Der Feind von innen

Die "Partei für Wohlstand und Gerechtigkeit" (PKS) bedroht Indonesien mehr durch einen möglichen Wahlsieg als durch Bomben, schreibt Sadanand Dhume. Denn sie teilt die radikalen Überzeugungen der ägyptischen Muslimbruderschaft.

Die "Partei für Wohlstand und Gerechtigkeit" (PKS) bedroht Indonesien mehr durch einen möglichen Wahlsieg als durch Bomben, schreibt Sadanand Dhume. Sie teilt die radikalen Überzeugungen der ägyptischen Muslimbruderschaft und gefährdet den Erfolg des Landes innerhalb der globalisierten Welt.

Hedayet Nur Wahid, ehemaliger Vorsitzender der PKS; Foto: Yale Global
Hedayet Nur Wahid, Gründer und ehemaliger Vorsitzende der "Partei für Wohlstand und Gerechtigkeit" (PKS)

​​Während Regierungschefs aus der ganzen Welt die Selbstmordanschläge, die vor kurzem die Ferieninsel Bali erschütterten, verdammten, setzte die indonesische Regierung andere Akzente.

Hidayat Nur Wahid, Sprecher des Abgeordnetenhause, also des höchsten legislativen Organs, wies den Gedanken an einen weiteren terroristischen Anschlag (nach dem vom Oktober 2002, als 200 Menschen ums Leben kamen) weit von sich und machte stattdessen Rivalitäten in der lokalen Tourismusindustrie für die Bombenattacken verantwortlich.

Diejenigen, die die indonesische Politik der letzten Zeit verfolgen, kann diese Aussage nicht überraschen. Hidayat Nur Wahid gilt als einer der hartnäckigsten Fürsprecher von Abu Bakar Bashir, dem geistigen Führer von Jamaah Islamiyah, der indonesischen Dependance von Al Qaida. Außerdem war er bis vor einiger Zeit Vorsitzender der Partei für Wohlstand und Gerechtigkeit (PKS), die gerade dabei ist, eine subtilere Form des radikalen Islam nach Indonesien zu bringen — und einen konstanten Zuwachs an Anhängern verzeichnen kann.

Sieben Jahre nach ihrer Gründung kann die Partei als disziplinierteste Kraft im politischen Spektrum des Landes gelten. Bei den Wahlen im letzten Jahr gewann sie 7,5 Prozent der Stimmen, 45 Sitze im Parlament und wurde so zur siebtgrößten Partei im indonesischen Abgeordnetenhaus.

Das Miteinander der Religionen gibt es nicht mehr

Oberflächlich betrachtet mag es keinen ungeeigneteren Boden für militante Formen des Islam geben als Indonesien. Schließlich war das Land immer berühmt für einen sehr toleranten Umgang mit dem Glauben. Elemente des Buddhismus und Hinduismus, die beiden vor dem Islam verbreiteten Religionen wurden nicht verdrängt, sondern integriert.

Die letzten 30 Jahre aber sahen eine stete Aufweichung dieser Heterodoxie. Während seiner 32 Jahre dauernden Präsidentschaft führte der glühende Anti-Kommunist Suharto einen einheitlichen Religionsunterricht an den Schulen ein. Zur gleichen Zeit flossen Öldollars aus den Golfstaaten und Saudi-Arabien in den Bau von Moscheen und in die Finanzierung von Predigern, die zu einer strengeren Auslegung des Korans aufriefen. Das Internet schließlich brachte auch den radikalen Islamdiskurs aus Teheran und Riad nach Java, Sumatra und Sulawesi.

Indonesien erlebte in den 1980er Jahren eine intensive Verstädterung. Viele Studenten fanden als erste ihrer Familie den Weg an eine Universität oder auch nur in eine Stadt. Die Tarbiyah-Bewegung, (eigentlich bedeutet Tarbiyah Erziehung und Ausbildung im Allgemeinen, D.K.) war es, die ihnen ein festes Regelwerk bot, einen Lebenszweck und ein Gefühl von Würde.

Sie half ihnen, die vielen Veränderungen um sie herum besser zu verstehen. Zu Beginn der 1990er Jahre beherrschten diese Vorstellungen praktisch alle studentischen Vereinigungen des Landes. Am Ende von Suhartos Regierungszeit, 1998, trat die erste Generation von Tarbiyah-Aktivisten ins Licht der Öffentlichkeit und gründete die Gerechtigkeitspartei.

1999 konnte sie nur 1,4 Prozent der Stimmen auf sich vereinen – und schaffte damit nicht die Zwei-Prozent-Hürde, die es ihr erlaubt hätte, an den nächsten Wahlen teilzunehmen. Doch unbeirrt änderte sie einfach ihren Namen und trat fortan als "Partei für Wohlstand und Gerechtigkeit" an.

