Being Osama - "Was ist ein Name?"

Der Film "Being Osama" ist eine dokumentarische Nahaufnahme der arabischen Gemeinde in Kanada in der Zeit nach dem 11. September 2001. Sechs Männer werden portraitiert, deren Gemeinsamkeit darin besteht, Osama zu heißen. Mit Mahmoud Kaabour sprach Lewis Gropp.

Fünf junge Araber in Kanada mit Namen Osama; Foto: Mahmoud Kaabour
"Jeder der portraitierten Osamas forderte das Klischee des Arabers auf seine Weise heraus", so der Regisseur Mahmoud Kaabour

​​Wie sind Sie auf das ungewöhnliche Konzept für "Being Osama" gekommen?

Mahmoud Kaabour: Wenige Monate nach dem 11. September — ich arbeitete damals in einer Videothek in Montreal — bat mich mein italienischstämmiger Chef recht unverblümt, meinen Vornamen in Moe zu ändern, weil er meinte, dass ein arabischer Name sich geschäftsschädigend auswirken könne. Ich teilte meinen Namen nun aber mit meinem Großvater, einem berühmten Geiger, der unter anderem mit der großen Sängerin Umm Kalthoum zusammen aufgetreten ist; deshalb war ich natürlich ziemlich stolz auf meinen Namen. Am gleichen Tag noch kündigte ich meinen Job und döste abends vor dem Fernseher ein. Auf CNN hörte ich mindestens 20 Mal den Namen Osama Bin Laden. Als ich wieder zu mir kam, dachte ich, um wie viel schrecklicher es sein müsse, Osama zu heißen.

Etwa eine Woche später suchte ich mit Anzeigen in verschiedenen Zeitungen der Stadt nach Leuten mit dem Namen Osama. Ich glaubte, es würde erhellend, unterhaltsam und wahrscheinlich auch ziemlich schauderhaft sein, was diese Menschen über ihre Erfahrungen nach dem 11. September zu berichten hätten. Es dauerte ein ganzes Jahr, bis ich 17 Männer gefunden hatte, von denen ich sechs auswählte.

Wichtigstes Kriterium bei dieser Wahl war ihre Einzigartigkeit und Verschiedenheit. Ich suchte sie aus, weil sie sich in allem unterschieden: im Aussehen, in den Anschauungen und im Glauben. Jeder von ihnen forderte das Klischee des Arabers auf seine Weise heraus und die Gegenüberstellung ihrer Lebenswirklichkeiten hielt ich für einen guten Weg, die Idee einer monolithischen, uniformen arabischen Erfahrung in Frage zu stellen.

Jeder Osama diente zugleich als Vehikel, um ein wichtiges Thema anzusprechen: Der Iraker half uns, das Elend zu verstehen, der sich die irakische Diaspora während der US-amerikanischen Invasion gegenübersah; der libanesische Osama berichtete von den Nachwehen des libanesischen Krieges; der Aktivist Osama über die Ungerechtigkeit des kanadischen Rechtssystems und darüber, wie hart im Land gegen die Bürgerrechte durchgegriffen wird, und "Big Osama" schließlich befindet sich auf einer reizvollen Suche nach einer Identität, die er mit einem anderen zu teilen hat.

Kanada wird oft als der freundliche, tolerante, kosmopolitische kleine Bruder der USA angesehen. Ihr Film aber dreht sich um Vorurteile und Rassismus. Inwieweit würden Sie dieses offene, tolerante Image der kanadischen Gesellschaft überhaupt noch als gültig bezeichnen?

Kaabour: Kanada ist auch heute noch eine tolerantere Gesellschaft, glaube ich. Dennoch blieb der 11. September natürlich auch hier nicht ohne schwerwiegende Auswirkungen. Kanadier mögen sich vielleicht weniger vor dem internationalen Terrorismus fürchten, doch haben auch sie große Angst vor Versäumnissen bei der inneren Sicherheit, die Anschläge gegen die USA ermöglichen könnten.

Schließlich ist die Grenze zwischen Kanada und den USA offen, und so kann es nicht verwundern, dass es in Montreal und anderen Städten zu Einschränkungen der Bürgerrechte von Arabern und Muslimen kam, einfach weil sie im Zentrum US-amerikanischer Warnungen standen. Kanada ist nicht länger der tolerantere Bruder der USA sondern der gehorsame, derjenige, der inzwischen auch an den Mythos der "arabisch-muslimischen Bedrohung" glaubt.

