Ein Neuanfang für Hunderte von Kindern

Anfang 2017 zog die "Al Darb Al Ahmar Kunstschule" in ein neues Gebäude, direkt neben der Mauer des Azhar Parks und neben dem Genaina-Theater, wo die meisten Vorführungen der Schule stattfinden. Islam Anwar stellt die innovative Kunstschule vor.

Von Islam Anwar

Wer den neuen Standort besuchen möchte, muss mehrere enge Straßen und Gassen durchqueren, vorbei an dutzenden kleinen Werk- und Produktionsstätten, in denen auch viele Kinder arbeiten. Doch sobald man durch das Eingangstor tritt, sieht man einen weiten Platz und Kinder, die Zirkuskünste trainieren. Aus den Räumen des großen Gebäudes tönen die Klänge diverser Musik- und Schlaginstrumente hinunter in den Hof.

Die Schule für Zirkuskünste und Musik nahm 2011 ihre Arbeit auf. Sie bietet den Kindern eine Alternative zu der Arbeit in den Werkstätten des Viertels, einer Arbeit, die ihnen ihre Kindheit raubt. Und das Angebot kommt an: Mittlerweile gibt es schon viele Alumni, die ihrerseits als Trainer in Schulen tätig sind oder eigene Kunst- und Musikgruppen gründeten.

"Anfangs waren viele Familien noch dagegen, ihre Kinder zu uns zu schicken. Doch wir organisierten Vorführungen in den Straßen des Viertels, unsere Schüler lernten schnell und waren erfolgreich. Dies trug dazu bei, dass sich die Meinung bald änderte", sagt Khawla Abu Saada, Direktorin der Schule, über eine ihrer größten Herausforderungen.

Sämtliche Aktivitäten der "Al Darb Al Ahmar Kunstschule" sind kostenfrei und laufen unter der Schirmherrschaft der "Al Genaina Stiftung für kulturelle und künstlerische Aktivitäten" mit Unterstützung der "Aga Khan Musikinitiative" (Aga Khan Music Initiative). Es gibt zwei Ausbildungsschwerpunkte für Kinder im Alter von 8-16 Jahren: Darstellende Künste, das heißt die Zirkuskünste, Tanz und Schauspiel, und Musik.

Nachhaltige Entwicklung und Förderung

Die Schüler lernen das Spielen von Schlaginstrumenten, beispielsweise Trommel oder Tamburin, Blechblasinstrumenten wie Saxophon oder Trompete oder auch Akkordeon. Zusätzlich bietet die Schule Englischunterricht an und beschäftigt einen Sozialarbeiter und einen Arzt, der die Gesundheit der Kinder beaufsichtigt.

Zwei Jahre lang, fünf Tage die Woche, trainieren die Kinder. Zusätzlich dazu treten sie regelmäßig bei verschiedenen Festivals im In- und Ausland auf. Im Laufe der vergangenen Jahre hat die Schule mehrere Aufführungen konzipiert, die Zirkus, Musik und Schauspiel miteinander kombinieren, darunter die Stücke "Zambalek", "Balalaika" und "Lost and Found".

Die Schulleitung legt hohen Wert auf nachhaltige Entwicklung und unterstützt ehemalige Schüler auf akademischer und beruflicher Ebene mit Bildungsstipendien. Schülern, die sich an einer Hochschule oder einem technischen Institut einschreiben möchten, gewährt die "Al Darb Al Ahmar Kunstschule" eine monatliche finanzielle Unterstützung um ihnen den Studienabschluss zu ermöglichen. Außerdem hilfst sie beim Kauf von Musik- und Schlaginstrumenten oder Zirkusutensilien welche die Schüler nach Abschluss ihrer künstlerischen Ausbildung benötigen.

Khawla Abu Saada, Direktorin der Schule, erklärt, dass der Erfolg derjenigen Schüler, die regelmäßig zum Training kommen, ein wichtiger Faktor ist der dazu führt, dass mehr Familien ihren Kindern erlauben sich an der "Al Darb Al Ahmar Kunstschule" einzuschreiben. "Die meisten ehemaligen Schüler sind in diversen künstlerischen Kontexten aktiv. Viele schreiben sich in Kunstfakultäten oder Instituten ein wie das Arabische Musikinstitut oder die Hochschulen für Kunst, Musik oder Sport", so Khawla Abu Saada.