Ideologie der Muslimbruderschaft

Die Führungsspitze der Partei ist getränkt mit der Ideologie der Muslimbruderschaft. Hidayat Nur Wahid, der letztes Jahr vom Parteivorsitz zurücktrat, um seine jetzige Position einzunehmen, hat einen Bachelor, einen Master und einen Doktortitel der von der Bruderschaft gegründeten Universität von Medina in Saudi-Arabien.

Anis Matta, Generalsekretär der Partei, graduierte an der Außenstelle Jakarta der Al-Imam-Mohammed-bin-Saud-Universität von Riad, ebenfalls eng mit der Muslimbruderschaft verbunden. Die Partei wird unterstützt vom zurzeit prominentesten Muslimbruder, dem Ägypter Yusuf al-Qaradawi, der daran glaubt, auch mit demokratischen Mitteln die Ziele des Islam verwirklichen zu können.

Hatte die Partei 1999 noch 60.000 Mitglieder, waren es 2004 schon zwischen 400.000 und 500.000. Womit ist dieser bemerkenswerte Erfolg zu erklären?

Zum einen ist es die einzige Partei im Land, die über festgefügte Kader verfügt. Gut ausgebildete Parteiarbeiter, viele von ihnen mit einem wissenschaftlichen oder technischen Universitätsabschluss, neigen eben dazu, Ziele diszipliniert und organisiert zu verfolgen. Die Partei nimmt ihr Selbstbild als moralische Reformkraft durchaus ernst.

Man wird Mühe haben, auch nur ein einziges Parteimitglied zu finden, das raucht oder ein weibliches Mitglied ohne Kopftuch. Bei einer Naturkatastrophe, wie dem Tsunami vom Dezember 2004, sind die Parteikader unter den ersten, die zur Hilfe kommen.

Gefahr für Indonesien

Doch trotz ihrer sozialen Arbeit trennt die Partei nur wenig vom Gedankengebäude der Jamaah Islamiyah. Wie es jene schon ihrem Gründungsmanifest forderte, strebt auch die Partei für Wohlstand und Gerechtigkeit einen Kalifatstaat an. Wie für die Jamaah Islamiyah nutzt auch sie ihre Zellenstruktur für größtmögliche Geheimhaltung.

Beide Gruppen vertreten eine sehr selektive Interpretation der Moderne — eine, nach der wissenschaftliche und technische Innovationen willkommen sind, un-islamische Werte aber verdammt werden. Der einzige Unterschied: Die Jamaah Islamiyah ist revolutionär, die Partei für Wohlstand und Gerechtigkeit evolutionär.

Diese Partei aber ist es, die für Indonesien die sehr viel größere Gefahr bildet. Mit ihren Bomben hat sich Jamaah Islamiyah mit der Regierung in einen offenen Kampf verstrickt, den sie unmöglich gewinnen kann.

Die Gerechtigkeitspartei hingegen nutzt ihre Position im Parlament und ihr Kadernetzwerk dazu, ihre Ziele Schritt für Schritt, Stimme für Stimme zu erreichen. Indem sie dieses politische Gewicht hinter Bashir bringt, macht sie es der Regierung zugleich noch schwieriger, die Terroristen unter Kontrolle zu halten.

Trotz ihrer friedlichen Methoden hilft die Strategie der Partei so den Terroristen: Je mehr die Menschen davon überzeugt sind, dass es die Moderne ist, die das eigentliche Problem der Gesellschaft ist, und dass die Antworten auf alle Fragen einzig der Islam besitzt, desto wahrscheinlicher wird, dass die Hitzköpfe unter ihnen sich irgendwann den Terroristen anschließen werden, um ihre Ziele zu erreichen.

Natürlich liegt es, in letzter Konsequenz, an den Indonesiern selbst, ob sich das Land an der Entwicklung des übrigen Südostasien orientiert oder ob es sein Heil bei einer rückwärtsgewandten Bewegung sucht, die sich einzig dem religiösem Fundamentalismus verschrieben hat. Die Partei für Wohlstand und Gerechtigkeit setzt ihren Weg fort; wie weit sie damit kommt, könnte sehr wohl entscheidend für Indonesiens Zukunft sein.

Sadanand Dhume

Aus dem Englischen von Daniel Kiecol

© Yale Center for the Study of Globalization 2005 / Qantara.de 2006

Aus dem Englischen von Daniel Kiecol

Sadanand Dhume ist ehemaliger Indonesien-Korrespondent der Far Eastern Economic Review und des Asian Wall Street Journal. Zurzeit schreibt er ein Buch über den Aufstieg des radikalen Islam in Indonesien. Eine erweiterte Fassung dieses Artikels erschien in der Mai-Ausgabe der Far Eastern Economic Review.

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