Ein türkischer Sender für die arabische Welt

Die türkische Staatsrundfunk TRT hat kürzlich den arabischsprachigen Fernsehsender At Turkiyya eingeweiht. Im Gespräch mit Ayşe Karabat erklärt Programmdirektor Sefer Turan, dass der Sender keine Propaganda betreiben, sondern lediglich das Interesse der arabischen Welt an der Türkei bedienen werde.

Sefer Turan; Foto: Ayşe Karabat
Sefer Turan: "Aufgrund der sehr aktiven Außenpolitik der Türkei sind die Menschen immer neugieriger auf unser Land geworden."

​​Nachdem andere internationale Rundfunkgesellschaften wie die BBC und CNN oder auch das chinesische und das russische Staatsfernsehen arabische Sender eingerichtet haben, hat man sich nun auch in der Türkei zu diesem Schritt entschlossen und den Sender At Turkiyya gegründet. Welche Ziele verfolgt die Türkei mit der Gründung des Senders?

Sefer Turan: Die türkische und die arabische Welt haben eine gemeinsame Geographie, Kultur und Geschichte. Die Wurzeln ihrer Beziehung liegen sehr tief. Und doch lief die Vermittlung zwischen ihren Gesellschaften lange Zeit nur über Außenstehende, über Übersetzer. Dies führte zu vielen Missverständnissen und "Übersetzungsfehlern". Mit At Turkiyya wollen wir diese Situation verbessern, so gut es geht. Wir wollen uns auf direktem Wege über unsere Geographie austauschen, über unsere Bildung, Kunst und Kultur, einfach über alles. Wir wollen keine Übersetzer mehr, die unsere Kommunikation für uns erledigen.

Die Türkei will sich der arabischen Welt selbst präsentieren. Dies soll aber ein Prozess sein, der in beide Richtungen abläuft: zur gleichen Zeit werden auch in arabischen Staaten Sendungen produziert, die übersetzt und in anderen, türkischsprachigen Kanälen ausgestrahlt werden. So können wir die arabische Welt auch unseren türkischsprachigen Zuschauern näher bringen und das in angemessener und direkter Weise.

Was ist der Unterschied zwischen At Turkiyya und anderen internationalen arabischsprachigen Sendern? Warum sollte sich das arabische Publikum gerade At Turkiyya anschauen und nicht die anderen verfügbaren Sender?

Quelle: At Turkiyya
"Die Türkei will sich der arabischen Welt selbst präsentieren." Logo von At Turkiyya

​​Sefer Turan: Momentan gibt es ungefähr 750 Fernsehkanäle, die Sendungen in arabischer Sprache anbieten. "Warum sollten sich die Zuschauer gerade für uns entscheiden?" ist eine wichtige Frage, die wir uns stellen, wenn wir unsere Sendungen produzieren. Wir sind ein Familienkanal; das bedeutet, dass bei uns jede Art von Programm zu sehen sein wird. Auch wenn dies eine große Herausforderung darstellt, denken wir, dass es ein Vakuum gibt, das von dieser Art von Familiensender ausgefüllt werden kann. Und genau das ist unser Ziel.

Außerdem ist ein Ergebnis der sehr aktiven Außenpolitik der Türkei, dass die Menschen immer neugieriger auf unser Land geworden sind. Diese Neugier bezieht sich nicht nur auf unsere Politik, sondern geht viel tiefer und bezieht sich auch auf unsere Kultur und Traditionen, auf die türkische Kunst und Geographie. Auf diese Neugier wollen wir reagieren.

Auch wenn der Sendebetrieb gerade erst aufgenommen wurde, haben wir bereits eine große Zahl von Zuschauern in der arabischen Welt, was uns sehr glücklich macht. Dennoch stehen wir natürlich unter dem Druck, uns von anderen arabischsprachigen Sendern abzuheben. Dies ist wie gesagt eine große Herausforderung, doch eine, der wir uns gewachsen fühlen.

Warum wurden Sie für den Posten als Koordinator ausgewählt? Kennen Sie sich gut aus in der arabischen Welt?