Der Traum von der Zirkuskunst

Vor vier Jahren kam Saif Safwat, damals acht Jahre alt, mit seiner Mutter und seinem älteren Bruder zur "Al Darb Al Ahmar Kunstschule". Er staunte über diese neue Welt, schrieb sich ein und lerne fortan die Zirkuskünste.

Sein besonderes Talent entdeckte er in der Akrobatik. "Vom ersten Tag an liebte ich diesen Ort, die Trainer begegnen uns mit Liebe und Respekt und jeden Tag lernen wir etwas Neues. Außerdem reisen wir, wir haben Vorführungen in verschiedenen Städten", so Saif. Neben seiner Leidenschaft für den Zirkus träumt er davon, sich in der medizinischen Fakultät einzuschreiben, zurzeit ist er im Vorbereitungskurs. Er möchte als Arzt für die „Al Darb Al Ahmar Kunstschule“ arbeiten.

Als Anji die Zirkus- und Musikaufführungen in den Straßen des Viertels "Al Darb Al Ahmar" sah, wollte auch sie sich einschreiben. Ihre Mutter unterstütze sie bei dem Vorhaben und im zweiten Anlauf legte sie die Aufnahmeprüfung erfolgreich ab. Drei Jahre lang lernte Anji, 13 Jahre alt, Darstellende Künste. Doch sie wollte die Schule noch nicht verlassen und so begann sie im Anschluss an ihr erstes Studium auch die Musikausbildung.

Die schönsten Momente für Anji sind die Aufführungen in den Straßen oder im Genaina-Theater, wenn sie die Freude ihrer Mutter, ihrer Freunde und Nachbarn sieht. Dies spornt sie an: "Als ich der Schule beigetreten bin hatte ich Lust die Zirkuskünste und Musik zu erlernen. Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich meinen Traum verwirklichen konnte. Das Studium der Darstellenden Künste habe ich abgeschlossen, jetzt studiere ich Musik."

Der 18-jährige Ahmed Khalil ist einer der ältesten Schüler der "Al Darb Al Ahmar Kunstschule". Vier Jahre lang lernte er Darstellende Künste und arbeitete nach Abschluss seines Studiums als professioneller Zirkusartist. Nun möchte er neben seinem Studium an der Sportfakultät Saxophon spielen lernen. Er erzählt: "Anfangs war meine Familie dagegen, dass ich mich an der 'Al Darb Al Ahmar Kunstschule' einschreibe, doch ich habe darauf bestanden. Heute bin ich mit meiner Arbeit erfolgreich und kann mich durch sie finanzieren. In Fernsehprogrammen und anderen Medien, die über die Schule berichten, sehe ich eine Wertschätzung und meine Familie ist mittlerweile sehr stolz auf mich."

Er ergänzt: "Die 'Al Darb Al Ahmar Kunstschule' hat mein Leben verändert, zuvor war ich nur Handwerker, doch heute bin ich Künstler. Die Schule hat mich so viele Dinge gelehrt über Kultur und die Bedeutung von Kunst, Lesen und gesunder Ernährung. Ich habe gelernt wie wichtig es ist zusammenzuhalten, wie man sein Potential weiterentwickeln und Erfahrungen und Talente an die jüngere Generation weitergeben kann."

In den vergangenen fünf Jahren hat die "Al Darb Al Ahmar Kunstschule" an Dutzenden Festivals und Events innerhalb und außerhalb Ägyptens teilgenommen. Khawla Abu Saada betont, dass diese Aufführungen für die Schüler eine Chance darstellen sich mit anderen Gruppen auszutauschen und die professionelle Seite der Welt der Zirkuskünste, der Musik und des Theaters kennenzulernen.

Und sie fügt hinzu: "Wir begrüßen stets die Mitarbeit internationaler Künstler und Gruppen und wir organisieren einen Workshop bei dem auch internationale Künstler dabei sind. Außerdem sind wir immer daran interessiert an Festivals im In- und Ausland teilzunehmen denn diese verleihen unseren Schülern Vertrauen und Erfahrungswerte."

Islam Anwar

© Goethe Institut 2017