Journalisten als Opfer der Scharia

In Afghanistan sind zwei Journalisten wegen angeblicher Gotteslästerung zum Tode verurteilt worden. Das Urteil ist ein schwerer Schlag gegen die Meinungsfreiheit, sagen "Reporter ohne Grenzen" und Deutsche Welle.

Fazl-e Hadi Shinwari
Fazl-e Hadi Shinwari

​​"Wenn der Islam die einzige und vollendetste Offenbarungsreligion ist, warum liegen die muslimischen Länder hinter der modernen Welt zurück?" Diese Frage wurde den Journalisten Sayeed Mahdawi und Ali Reza Payam zum Verhängnis.

Die Autoren der afghanischen Wochenzeitschrift "Aftab" hatten, so die Informationen der Organisation "Reporter ohne Grenzen", am 11. Juni 2003 einen Artikel unter dem Titel "Heiliger Faschismus" veröffentlicht. Darin hatten sie außerdem die reaktionäre Ausrichtung des Islam und die politischen Funktionalisierung von Religion durch konservative Führer kritisiert.

Gotteslästerung! – entschied daraufhin der "Rat der Ulamas", der sich aus 13 islamischen Gelehrten zusammensetzt, und verhängte die Todesstrafe. Die Zeitung "Aftab" wurde anschließend geschlossen, die beiden Journalisten sind untergetaucht. Die zehnseitige Urteilsbegründung trägt außerdem die Unterschrift des Präsidenten des Obersten Gerichts Afghanistans, Maulavi Fazl-e Hadi Shinwari.

Scharfe internationale Proteste

Die internationale Organisation zur Verteidigung der Pressefreiheit, "Reporter ohne Grenzen", hat aufs Schärfste gegen das Urteil protestiert. Auch der Intendant der Deutschen Welle, Erik Bettermann, hat die Todesurteile scharf kritisiert. Er bezeichnete das Urteil als "schweren Schlag gegen das Grundrecht auf Pressefreiheit" und als "bedenklichen Rückschritt beim Aufbau einer Zivilgesellschaft in Afghanistan".

Es sei nicht hinnehmbar, dass die westliche Gemeinschaft die Etablierung demokratischer Strukturen in dem Land unter erheblichem Einsatz und Risiko fördere, während gleichzeitig "rückwärtsgewandte radikale Kräfte diesen Prozess aufzuhalten versuchen". Freie Medien seien Grundbedingung und Symbol für eine freie Gesellschaft.

Freie Meinungsäußerung in akuter Gefahr

In einem Brief an Präsident Hamid Karzai bedauert "Reporter ohne Grenzen" den Einfluss der Konservativen auf das juristische System. Sie setzten ihre Macht ein, um das Recht auf freie Meinungsäußerung einzuschränken. Die Organisation fordert den Präsidenten auf, die Sicherheit der Journalisten zu garantieren und das Oberste Gericht zu reformieren. Es müsse als unabhängige Instanz gelten und grundlegende Rechte und Freiheiten der afghanischen Bevölkerung verteidigen.

"Reporter ohne Grenzen" hat sich außerdem an den UN-Sonderbeauftragten in Afghanistan, Lakhdar Brahimi, gewandt und ruft die internationale Gemeinschaft auf, ihr politisches Gewicht für das Recht auf freie Meinungsäußerung in Afghanistan einzusetzen. Bei dem Verfahren wurde obendrein der vorgeschriebene Rechtsweg nicht eingehalten. Zunächst hätte eine niedrigere Instanz, die mit dem Fall bereits beschäftigt war, ein Urteil fällen müssen.

Deutsche Welle-online

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