Jenseits von Kabul

Das neue Buch von Rupert Neudeck über Afghanistan ist ein sehr persönliches Portrait des Landes in Form von Reisebeschreibungen. Darüber hat sich Lale Konuk mit dem Gründer von Cap Anamur unterhalten.

Cover Jenseits von Kabul, von Rupert Neudeck

​​Jenseits von Kabul liegt das wahre Afghanistan – aber die meisten Journalisten und Diplomaten lernen es niemals kennen. Den internationalen Hilfsorganisationen wirft Rupert Neudeck, der Gründer von Cap Anamur, vor, die schwer bewachte Hauptstadt nicht zu verlassen, an deren Grenzen der Schutz der ISAF-Truppen endet. Rupert Neudeck hat Afghanistan oft bereist und das Land wie kaum ein anderer Deutscher kennen gelernt. Sein neues Buch ist ein sehr persönliches Portrait Afghanistans, das die Menschen und ihr Land eindrucksvoll beschreibt, die verwickelte Geschichte der Region erklärt und die Probleme einer friedvollen Neugründung beleuchtet. Lale Konuk hat sich mit ihm unterhalten.

Was möchten Sie mit Ihrem neuen Buch mitteilen?

Rupert Neudeck: Es ist ein Versuch, den deutschen Lesern ein bisschen von der Geschichte Afghanistans zu erzählen, um in Form meiner Reisen das Land kennen zu lernen. Es ist auch eine Aufforderung, es von deutscher Seite noch viel ernster zu nehmen, viel beherzter mitzumachen; denn die Afghanen erwarten unsere Hilfe.

Wo liegen die Probleme beim Aufbau des Landes?

Neudeck: Das Land braucht bestimmte einfache Grundvoraussetzungen, um verwaltet und regiert zu werden. Es fehlt eine ganz einfache Verkehrsinfrastruktur; Tangenten, die durch das Land hindurchgehen. Die Entwicklungshilfe muss jetzt anfangen, Straßen und Brücken zu bauen, was nach zwei Jahren noch nicht geschehen ist. Weiterhin wollen diese Menschen auch Schulen haben, es gibt einen wirklichen Hunger nach Bildung, bei den Kindern, Jugendlichen und auch Erwachsenen. Und das dritte ist eine Gesundheitsinfrastruktur, denn dieses Land leidet darunter, dass alles in diesen drei, vier Kriegen hintereinander kaputt gegangen ist.

Welche Arbeit leisten die deutschen Hilfsorganisationen?

Neudeck: Es gibt viele kleine und kleinste Initiativen, die in diesem Land effektiv arbeiten. Zu der Arbeit der „großen Elefanten“, die in Kabul sitzen, muss ich allerdings kritisch sagen, dass sie viel Geld vergeuden; das sind zum einen die UNO-Agenturen und leider auch die Deutsche Entwicklungshilfe. Es ist eine Entscheidung der Ministerin und des Bundeskabinetts, dass bis heute kein einziger deutscher Entwicklungshelfer aus Kabul richtig herauskommen darf. Das kann so auf Dauer nicht sein. Das ländliche Afghanistan ist das wahre Afghanistan, das wir alle lieben und schätzen, und das ist die wichtigste Botschaft, die ich loswerden will.

Kann die afghanische Bevölkerung nach 23 Kriegsjahren mittlerweile aufatmen?

Neudeck: Ich kann verlässlich sagen, dass man in 85% des Landes wirklich frei arbeiten kann, ohne je irgendeinen Bewaffneten zur Seite zu haben. Die traditionellen Grundstrukturen, die Großfamilienstruktur und auch die religiöse Struktur ist völlig intakt. Der mystische oder der weiche Islam, den die Afghanen eigentlich mögen, ist wieder voll in Kraft. Auch wir Christen können uns dort sehr wohl fühlen, weil es ein sehr tolerantes Land ist.

Interview: Lale Konuk

© Qantara.de 2003

Rupert Neudeck
Jenseits von Kabul - Unterwegs in Afghanistan
2003. 217 Seiten mit 25 Abbildungen und 1 Karte
Erschienen im C.H. Beck Verlag München
Gebunden 19,90 Euro, ISBN 3-406-50952-5

C.H Beck Verlag.
Komitee Cap Anamur