In vielen Welten zu Hause

Yadé Kara gehört zur jungen Generation türkischstämmiger Autoren in Deutschland. In ihrem interkulturellen Roman "Café Cyprus" erzählt sie die Geschichte vom Berliner Türken Hasan im pulsierenden London. Pouyeh Ansari sprach mit der Autorin.

Yadé Kara gehört zur jungen Generation türkischstämmiger Autoren in Deutschland. In ihrem jüngsten Roman "Café Cyprus" setzt sie die Geschichte ihres Debütwerks fort: Hasan, der von Istanbul zurück in seine Geburtstadt Berlin zieht und den Mauerfall und die deutsche Wiedervereinigung erlebt, zieht nun in die interkulturelle Weltmotropole London. Pouyeh Ansari sprach mit der Autorin.

Yade Kara; Foto: AP
"Menschen, die nicht polyglott sind, die nur in einer Kultur zu Hause sind, fehlt die Erfahrung, in mehreren Welten zu Hause zu sein. Ich nenne sie die Einwelt-Menschen", sagt Yadé Kara.

​​ Frau Kara, mir ist aufgefallen, dass in ihrem Roman "Café Cyprus" fast alle Charaktere einen Migrationshintergrund haben. Warum?

Yadé Kara: Nein, das sind Londoner und das sind die neuen Londoner, sie gehören zu der Stadt wie alles andere auch. Es ist ein neues London entstanden, das nicht mehr dem Klischeebild von London entspricht, das wir aus Hitchcockfilmen kennen. Wenn sie in London "Inner City" in die Metro steigen, da sehen sie die halbe Welt in diesen Zügen und das mit solch einer Selbstverständlichkeit - da können sie den Hintergrund der Menschen nur erahnen. Das sind Londoner, die haben ihren Alltag, die arbeiten dort, die lesen ihre Zeitung, die zahlen ihre Steuern und ziehen ihre Kinder dort groß. So what!?

Also, sind Hasan und seine Freunde, die ja alle unterschiedliche ethnische Wurzeln haben, die Prototypen der neuen Europäer?

Kara: Auf jeden Fall! Europa hat 450 Millionen Einwohner. Davon haben 15 Millionen einen moslemischen Glauben. In Paris, London, Berlin, Rom und Madrid ist bereits die zweite und dritte Generation von Menschen herangewachsen, deren Eltern vielleicht nicht aus Europa stammen. Das sind für mich die neuen Pariser, die neuen Londoner ​​ und die neuen Berliner. Das ist Realität, das ist für mich selbstverständlich. Und ich glaube in 20, 30 oder auch 40 Jahren ist es einfach kein Thema mehr. In London ist das Selbstverständnis der kulturellen Vielfalt viel präsenter als in Berlin oder New York. London ist im wahrsten Sinne des Wortes 'a very mixed city'!

Hasan ist quasi ein moderner Nomade. Er zieht von Istanbul nach Berlin und dann weiter nach London. Wie ist das bei Ihnen? Wo ist Ihre Heimat?

Kara: Momentan lebe ich in Berlin, dort bin ich auch aufgewachsen. Berlin ist die Stadt, die mich von allen Orten am meisten geprägt hat. Berlin hat auch mein Schreiben beeinflusst. Ich liebe auch Istanbul und London, aber Berlin hat eine Hauptstellung in meinem Leben.

Was ist für Sie Heimat?

Kara: Ich habe die Erfahrung gemacht, das Menschen, die nicht polyglott sind, die nur in einer Kultur zu Hause sind, jemanden immer auf eine Sache reduzieren. Denen fehlt die erlebte Erfahrung, in mehreren Welten zu Hause zu sein - in mehreren Sprachen, in mehreren Kulturen. Ich nenne sie die Einwelt-Menschen. Ihnen fällt es schwer die Mehrwelt-Menschen zu verstehen, weil ihnen die erlebte Erfahrung fehlt, dass man auch in mehreren Welten zu Hause sein kann.

In Ihrem Roman sprechen Sie ja auch den Zypernkonflikt an. In dem Café, in dem Hasan arbeitet, gehen türkisch- und griechischstämmige Zyprioten ein und aus. Sie diskutieren auch immer wieder über eine mögliche Vereinigung. Glauben Sie persönlich an eine Vereinigung Zyperns?

Kara: Die Vorzeichen für eine Vereinigung sind positiv. Aber es gibt natürlich Menschen, die Narben tragen, die Wunden tragen, deren Blick in die Vergangenheit gerichtet ist. Die werden immer die harten Fronten bleiben. Aber mittlerweile sind ja neue Generationen herangewachsen, ohne Narben, ohne Wunden. Ich habe Hoffnung in diese Generation, dass die die Übergänge weicher machen. In Green Lanes [Straße in London, kommt auch im Roman vor. Anm. d. Red.] leben die griechischen und türkischen Zyprioten in Nachbarschaft und das schon seit über 40 Jahren und noch länger. Das ist ein Zeichen, dass es geht. Sie hätten sich ja auch in anderen Gebieten ansiedeln können, als sie nach London kamen. Das hat mich auch sehr überrascht, als ich aus einer geteilten Stadt wie Berlin nach London ging. Das zeigt, dass auf neutralem Boden vieles machbar ist, trotz einer verwundeten Vergangenheit.

Wie ordnen Sie ihren Roman in einen europäische Diskurs ein?

Kara: "Café Cyprus" ist ein Cross-Culture-Novel - ein interkultureller Roman. Da ist ein junger Mann, er ist ein Berliner Türke, er geht nach London und vergleicht alle drei Kulturen miteinander. Es ist ein interkulturelles Buch. Im größeren Rahmen ist es ein Bildungsroman.

Interview: Pouyeh Ansari

© Qantara.de 2008

Yadé Kara: "Café Cyprus", Diogenes Verlag.

Qantara.de

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