"Wir wissen so wenig voneinander"

Auf dem größten deutschen Filmfestival, der Berlinale, werden auch internationale Nachwuchstalente gefördert. Die junge libanesische Filmemacherin Myrna Maakaron erhielt 2003 einen Förderpreis, dessen Ergebnis dieses Jahr in Berlin gezeigt wird. Mit ihr unterhielt sich Ariana Mirza.

Auf dem größten deutschen Filmfestival, der Berlinale, werden auch internationale Nachwuchstalente gefördert. Die junge libanesische Filmemacherin Myrna Maakaron erhielt 2003 einen Förderpreis. In diesem Jahr wird das Resultat, die Produktion "Berlin-Beirut", in Berlin gezeigt. Mit Myrna Maakaron unterhielt sich Ariana Mirza.

Myrna Maakaron, Foto: Stefan Schmidt
Myrna Maakaron

​​Sie haben Ihre künstlerische Karriere sehr früh begonnen. Wie sahen die Anfänge aus?

Myrna Makaroon: Mein Großvater war Filmverleiher und unsere Familie hat auch eins der ersten Kinos im Libanon eröffnet. Ich erinnere mich, schon mit drei Jahren zuhause Filme angeschaut zu haben, die auf die Wand projiziert wurden. Der Projektor machte dann dieses „Brrr“. Ich bin in dieser magischen Atmosphäre, die Film mit sich bringt, aufgewachsen.

Wie kam es zu der Filmidee „Berlin-Beirut“?

Makaroon: Ich habe gleich bei meinem ersten Besuch in Berlin eine große Ähnlichkeit zwischen diesen beiden Städten entdeckt. Eine viel größere als zwischen Paris und Beirut. Vielleicht sind es die Spuren des Krieges, die in beiden Städten noch so sichtbar sind. Zum Beispiel die Einschusslöcher in den Mauern. Wenn Sie durch Berlin spazieren, entdeckt man so etwas. Und es gibt diese sehr sauberen, neuen Stadtteile und ein paar Kilometer weiter ist es dreckig und alt. Die Städte haben für mich dieselbe Textur. Wenn natürlich auch vieles unterschiedlich ist. Wann und weshalb die Städte Krieg erlebten, und so weiter ...

"Berlin-Beirut" ist ein Kurzfilm, insgesamt nur 22 Minuten lang. Um was für eine Geschichte handelt es sich?

Makaroon: Es ist ein kurzer, sehr persönlicher, subjektiver Blick auf die Städte. Eigentlich benutze ich Berlin, um Beirut zu zeigen. Ich spaziere in einem schönen Kleid mit einem Regenschirm aus dem 18. Jahrhundert in der Hand durch die Straßen. Ein ostdeutsches Fahrrad spielt auch noch eine Rolle. Meine Geschichte hat etwas von einem Märchen. Es gibt traurige Momente, dramatische, aber die Geschichte endet optimistisch.

Ihr deutscher Ehemann war auch beteiligt?

Makaroon: Ja, er hat die Musik geschrieben. Es gibt viel Musik in dem Film, und meine Stimme ist darüber gelegt, als Erzählstimme.

Was dem Film sicher eine poetische Aura verleiht …

Makaroon: Ein bisschen. Aber eigentlich liegt mir diese poetische, artifizielle Sprache gar nicht. Ich bin da eher naiv herangegangen. Es ist ein unbefangener, spontaner Blick, aus dem der Film heraus entstanden ist. Ich bin keine klassische Intellektuelle. Es gibt da eher surrealistische Bezüge. Ich bringe die beiden Städte in einer surrealistischen Weise zusammen. Es gibt zum Beispiel eine Szene, da nehme ich in Beirut ein Taxi, das mich dann direkt zum Potsdamer Platz bringt. Oder ich bin in einem Berliner Keller, der im Libanon ein Symbol für den Schutz vor Bombenangriffen ist.

Haben Sie im Libanon und in Deutschland mit der gleichen Crew gearbeitet?

Makaroon: Ja, wir waren eine sehr kleine Crew. Natürlich aus finanziellen Gründen. Aber auch, weil es so besser funktionierte. Wir mussten in einem kleinen Team arbeiten, um beweglich zu sein. Der Film sollte offen bleiben und sehr spontan entstehen. Wenn mir etwas ganz plötzlich ins Auge gefallen ist, wollte ich die Möglichkeit haben, es unmittelbar zu integrieren. Es passiert immer plötzlich etwas Unerwartetes in diesen beiden Städten, auch darin sind sich Berlin und Beirut sehr ähnlich.

Was für einen Anspruch haben Sie selbst an Ihren Film gestellt?

Makaroon: Ich möchte ein Stück weit eine Tür aufstoßen. Wir wissen so wenig voneinander. Hier in Deutschland fragen mich die Leute, ob es eine Wüste im Libanon gibt, ob die Frauen Tschador tragen. All diese naiven, einfachen Fragen, die zeigen, wie wenig man übereinander weiß.

Sind die jungen Libanesen denn interessiert an Europa?

Makaroon: Ja, sicherlich. Es gibt natürlich auch eine große Orientierung an den USA. Ich glaube, es laufen mehr amerikanische Filme in Beirut als in Berlin. Ich würde sagen, der Westteil von Beirut ist ein bisschen amerikanischer geprägt und der christliche Ostteil etwas europäischer. Aber im Grunde findet sich alles überall. Wenn Sie mit den Menschen ins Gespräch kommen, finden sie beides, den europäischen und den amerikanischen Einfluss.

Sind Sie selbst konfessionell gebunden?

Makaroon: Ja, ich bin katholisch. Meine Mutter ist orthodox, mein Vater ist katholisch. Aber für mich spielt Religionszugehörigkeit nicht mehr so eine große Rolle wie noch für meine Eltern. Ich gehöre einer offeneren Generation an. Das ist auch so wie in Berlin. Es gibt noch die Aufteilung in Ost und West, aber für die jüngeren Leute spielt es glücklicherweise immer weniger eine Rolle, aus welchem Teil der Stadt man stammt.

Interview: Ariana Mirza

© 2004 Qantara.de

Myrna Maakaron wurde 1974 in Libanon geboren. 1997 erwarb sie ihr Diplom in Kommunikationswissenschaften und Film an der „Lebanese Academy of Fine Arts“. Sie verließ den Libanon im Jahr 2000, um in Paris an der Sorbonne Theaterwissenschaften zu studieren. Seit 2002 lebt sie gemeinsam mit ihrem deutschen Ehemann in Hamburg.