Neue religiöse Toleranz am Golf?

Vor kurzem wurde im Golfstaat Katar die erste katholische Kirche eingeweiht. An der Kirchweihe nahm der aus der Schweiz stammende apostolische Vikar für Arabien, Bischof Paul Hinder, teil. Mit ihm sprach Ina Rottscheidt über die Realität der Religionsfreiheit auf der arabischen Halbinsel.

Bischof Paul Hinder; Foto: AP
Bischof Paul Hinder kann gut mit Einschränkungen leben, solange der Gottesdienst frei gestaltet werden kann.

​​In Katar wurde jüngst die erste katholische Kirche eingeweiht. Das Gotteshaus soll rund 60.000, vor allem ausländischen Katholiken, als Gebetsstätte und Gemeindezentrum dienen. Gibt es in Katar überhaupt genug Katholiken für das neue Gotteshaus?

Paul Hinder: Wir wissen nicht genau, wie viele Katholiken in Katar leben. Wir gehen davon aus, dass es gegenwärtig im ganzen Land in etwas Hunderttausend Immigranten gibt. Natürlich handelt es sich um Immigranten aus den Philippinen, Indien und anderen Ländern. Es stellt keine Gefahr dar, dass die Kirche nicht benötigt wird, denn wir haben jetzt schon so viele Gläubige in den Gottesdiensten, die wir an verschiedenen Orten hatten, so dass ich damit rechne, dass diese große Kirche an jedem Wochenende gut gefüllt sein wird.

In Katar gilt der Islam als Staatsreligion. Wie schwierig war es, die Pläne für den Bau dieser Kirche zu realisieren?

Hinder: Es war natürlich ein jahrelanger Prozess des Fragens, Bittens und Verhandelns. Die ersten Versuche liegen ja schon mehr als zehn Jahre zurück. Das hat natürlich mit der ganzen Situation im Land zu tun: Es ist ein islamisch geprägtes Land mit einem sehr strengen Islam – ähnlich wie in Saudi-Arabien – und das war auch der Grund, weshalb es solange gedauert hat.

Allerdings ist der gegenwärtige Emir von Katar um eine Öffnung des Landes bemüht. Man kann sagen, d.h. er hat schon eine tatsächliche Öffnung zustande gebracht – in verschiedener Hinsicht. Davon profitieren nun auch wir, aber nicht nur die Katholiken, sondern auch andere Kirchen. Und ich denke, dass er diesen Prozess auch weiter führen wird.

Gab es Einschränkungen bei der Realisierung dieses Projekts?

Hinder: Ja, die üblichen Einschränkungen. Diese gelten allerdings nicht nur für Katar, sondern auch für die Vereinigten Arabischen Emirate und für Oman. Sie äußern sich dadurch, dass z.B. christliche Zeichen nicht explizit von außen sichtbar sind: keine Türme, kein Kreuz, keine Statuen. Das hat alles seinen Platz nur innerhalb des betreffenden Geländes und darf von öffentlichen Verkehrswegen aus nicht sichtbar sein.

Können Sie mit solchen Einschränkungen überhaupt leben?

Hinder: Mit solchen Einschränkungen kann ich gut leben, ich habe damit keine Schwierigkeiten, solange wir innerhalb der Kirche unsere Gottesdienste frei halten können.

Sie sind – bezogen auf die Fläche – das Oberhaupt des weltweit größten Bistums. Sie stehen den Ländern Jemen, Oman, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Katar, Bahrain und Saudi-Arabien vor. Diese Länder sind ja nun in Sachen Religionsfreiheit für ihre restriktiven Bedingungen bekannt. Wie schwer ist das für ihre Arbeit?

Kirche in Katar; Foto: AP
Sieg für die Religionsfreiheit: Nach jahrelangen Verhandlungen wird die Kirche in Katar zu Ostern erstmals ihre Pforten öffnen.

​​Hinder: Das ist natürlich eine Eingrenzung, weil die Mobilität eingeschränkt ist, vor allem für den Bischof. Insbesondere die Versammlungsfreiheit ist nur in einem gewissen Maße gewährleistet und beschränkt sich im Wesentlichen auf die uns zur Verfügung gestellten Gelände, die der Pfarreiarbeit dienen. Außerhalb benötigen wir in der Regel eine Sondergenehmigung oder dies ist nur mit gewissen Risiken möglich.

Wenn man in einem solchen Land lebt, gewöhnt man sich an solche Einschränkungen und versucht, das zu tun, was man kann. Natürlich wünschte ich mir manchmal eine etwas größere Offenheit und ich hoffe auch, dass die Zeit hier auch zu unseren Gunsten und zu Gunsten anderer Religionen arbeitet.

Ist denn dieses Projekt der neuen Kirche in Katar – und letzten Endes hat ja auch der Emir dazu beigetragen und Sie unterstützt – ein erstes Zeichen für die Öffnung dieser Länder hin zu mehr Religionsfreiheit?

Hinder: Ja, wir dürfen nicht vergessen, dass in allen anderen Ländern – abgesehen von Saudi-Arabien – offiziell bereits solche Gemeinden bestehen. Wir haben seit 1938 in Bahrain eine Kirche. Es gibt in den Vereinigten Arabischen Emiraten sieben Pfarreien, in Oman sind es vier. Neu ist, dass Katar als selbstständiges Emirat nun zum ersten Mal so etwas realisiert. Aber insofern zieht Katar eigentlich einfach nach, was in anderen Ländern schon vorgemacht wurde.

Das Interview führte Ina Rottscheidt.

© DEUTSCHE WELLE 2008

Bischof Paul Hinder ist Apostolischer Vikar für Arabien. Der gebürtige Schweizer ist geistliches Oberhaupt des größten Bistums der Welt, zu dem neben Saudi-Arabien und Katar auch Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate, Oman und Jemen gehören.

Qantara.de

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