Pinocchio-Lügennasen. Andere Zeichner, die an der Ausstellung teilnehmen, stammen aus Indonesien oder der Türkei, der Großteil jedoch kommt aus dem Iran. Bekannt ist keiner der Künstler – weder im Iran, noch im Ausland.

Die Ausstellungsmacher betonen, dass die Dschihadisten in den Karikaturen als Heuschrecken dargestellt würden, die die islamische Welt verwüsteten. Oder als schwarzes Schaf inmitten einer Herde von weißen Schafen, die die friedliche Mehrheit der Muslime symbolisieren sollen. "Diese brutalen Mörder haben in der Welt dafür gesorgt, dass es gegen jeden Muslim in der Welt nun einen Generalverdacht gibt", sagte eine Studentin, die die Ausstellung besucht hatte. Die offizielle Botschaft lautet: Der IS hat nichts mit dem wahren Islam zu tun.

Die Ära des Dialogs

Karikaturmotiv: Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wird vom saudischen König umarmt; Foto: picture-alliance/ dpa/ A. Taherkenareh
Alles andere als diplomatisch: Das iranische Außemministerium hat dem Organisator davon abgeraten, die Ausstellung im Ausland zu zeigen. Es ist nicht nur die Gefahr von Anschlägen, die dadurch erhöht werden könnte. Es ist zudem nämlich ein ungüngstiger Zeitpunkt, künstlerisch für Furore zu sorgen. Denn Ende Juni wird über das endgültige Atomabkommen zwischen dem Iran und den USA entschieden.

"Die Ära der Gewalt und der radikalen Reaktionen sind vorbei, wir sind nun in der Ära des Dialogs und der Logik angekommen", erklärte Irans Präsident Hassan Rohani. Der Iran wolle versuchen, den Islam als eine friedliche Religion in der Welt zu präsentieren. Aber genau das verhindere der IS, und damit beschmutze er das globale Image des Islams.

Erstaunlich ist die Tatsache, dass der Iran ausgerechnet den IS veralbert, nicht. Der sunnitische "Islamische Staat" gehört zu den Erzfeinden der schiitischen Islamischen Republik Iran. In Syrien wie im Irak bedroht der IS neben Weltkulturerbestätten wie Palmyra auch schiitische Heiligtümer. Syriens Präsident Baschar al-Assad ist seit langer Zeit Irans Verbündeter, den die Regierung in Teheran so lange wie möglich zu stützen versucht. Dazu gehört, neben militärischer Unterstützung, auch die Propagandatrommel gegen den IS zu schlagen.

Ausstellungskurator Shodschaei erklärte in Teheran, er wolle versuchen, die Anti-IS-Karikaturen auch in arabischen und europäischen Ländern auszustellen. Das iranische Außenministerium habe ihm aber davon abgeraten, die Gefahr von Anschlägen sei hoch. Vermutlich ist dies nicht der einzige Grund. Ende Juni läuft die Frist für ein endgültiges Abkommen über das iranische Atomprogramm mit den USA aus. Diplomatisch sind die Zeichnungen der Ausstellung in jedem Fall nicht.

Sarah Judith Hofmann und Parsa Bayat

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