"Israel ist eine Luftblase"

In dem israelischen Berlinale-Film "The Bubble" verdrängen junge Israelis den Nahost-Konflikt. Der Film handelt von einer Liebesbeziehung zwischen einem Israeli und einem Palästinenser. Igal Avidan hat mit dem Regisseur Eytan Fox gesprochen.

 ​​Im Film lernen sich der Palästinenser Ashraf und der Reservesoldat Noam an einem Checkpoint kennen. Kurz danach sehen wir sie in der gewagtesten homosexuellen Liebeszene, die jemals in Israel gezeigt wurde. Wie schwer war es, diese Szene zu drehen?

Eytan Fox: Sehr schwer, aber Youssef Sweid, der Ashraf spielt, fiel das viel leichter als Ohad Knoller, der Noam spielt, obwohl er aus einer konservativeren arabischen Kultur kommt. Beide sind übrigens heterosexuell. Obwohl Ohad bereits in meinem Film "Yossi & Jagger" (über die Liebe zwischen zwei israelischen Soldaten, I.A.) gespielt hatte, scheiterte er hier immer wieder, und wir mussten diese Szene auf dem Dach acht Stunden in gereizter Stimmung drehen. Danach haben wir sehr viel über seine Schwierigkeiten gesprochen, sodass die zweite Liebesszene wesentlich leichter zu drehen war. Ohad ist in vielerlei Hinsicht der alte israelische Mann. Er besteht zum Beispiel darauf, jährlich seinen Reservedienst an der Front zu leisten. Es ist komisch, weil er ein Künstler ist.

Dass er ihn liebt, signalisiert Ashraf durch ein Zeichen, das er in einem Theaterstück zusammen mit Noam gesehen hatte, die von homosexueller Liebe in einem KZ handelt.

Fox: Die Inszenierung, die ich im Haifa-Theater in den 80er Jahren gesehen habe, beeinflusste mich sehr. Das Stück von Martin Sherman, "Bent" (1979), war ein Riesenerfolg am Broadway und ein Meisterstück. Auf der Bühne können die beiden Figuren allein durch dieses kaum sichtbare Handzeichen signalisieren: Ich liebe dich. Auch der Israeli und der Palästinenser benutzen diese Geheimsprache.

Die Hauptkritik an Ihrem Film konzentriert sich auf die Abschlussszene des Selbstmordanschlags. Wie kommt ein friedlicher unpolitischer Palästinenser wie Ashraf dazu, sich und andere Israelis in den Tod zu reißen, und das ausgerechnet vor dem Restaurant, in dem er gejobbt hat?

Eytan Fox; Foto:yossiundjagger.de
Eytan Fox: "Ich habe niemals geglaubt, dass Selbstmordattentäter verrückt oder fanatische Muslime seien"

Fox: Ich habe niemals geglaubt, dass Selbstmordattentäter verrückt oder fanatische Muslime seien. Die meisten von ihnen sind in vielen Hinsichten so wie Sie und ich, ganz normale Menschen, manche haben Familie, manche auch Kinder. Ich habe das Thema gründlich recherchiert. Mich interessierte, wie so jemand dermaßen in die Ecke gedrängt wird, dass ihm nur diese Option offen bleibt. Ashraf begeht das Selbstmordattentat ausgerechnet vor dem Restaurant, um gegen die absolute Ablehnung zu protestieren, die er von allen Seiten spürt. Als Schwuler in Palästina muss er beweisen, dass er kein Verräter ist, der mit dem israelischen Feind schläft. Andererseits tut er das vor dem ihm bekannten Ort in der Hoffnung, jemand würde ihn in letzter Minute stoppen, einer der ihn liebt. Noam versucht es. Erst als ihm klar wird, dass er die Tat nicht mehr verhindern kann, beschließt er, zusammen mit Ashraf in einem Moment der Liebe zu sterben.

