Hoffnung Überlebende zu finden schwindet

Internationale Hilfe erreicht die Menschen im Erdbebengebiet des Iran. Trotzdem müssen viele im Freien ausharren. Es besteht kaum noch Hoffnung, Überlebende zu finden. Opfer kritisieren ihre Behörden.

Die Hilfe konzentriert sich jetzt auf die Überlebenden (Foto: AP)

​​Nach der Erdbebenkatastrophe im Südosten des Irans vom Freitag (26.12.2003) ist die Hoffnung auf weitere Überlebende dramatisch geschwunden. Bis Montag früh seien nur etwa 1000 Menschen lebend aus den Trümmern geborgen worden, meldete die iranische Nachrichtenagentur IRNA. Laut Innenminister Abdolwahed Mussavi Lari kamen mehr als 20.000 Menschen ums Leben, etwa 15.000 Opfer seien in aller Eile begraben worden. 70 Prozent der Stadt Bam lägen in Trümmern.

Nachbeben sorgen für Panik

Bei dem Erdbeben der Stärke 6,3 auf der Richterskala war am Freitagmorgen die 100.000-Einwohner-Stadt Bam an der Seidenstraße fast völlig zerstört worden. "Die Verwüstung ist unglaublich. Es sieht aus wie nach einem Krieg", sagte Stefan Duda vom deutschen Technischen Hilfswerk (THW) vor Ort. Es war nicht das stärkste, aber eines der folgenschwersten Beben der vergangenen 25 Jahre. Einige Nachbeben mit Stärken von 3,1 bis 5,3 auf der Richterskala lösten unter den Überlebenden erneut Panik aus.

In einem Wettlauf mit der Zeit suchten Helfer und Überlebende teilweise mit bloßen Händen nach Verschütteten. Bei eisiger Nachtkälte in 1000 Metern Höhe schwanden die Chancen jedoch zusehends. Das staatliche iranische Fernsehen berichtete, dass rund 1000 Menschen lebend aus den Haufen von Lehmziegel-Trümmern geholt worden seien. Derartige Erfolge konnten deutsche Helfer nicht bestätigen. Bislang habe man nur Leichen finden können, sagte ein THW-Sprecher am Sonntag.

Hoffnung bis Montagmorgen

Rettungsmannschaften aus 16 Ländern unterstützen die Such- und Bergungsarbeiten. Experten mit Spürhunden seien derzeit jedoch nicht mehr notwendig, sagte die Sprecherin des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA), Madeleine Moulin-Acevedo, am Sonntag in Genf. Es sei jedoch Aufgabe der iranischen Regierung mitzuteilen, wann die Suche nach Überlebenden eingestellt werde. In der Regel können bis zu 72 Stunden nach einem Erdbeben noch Überlebende geborgen werden - also theoretisch noch bis zum Montagmorgen.

Die UN-Sprecherin bezeichnete die Lage in der weit gehend zerstörten Stadt Bam als sehr ernst, obwohl in weiten Teilen schon wieder die Strom- und Wasserversorgung funktioniere. Benötigt würden jetzt dringend Hilfsgüter wie Medikamente sowie Reis und Mehl. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) fliegt am Montag (29.12.2003) zwei mobile Gesundheitsstationen in den Iran. Sie bieten über drei Monate Pflege, Impfungen und Geburtshilfe für bis zu 40.000 Patienten, teilte das DRK in Berlin mit.

Kritik an iranischen Behörden

Neben Deutschland beteiligen sich auch Österreich, Großbritannien, Spanien, Italien, Tschechien, Polen, Kuwait und die USA unter anderem an der internationalen Hilfe. Doch die Not der Zehntausenden von Obdachlosen im Krisengebiet ist groß: Die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften in Genf brachte auf Bitten des Irans 20.000 Zelte, 200.000 Decken, 30 Stromgeneratoren und 20.000 Kerosin-Heizgeräte nach Bam.

Der staatliche Fernsehsender IRIB kritisierte überraschend deutlich das Krisenmanagement der iranischen Behörden. Die Menschen in Bam hätten rund 24 Stunden lang auf organisierten Beistand warten müssen. Sie litten unter den Temperaturen um den Gefrierpunkt, viele mussten Tag und Nacht ohne Decken im Freien ausharren.

Die Rotkreuz-Föderation geht davon aus, dass längerfristige Hilfe notwendig sein wird. Die Gesamtkosten seien noch nicht abzuschätzen, hieß es in Genf. Die Europäische Union stockte ihre Soforthilfe von 800.000 auf 2,3 Millionen Euro auf. Präsident Chatami hatte, anders als bei früheren Beben, rasch internationalen Beistand akzeptiert und außerdem die Visa-Bestimmungen erleichtert.

© Deutsche Welle / DW-WORLD.DE 2003