"Die Muslime sollten sich nicht verstecken"

In Köln soll eine Zentralmoschee für 1250 Betende gebaut werden. Der Bauherr, die "Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion" (DITIB), wählte den Entwurf des Kölner Architekturbüros Böhm. Thilo Guschas sprach mit Paul Böhm über den Entwurf.

Entwurf des Kölner Architekturbüros Böhm für eine Moschee; Foto: http://www.boehmarchitektur.de/deutsch/de-index.html
"Die Kuppel, die aus drei Blättern besteht, die sich wie Hände begegnen, spiegelt die Offenheit", so Paul Böhm.

​​Herr Böhm, wie entwirft man eine Moschee?

Paul Böhm: Für uns war es selbst das erste Mal – eine spannende Herausforderung! Bislang haben mein Vater und ich Erfahrung mit Kirchenbau gesammelt. Zunächst haben wir eingehend die Geschichte des Moscheebaus studiert. Zu unserem Entwurf: Man geht von der Straße über eine Freitreppe in einen Hof, der sich über zwei Ebenen erstreckt.

Dieser Hof dient zum einen als Ort der Begegnung, zum anderen als Schnittstelle zwischen der Hektik der Stadt und dem meditativen, ruhigen, eigentlichen Gebetsraum. Von diesem Hof aus werden alle Nutzungsbereiche erreicht: Neben dem Gebetsraum auch Veranstaltungsräume, Läden, Gastronomie und so weiter.

Moscheen sind nicht allein auf das Beten ausgerichtet, sondern auch als Freizeitort gedacht. Liegt hier ein wesentlicher Unterschied zu Kirchen?

Böhm: Einen vergleichbaren Aufbau gibt es zum Beispiel in einer Kölner Kirche, die wir vor einigen Jahren entworfen haben. Dort sind eine Bibliothek und ein Raum, der als Treffpunkt dient, sowie Werkstätten und Verkaufsräume in die Kirche integriert.

Heißt das, moderne Kirchenbauten ähneln traditionellen Moscheen?

Böhm: Ja, das könnte man so sagen. Man kommt aus der hektischen Stadt und betritt einen Meditationsraum, in dem man zur Ruhe kommen kann – das ist bei Moschee und Kirche gleich. Und in den Raum, den wir planen, könnte man auch einen Altar stellen.

Sind Sie selber gläubig?

Böhm: Gläubig, aber nicht praktizierend. Und ich bin kein Muslim – diese Fragen wird mir häufig gestellt. Man muss doch auch kein Verbrecher sein, wenn man ein Gefängnis baut und kein Kranker, wenn man ein Krankenhaus baut! Die Kunst ist, sich einzufühlen in die Bedürfnisse derer, die das Haus, das ich entwerfe, später nutzen.

Hat Ihre Religiosität eine Rolle in der Ausschreibung für die Moschee gespielt?

Nein. Vor kurzem hat mir ein alter Bauherr gratuliert. Er sagte: "Hut ab vor der muslimischen Gemeinde, dass die Ausschreibung so offen gestaltet war! Für unseren Kirchenbau durften wir ausschließlich einen katholischen Architekten beauftragen".

Spiegelt sich diese Offenheit auch in Ihrem Entwurf?

Böhm: Ja, deshalb gibt es eine große, einladende Freitreppe zur Straße hin. Auch die Kuppel, die aus drei Blättern besteht, die sich wie Hände begegnen, spiegelt die Offenheit. Der Gedanke war – obwohl man das als Geste nicht überinterpretieren sollte – dass sich dort die Religionen treffen.

Wie konkret waren die Vorgaben der Ausschreibung, beispielsweise, wie der sakrale Charakter der Moschee dargestellt werden soll?

Böhm: Es bestanden einige Funktionsanforderungen – die Ausrichtung der Gebetsnische, die räumliche Trennung von männlichen und weiblichen Moscheebesuchern, ein Vorraum, in dem man die Schuhe ausziehen kann. Ein Merksatz erschien mir in der Ausschreibung besonders wichtig: Die Moschee sollte ein Forum sein, das offen für alle Konfessionen ist.

Paul Böhm; Foto: www.boehmarchitektur.de
Paul Böhm: "Die Muslime benötigen einen Raum, wo sie gemeinsam beten."

​​Das ist wohl vor allem auf die profanen Bereiche gemünzt: Veranstaltungssäle, den Hammambereich, die Läden, die Gastronomie und so weiter. Die Bauherren wollen auch die nicht-muslimischen Mitbürger ansprechen. Sie wollen zeigen, dass sie keine konspirative Vereinigung sind. Es gibt da ja teilweise große Ängste, die wir eigentlich mit unserem Entwurf etwas nehmen wollten.

In Ihrem Entwurf sind Kuppel und Minarette weithin sichtbar – eine Vorgabe?

Böhm: Dass es zwei Minarette geben soll, war ein ausdrücklicher Wunsch in der Auslobung. Die Kuppel war so nicht vorgegeben, in der Auslobung jedoch als klassisches Element erwähnt. Es ist eine Moschee, das sollte man ruhig mit Selbstbewusstsein darstellen.

Die Muslime sollten sich nicht verstecken, jede Gemeinschaft sollte sich nach außen präsentieren. Man braucht Zeichen, Symbole, durch die man sich als unterschiedlich darstellt. Eine Moschee ist nun mal keine katholische Kirche.

Was halten Sie davon, dass die Moschee an einem relativ zentralen Ort in Köln gebaut werden soll?

Böhm: Die Situation der Muslime in Köln war mir seit Jahren ein Dorn im Auge. Ich habe lange gebraucht, um zu begreifen, dass einige verlassene Ladenlokale Moscheen sind. Gebetsräume im Hinterhof – das muss doch bedrückend sein, als ob man etwas Verbotenes täte! In Köln gibt es 100.000 Türken und Muslime – alles ehrenwerte Bürger, die einen Raum benötigen, wo sie gemeinsam beten.

Standen Sie bei Ihrer Arbeit in einem Spannungsfeld der Interessensgruppen – Auftraggebern, Stadtverwaltung, Parteien?

Böhm: Die Ausschreibung war ein anonymer Wettbewerb, der von einer unabhängigen Jury bewertet wurde. In der Jury saßen Politiker aller Parteien, Kirchenvertreter und, aber nur zu einem kleineren Teil, die Bauherren. Daher bestand kein solches Spannungsfeld für uns.

Doch es gibt Stimmen, die grundsätzlich gegen den Bau einer solchen Moschee sind. Meine Hoffnung ist, dass unsere muslimischen Mitbürger mehr zur Selbstverständlichkeit werden. Das erreicht man nicht, wenn sie sich zum Beten in irgendwelche Spielunken davonstehlen! Wenn sie sich mit einem richtigen Haus präsentieren, schöpfen die Menschen vielleicht mehr Vertrauen.

Interview Thilo Guschas

© Qantara.de 2006

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