Foto: At Turkiyya
"Kein Propagandakanal": Premierminister Erdogan bei der Vorstellung des Senders

​​Sefer Turan: Nun, auf diese Frage möchte ich nicht aus meiner persönlichen Sicht antworten, das könnten ebenso gut andere tun, meine Kollegen etwa oder die größte Oppositionspartei, die eine parlamentarische Untersuchung zu meiner Berufung anstrengen wollte. Wenn man sich aber meinen Lebenslauf anschaut, wird man sehen, dass mein Weg in den Journalismus 1985 bei Cairo Radio and Television begann, als Sprecher und Übersetzer. Seitdem blieb ich im Journalismus geblieben. In den letzten 12 Jahren habe ich zudem in vielen arabischen Ländern als Journalist gearbeitet.

Welche Art von Mitarbeitern stellen Sie ein?

Sefer Turan: Die Zahl von Türken, die arabisch sprechen und auch noch mit dem Journalismus und dem Fernsehen vertraut sind, ist sehr begrenzt. Deshalb kommt unsere Kernbelegschaft aus arabischen Staaten. Wir beschäftigen Mitarbeiter aus sämtlichen arabischen Staaten: aus Ägypten, dem Sudan, Syrien, Palästina, Algerien und Jordanien. Dies haben wir deshalb so entschieden, weil unsere hauptsächlich verwendete Sprache zwar das klassische Arabisch ist, wir von Zeit zu Zeit aber auch Sendungen in lokalen arabischen Dialekten senden wollen.

Ist At Turkiyya Teil der generellen "Politik der Öffnung nach Osten" der Türkei? Ist es ein Ziel, den Sender als Instrument zu gebrauchen, um die arabische öffentliche Meinung effektiver zu beeinflussen?

Sefer Turan: Wenn es darum geht, das Potential unseres Landes zu erklären, geht es natürlich auch darum, von unserer Wirtschaft und unseren Leistungen zu sprechen. In der Türkei gibt es inzwischen eine ganze Reihe bekannter Marken und das wird sich in der einen oder anderen Weise auch in unserem Programm widerspiegeln, im Rahmen unseres journalistischen Auftrags und der allgemeinen Fernsehrichtlinien. Unsere Botschaft an die arabischen Investoren lautet: "Bitte investiert in der Türkei." Die wirtschaftliche Perspektive ist uns wichtig, weshalb wir auch tägliche Wirtschaftssendungen ausstrahlen werden.

Die arabischen Zuschauer sind sehr misstrauisch gegenüber arabischsprachigen Sendungen, die außerhalb der arabischen Welt produziert werden, etwa Al Hurra aus den USA. Wie wollen Sie verhindern, dass Ihrem Sender ein ähnliches Misstrauen entgegengebracht wird?

Sefer Turan: Wir werden kein Propagandasender sein. Unsere Zuschauer werden sich in unserem Programm wiederfinden. Unser Morgenprogramm etwa kommt aus Istanbul, Kairo und Beirut. Wir bereiten Unterhaltungssendungen vor, in denen sich türkische und arabische Künstler die Bühne teilen, sowie Shows über arabische Literatur. Eine Sendung etwa heißt "Türkisches Café". Wir laden arabische Autoren ein, um mit uns über Literatur, Kunst und Kultur zu sprechen.

Wir sprechen zwar über die Türkei, werden dies aber nie in propagandistischer Weise tun. Dies ist der richtige Ansatz. Wir wollen die türkische Industrie, ihre Politik, Kultur und Kunst vorstellen und den Zuschauern die Wertung überlassen. Unsere Zuschauer werden nichts finden, was sie verstören oder ihr Misstrauen erregen könnte. Und unsere Zuschauer lieben uns, weil sie uns als zu ihnen gehörig empfinden.

Sie senden aber ja auch Nachrichten. Glauben Sie nicht, dass, vor dem Hintergrund, dass die Demokratie in vielen arabischen Staaten nicht sehr gut ausgebildet ist, dies zu Problemen führen könnte?

Sefer Turan: Ich denke nicht, dass es da zu ernsten Problemen kommen wird. Wir beziehen in unseren Nachrichten nicht einseitig Stellung. Wir senden einfach die Geschichte, so wie sie ist, und überlassen es den Zuschauern, sich eine eigene Meinung zu bilden.

Ayşe Karabat

© Qantara.de 2010

Übersetzt aus dem Englischen von Daniel Kiecol

Redakteur: Lewis Gropp/Qantara.de

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