"Islam verbietet Gewalt"

Ehrenmord, Terror, Irakkrieg: Der erfolgreiche muslimische Rapper Ammar114 kritisiert in seinen Texten das Unrecht, das gegen Muslime oder von Muslimen selbst verübt wird. Nimet Seker sprach mit ihm über seine Texte.

Rapper Ammar114; Foto: Stephan Schmidt
"Der Islam verneint und verbietet ausdrücklich abscheuliche Taten wie Ehrenmorde und Terror", sagt Rapper Ammar.

​​Was heißt der Zusatz 114 in deinem Namen?

Ammar114: Der Quran besteht aus 114 Suren, allesamt in Reimen. Dieses Buch vereint alle Muslime weltweit und zu jeder Zeit. Diese 114 Suren haben mein Herz bewegt und mein Leben verändert. Das Lied "114 – Reime die bewegen" von meinem neuen Album "Aus dem Schatten ans Licht" spiegelt die Liebe, die Kraft und die faszinierenden Zeichen wieder, die in diesen 114 Kapiteln des Qurans zu finden sind.

Du scheust dich nicht, in deinen Songs offen politische Themen
anzusprechen, wie in dem Song "Im Namen der Demokratie". Wie sind diese
Songs entstanden?

Ammar114: Hast du schon mal von dem Fall des Herrn Khafagy gehört? Er hat vor einiger Zeit vor dem Bundestagsauschuss wegen seines unvergesslichen Erlebnisses in einem europäischen Foltergefängnis 2001 gesprochen. Dieser Mann hat nichts mit Terror und Gewalt zu tun und inzwischen ist es bewiesen, dass er unrechtmäßig in einer der berüchtigten Gefängnisse festgehalten wurde.

In der ersten Strophe von "Im Namen der Demokratie" spreche ich über diese Geschichte. Seitdem ich den Song 2004 veröffentlicht habe, wurde ich nicht ein einziges Mal auf diese 1. Strophe angesprochen. Keine Zeitung und kein Reporter hat sich auch nur im Geringsten dafür interessiert. Stattdessen wird dieser Song vom Verfassungsschutz erwähnt und der Inhalt total aus dem Kontext gerissen.

​​Als ich vor 7 Jahren von dem Schicksal des Herrn Khafagy gehört habe, war ich schockiert und konnte nicht glauben, dass es so was wirklich gibt. Ständig wird uns auf die Nase gerieben wie viel Unrecht im Namen des Islam geschieht. Es werden Mauern gebaut und Hass geschürt. Nur eine Seite wird beleuchtet und einige warten sehnsüchtig auf den Kampf der Kulturen. Aber wie viel Unrecht geschieht denn im Namen der Demokratie, habe ich mich damals gefragt? Es folgten der Krieg in Afghanistan, der Krieg im Irak, die Situation im Gazastreifen eskalierte.

All diese Ereignisse, Gedanken und Gefühle haben mich zu diesem Song inspiriert. Hier geht es nicht um Politik, sondern um persönliche Schicksale, zahlreiche Menschenleben, Unrecht und brutale Gewalt.

Auch deine aktuellen Songs sind sehr politisch. Wovon handelt das Lied 5:32, das man auf deiner Website downloaden kann?

Ammar114: "Fünf 32" steht für einen Vers im Quran, worin man folgendes lesen kann: "Wenn jemand einen Menschen tötet, so ist es, als hätte er die ganze Menschheit getötet; und wenn jemand einem Menschen das Leben erhält, so ist es, als hätte er der ganzen Menschheit das Leben erhalten." Eine klare Aussage die sich jeder gläubige Muslim zu Herzen nehmen sollte. In der ersten Strophe geht es um Jugendkriminalität. Ich nehme Stellung zu den U-Bahnschlägern aus München und zu der gesamten Problematik.

In der zweiten Strophe geht es um Ehrenmord. Ich beginne die Strophe mit einer wahren Geschichte die in Garching bei München stattgefunden hat. Die dritte Strophe beschäftigt sich mit dem Thema Terror. Alles Begriffe, die in der Öffentlichkeit oft mit dem Islam in Verbindung gebracht werden.

Mit diesem Song will ich klarstellen, dass es nicht der Islam ist, der Menschen zu grausamen Taten wie z.B. Jugendkriminalität, Ehrenmorde und Terror aufruft. Im Gegenteil: Der Islam verneint und verbietet ausdrücklich derartig Abscheuliches. Dieses Lied soll dazu beitragen Vorurteile abzubauen, und falschen Vorstellungen entgegenzutreten. Ich will jeden ansprechen, der eine falsche Vorstellung vom Islam hat, egal ob Muslim oder Nichtmuslim.

Kommt deine Message beim Publikum an?

Ammar114: Ich erinnere mich an zwei Jugendliche die mich nach einem Auftritt angesprochen haben und meinten, dass sie speziell dieser Song sehr zum Nachdenken brachte. Solche Situationen motivieren mich immer weiter zu machen, egal wie hart es manchmal ist. Auch von Nichtmuslimen bekomme ich oft positives Feedback über Lieder wie "Fünf:32".

Du kritisierst in deinen Texten die amerikanische Politik im Irak usw.
Hast du bei deinen politischen Texten nicht Angst, falsch verstanden zu
werden?

Ammar114: Ich spreche klar und deutlich aus was ich zu sagen habe. Meine Kritik ist nicht gewalttätig, hasserfüllt oder blind. Natürlich sind Titel wie "Im Namen der Demokratie" oder "Hey George" provokant aber das liegt auch in der Natur des Raps. Rap ist provokativ und direkt. Allerdings gibt es da nichts falsch zu verstehen. Meine Texte sind nicht aggressiv oder sonstiges. Leider sind es oft die Medien, die alles so drehen und wenden wie sie Lust haben und mich falsch verstehen wollen. Doch meine Message ist klar und deutlich.

Was hältst du von Gangster-Rap? Viele Kids nehmen sich das ja zum Vorbild.

Ammar114: Gangster-Rap klingt cool. Der Sound, die Beats, die Sprüche alles muss cool rüberkommen. Die Gangster-Rapper verkaufen ein ausgefeiltes Image: Keine Regeln und krasser als alle anderen muss man sein! Es wird ein Lebensgefühl präsentiert das für Gewalt, Sex und Drogen steht. Viele nehmen sich daran ein Vorbild. Rapper schieben oft die Verantwortung von sich und meinen ihre Lieder verleiten niemanden zu schlechten Dingen. Sie zeigen ja nur, was auf der Straße los sei und spiegeln die Realität wieder. Natürlich geht es auf den Straßen krass ab, aber, was wir im Fernsehen präsentiert kriegen, ist inszeniert, gebündelt und hoch konzentriert.

Es geht um Verkaufszahlen und Erfolg und nicht ums wahre Leben. Die Kids nehmen sich ein Vorbild an ihren Stars. Ich will nicht sagen, dass ohne Gangster-Rap alles in Ordnung wäre oder das Gangster-Rap Schuld am Verfall der Jugend ist, aber er leistet seinen Beitrag dazu. Er nährt das System und unterstützt diesen Teufelsreis anstatt ihn zu durchbrechen. Letztendlich muss jeder seine Verantwortung tragen und seine Taten mit seinem Herzen vereinbaren.

Interview: Nimet Seker

© Qantara.de 2008

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​​ Dieser Artikel entstand im Rahmen des gemeinsamen Projekts "Meeting the Other" mit dem Online-Magazin Babelmed.net im Europäischen Jahr des interkulturellen Dialogs. Mehr Informationen zu diesem Projekt finden Sie hier

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