Wie gelang es Ihnen, das israelische Militär zum ersten Mal zu einer Zusammenarbeit zu überreden?

Fox: Die Hilfe der Armee spart sehr viel Geld. In "Yossi & Jagger" haben sie sich geweigert, nicht weil der Film homosexuelle Soldaten darstellen würde, sondern weil wir eine illegale Beziehung zwischen einem Soldaten und seinem Vorgesetzten zeigten. Überall auf der Welt wurden wir gefragt, ob die Armee uns unterstütze, und wir mussten dies verneinen. Vielleicht sind wir nach "Walk on Water" bekannter und die Menschen sehen und verstehen, dass wir trotz unserer Kritik an Israel viel Verständnis und Liebe für Israel zeigen. Wir haben der Armee gesagt: Wir werden den Film ohnehin drehen und, wenn ihr uns nicht helft, werden wir wieder jahrelang in aller Welt erzählen, dassihr uns wegen der Checkpointszene jede Hilfe verweigert. Nach zwei Tagen sagten sie zu und gaben uns gepanzerte Wagen, Waffen, Uniformen und die Genehmigung zu schießen.

Warum haben Sie nicht in den palästinensischen Gebieten gedreht?

Fox: Die Versicherung war zu kompliziert und wir wollten nicht, dass viele Soldaten die Crew beim Drehen schützen. Einige Darsteller hatten Angst, dort zu drehen. Daher drehten wir im arabischen Ort Kalanswa in Galiläa.

Ihr Film heißt zwar "The Bubble", aber Sie leben nicht in einer abgeschlossenen Luftblase, sondern haben schon einen Bezug zu Arabern und Palästinensern.

Fox: In all meinen Filmen und auch in der TV-Serie "Florentin" kommen politische Themen zum Ausdruck. Aber ich kann nicht behaupten, dass ich jeden Tag am Sicherheitszaun demonstriere und mein Leben dem politischen Kampf widme. Tali Fachima (eine 30-jährige, linksradikale israelische Aktivistin, die wegen ihrer Unterstützung feindseliger Palästinenser während des Kampfes mit Israel zu drei Jahren Haft verurteilt wurde, I.A.) demonstriert auf ihre Art, und ich leiste meinen Beitrag durch Filme, die Israelis und Juden in der Diaspora beeinflussen, die bisher jede Kritik an der israelischen Politik pauschal ablehnten.

ielleicht ist nicht Tel Aviv, sondern Israel eine Blase der Hysterie und Tel Aviv darin die einzige Oase der relativen Normalität?

Fox: Das stimmt. Ich und Gal (Uchovsky, Eytans Lebenspartner und Drehbuchautor, I.A.) leben seit einigen Monaten in einem Dorf in Frankreich. Erst durch die Entfernung begreifen wir, wie sehr Israel einer Blase gleicht, und wie sehr dies die kollektive Psyche der Israelis beeinflusst. Wir wurden erzogen zu glauben, dass Israel ein kleines Land ist, von Feinden umgeben. Physisch, geographisch und mental stimmt es. Israel ist eine Luftblase und Tel Aviv ist eine Luftblase innerhalb Israels, die sich dem Rest des Landes verschließt, um eine Art Normalität einer Weltstadt zu bewahren, von allen nahöstlichen Psychosen einer belagerten jüdischen Enklave losgelöst. Wir in Tel Aviv wollen zivilisierte Menschen sein, die mit der Außenwelt verbunden sind, die ins Theater und Kino gehen, die sich mit Mode und Musik auskennen und gute Restaurants schätzen. Nach dem Motto: Lass uns mal den Überlebenskampf beiseite lassen.

Interview: Igal Avidan

© Qantara.de 2007

Der Film "The Bubble" des israelischen Regisseurs Eytan Fox hat den Panorama-Preis der Confédération Internationale des Cinémas D´Art et Essai (C.I.C.A.E.), des Internationalen Verbandes der Filmkunsttheater erhalten.