Viel Lärm um Wenig

Islamismuskritik oder Islam-Hetze? Die Diskussion um den Film "Fitna" des niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders schlägt seit Wochen hohe Wellen. Nach Ansicht des Islamwissenschaftlers Lutz Rogler schenkt die Öffentlichkeit dem Film zu viel Beachtung. Khaula Saleh sprach mit ihm.

Geert Wilders; Foto: dpa
Nicht ernst zu nehmen: Wilders arbeite mit den primitivsten Mitteln, um mit seinem Film Rassismus und Ängste gegen den Islam zu schüren, so Rogler.

​​Transportiert dieser Film Ihrer Meinung nach eine berechtigte Kritik am Islam - oder zumindest am Islamismus – oder haben wir es mit einer bösartig gemeinten Anti-Islam-Kampagne zu tun?

Lutz Rogler: Ich glaube, letzteres ist der Fall. Es handelt sich bei diesem Film für meine Begriffe eindeutig um eine politische Propaganda einer rechtsextremistischen Partei, die antidemokratische Auffassungen vertritt. Der Rechtspopulist Geert Wilders will mit diesem Film rassistische Vorstellungen und Ängste fördern, die in Hinblick auf die Muslime eine Art politische und religiöse Provokation darstellt.

Besteht durch solche Filme die Gefahr, dass Islam und Terrorismus in Europa wieder verstärkt gleichgesetzt werden?

Rogler: Ich sehe diese Gefahr eigentlich nicht, weil ich glaube, dass viele Menschen und auch die Mehrheit der Politiker die überaus groben Vereinfachungen und Verallgemeinerungen, die dieser Film zum Ausdruck bringt, nicht akzeptieren, insbesondere, die geradezu primitiven Mitteln, die sich der Film bedient.

Dies wird auch dazu nicht führen, dass man auf der Welle schwimmt, die auf vereinfachende und simplifizierende Art und Weise Islam, Terror und Gewalt miteinander verbindet.

Die niederländische Regierung und andere europäische Politiker haben sich deutlich von dem Film distanziert. Sehen Sie hierin eine Wende der europäischen Politiker im Umgang mit solchen Themen?

Rogler: Ich glaube, eine bestimmte Wende kann man da schon sehen, zumindest eine Veränderung in den Haltungen, insofern als die Sensibilität für bestimmte Formen der Islamophobie in Europa im Laufe der letzten Jahre gestiegen ist.

Demonstration in London vor der dänischen Botschaft gegen Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen; Foto: AP
Zündstoff für neue Demonstrationen? Die Sensibilität für bestimmte Formen der Islamophobie in Europa hat in den letzten Jahre zugenommen, so Rogler.

​​Im Übrigen glaube ich aber, dass die Haltung der niederländischen Regierung auch zu verstehen ist - im Rahmen einer europäischen Tradition der Bekämpfung von rechtsextremen und rassistischen Auffassungen allgemein.

Verhindern lässt sich die Ausstrahlung solcher Filme im Internet ja heutzutage nicht – müssen Muslime also lernen, mit solchen Provokationen zu leben?

Rogler: Ich befürchte beinahe, dass man damit Leben muss. Allerdings bin ich der Auffassung, dass man dem Film unter Umständen durch die große Aufmerksamkeit mehr Bedeutung zukommen lässt, als er letztendlich hat.

Es handelt sich um eine politische Propaganda eines letzten Endes relativ marginalen rechtsextremen, rechtspopulistischen Politikers. Ich glaube, dass inzwischen ein Konsens darüber herrscht, dass dieser Film mit geradezu primitiven Mitteln arbeitet und eigentlich in seinen Aussagen nicht ernst zu nehmen ist.

Interview: Khaula Saleh

© Deutsche Welle 2008

Lutz Rogler ist Islamwissenschaftler am Zentrum Moderner Orient in Berlin.

Qantara.de

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