Botschaft oder Business?

Islamische Satellitensender erfreuen sich großer Popularität. Gleichzeitig sind sie Gegenstand breiter Diskussion: Wer finanziert die Sender? Worauf zielen die Programme ab? Soll wirklich ein neues religiöses Bewusstsein gefördert werden, oder geht es nur ums Geschäft? Von Nelly Youssef

​​"Iqra" (Lies!), "Al-Risala" (Die Botschaft), "Al-Nas" (Die Menschen), "Al-Fadschr" (Die Morgendämmerung) und "Al-Hikma" (Die Weisheit) sind einige der klangvollen, an den Koran angelehnten Namen islamischer Satellitensender in der arabischen Welt. Jeder hat ein eigenes Profil und verfolgt eigene Ziele.

Das Programm des Senders "Al-Nas" wird von einer Wohnung im gehobenen Kairoer Stadtviertel Mohandeseen ausgestrahlt. Der Besitzer, ein saudischer Geschäftsmann, ging 2006 mit sowohl technisch als auch finanziell bescheidenen Mitteln auf Sendung. Geboten wurden zum einen Lieder, ebenso aber konnten die Zuschauer ihre Träume deuten lassen oder man berichtete über Hochzeitsfeiern und vermittelte Heiratskandidaten.

Aber die Vielfalt des Senders kam bei den Menschen nicht an. Die Programmveranstalter erfanden daher zum Entzücken der Zuschauer einen neuen Slogan: "Ein Bildschirm, der dich ins Paradies bringt". Daraufhin wurde "Al-Nas" zum beliebtesten islamischen Satellitensender, auch weil man dort den Gottesmännern populistischer salafitischer Prägung das Wort gab und Frauen die Mitarbeit beim Sender verbot.

Während der Sendungen laufen am unteren Bildschirm Rolltexte, in denen für Nahrungsmittel oder Medikamente gegen Unfruchtbarkeit geworben wird, Stellenangebote werden dort veröffentlicht oder religiöse Lieder als Klingeltöne für Handys feilgeboten – alles Mögliche steht unvermittelt nebeneinander, wenn nur Geld damit zu verdienen ist.

Zwischen Unmäßigkeit und Nachlässigkeit

Der Sender "Iqra" hingegen bedient sich des Slogans "Gezielt Information genießen" und gilt als Wegbereiter im Bereich religiöser Medien. Religiöse Muslime verfolgen das Programm des Senders mit leidenschaftlichem Interesse, und inzwischen zieht es zunehmend auch nicht-religiöse Muslime an.

Der Soziologe Ahmad al-Magdub spricht den religiösen Satellitensendern allerdings die Verwirklichung ihrer erklärten Ziele ab. Ein neues religiöses Bewusstsein, das zu einem moderaten Gleichgewicht in der Gesellschaft aufrufe, sei daraus nicht entstanden. Die Mehrzahl der Sender brächten hingegen Themen, die eine übertrieben religiöse Haltung befürworteten, andere förderten eher Nachlässigkeit.

Hautsächlich profitierten die Sender laut Al-Magdub von Programmen, bei denen die Zuschauer Fragen stellen und Auskünfte in Form von Fatwas erhalten könnten. Besonders beliebt sei die so genannte "Delivery-Fatwa": Unter einer bestimmten Telefonnummer könnten Zuschauer weltweit beliebige Fragen in Zusammenhang mit der islamischen Religion stellen und erhielten innerhalb 24 Stunden oder per SMS eine Antwort.

Kontrolle der Fatwas

Einige Fatwas, so al-Magdub, seien allerdings recht sonderbar, denn die Sender wollten mit diesen Fatwas die Sensationslust wecken, um die Zuschauerquoten zu erhöhen und damit auch die Zahl der Anrufe und der SMS. Dies bringe mehr Kunden und steigere die Werbeeinnahmen.

In diesem Zusammenhang etwa seien Fatwas zu sehen, in denen den Frauen verboten werde, sich vor einem männlichen Hund auszukleiden, sich nicht mit Flüssigkeiten zu waschen, die Milch enthalten, oder aber eine Fatwa über die Koranlesung vor einem Leichnam.

Scheich Gamal Qutb, ehemaliger Präsident des Fatwa-Komitees der Azhar-Universität in Kairo, meint, dass dieser Komödie ein Ende bereitet werden müsse. Er schließt sich damit Ägyptens Großmufti Dr. Ali Guma an, der kürzlich die Einrichtung einer Sonderabteilung innerhalb des Fatwa-Amtes vorschlug, der die Sichtung und Kontrolle der Fatwas, die im Satellitenfernsehen gesendet werden, obliege.

Diese würden bislang nicht kontrolliert, und niemand sei für diese Fatwas verantwortlich oder garantiere ihre Übereinstimmung mit dem rechten Glauben. Eine Kontrolle der Satellitensender sei allerdings sehr schwierig.

Sender müssen neutral sein

Muhammad Abdallah, Professor für Religionsphilosophie an der Universität Kairo, ist Verfasser einer Studie über die islamischen Satellitensender. Daraus geht hervor, dass die Sender vornehmlich investitionsorientiert seien. Sie seien zumeist abhängig von finanzieller Unterstützung oder Großindustriellen.

Auch versuche man, aus den Medien bekannte Namen für die Präsentation der Programme zu gewinnen, so zum Beispiel Künstlerinnen, die sich verschleiert und daher eigentlich aus der Medienwelt zurückgezogen hätten.

Er sieht in den islamischen Sendern eine Modeerscheinung, mit der sich die anderen Sender schmücken. Sie zieren das Bouquet der Sender verschiedener arabischer Geschäftsleute. "Iqra" gehöre beispielsweise zum "Arab Radio and Television Network", des saudischen Geschäftsmannen Salih Kamil, "Al-Risala" zur Sendergruppe Rotana im Besitz des saudischen Prinzen Walid bin Talal.

Für die Entwicklung der islamischen Sender, so Abdallah, sei größere Themenvielfalt, moderne Fiction und Wettbewerbe notwendig, und nicht nur Talk-Shows. Außerdem müsse man die Sender zur Neutralität verpflichten.

Die Gefahr sei groß, dass ein Sender zum Sprachrohr einer bestimmten politischen Gruppierung werde. So sei die wahhabitische Ideologie oder die der Muslimbrüder auf dem Vormarsch. Wenn man die Tendenzen zur Politisierung der Religion nicht abwende, ginge die Objektivität verloren.

Nelly Youssef

Aus dem Arabischen von Stefanie Gsell

© Qantara.de 2007