Konkret spiegelte sich diese erhöhte Sensitivität gegenüber Arabern und Muslimen in einem Generalverdacht wieder, unter den plötzlich alle Arten arabischer Symbole gestellt wurden: Turbane, Bärte, Schleier, die arabische Sprache und natürlich auch ... arabische Namen! Kanada reaktivierte gar die alte Praxis der so genannten "Sicherheitsbescheinigungen" (security certificates), nach der eine jede Person eingesperrt und festgehalten werden kann, ohne dass sie oder ihr Anwalt die Gründe der Festnahme mitgeteilt bekommen muss. Zu unserer Überraschung sind alle fünf der momentan unter diesem Gesetz verhafteten Personen muslimische Araber.

Und selbst als "Being Osama" ausgestrahlt wurde und trotz der im Grunde positiven Message und trotz des positiven Bildes von Kanada, das darin gezeichnet wurde, provozierte der Film wiederum Verdächtigungen. Ich wurde zu einem informellen "Gespräch" mit ein paar Beamten zitiert, die sichergehen wollte, dass nicht fanatische Muslims an mich herantreten würden, um Filme über sie zu drehen ...

Alle Ihre Protagonisten sind in gewisser Weise "Opfer". "Being Osama" ist trotzdem kein wütender Film. Dachten Sie im Lauf des Projekts daran, ihn vielleicht doch emotionaler und bissiger werden zu lassen?

Mahmoud Kaabour erhält auf dem kanadischen Festival für junge Regisseure den Preis für den besten Dokumentarfilm; Foto: Mahmoud Kaabour
Mahmoud Kaabour erhält auf dem kanadischen Filmfestival für junge Regisseure den Preis für den besten Dokumentarfilm

​​Kaabour: Ich wollte nicht, dass "Being Osama" ein polemischer Film wird. Oder eine statistische Auflistung aller Grausamkeiten, die gegen Araber verübt werden. Der Film soll aber schon engagiert sein und auch Sympathien wecken. Deshalb wird das ganze Thema des "backlash" auch schon ziemlich früh abgehandelt, um sich danach umso besser auf die Leben der sechs interessanten Figuren einlassen zu können, deren Menschlichkeit, Schrullen und Alltagsprobleme daran erinnern, dass ein Araber sehr viel mehr ist als die politische Karikatur, zu der man ihn immer wieder macht.

Glauben Sie, dass die arabischen Einwanderer in Kanada den Film anders gesehen haben als die nicht-arabischen Kanadier? Gab es überhaupt ein allgemeines Interesse für solch ein ungewöhnliches Thema?

Kaabour: "Being Osama" wurde von beiden Gruppen gleich positiv aufgenommen. Die Araber empfanden Genugtuung, dass ihre Stimme im Fernsehen gehört werden konnte, dass es ein Film über sie war und in gewisser Weise ja auch von ihnen; ein Film, der vieles von dem richtig stellt, was man nach dem 11. September falsch dargestellt hatte. Nicht-Arabern dagegen schien es einfach zu gefallen, einen solch intimen Einblick in den Alltag der arabischen Gemeinde zu bekommen.

Ich zeigte den Film in High Schools und Universitäten und es berührte mich, wie die Studenten erzählten, wie sehr sich ihr Bild von "den Arabern" durch den Film verändert hatte.

Leider war die Erfahrung mit den kanadischen Behörden eine ganz andere. Trotz der positiven Botschaft des Films und seines Aufrufs zu mehr Toleranz, befürchteten einige Beamte, dass er den Muslimen eine Stimme verleihen könnte. Ich musste einige unfreundliche Fragen zu meinen persönlichen Überzeugungen über mich ergehen lassen, wurde gefragt, wie ich zum Terrorismus und dem Westen stehe.

Auch einer der Osamas wurde drangsaliert und ein paar Mal zu seinen Anschauungen und seiner Religiosität befragt. Das frustrierte mich sehr und war für mich ein weiterer Beleg, wie sehr das Land inzwischen unter dem Eindruck einer allgemeinen Islamophobie steht.

Einige Wochen vor diesen inoffiziellen Befragungen hatte ich schon Probleme mit den Einwanderungsbehörden bekommen. Ich hatte eine Einladung an die Harvard University erhalten, um dort über meinen Film und die Lage der Bürgerrechte nach dem 11. September zu sprechen. Da ich aber kein kanadischer Staatsbürger bin, wiesen mich die Einwanderungsbehörden darauf hin, dass ich Probleme bei der Wiedereinreise bekommen könnte, und zwar unabhängig davon, wie willkommen ich den Amerikanern sei.

Die Geschichte gelangte auf die Titelseiten der kanadischen Zeitungen, doch änderte leider auch dies nichts an der Haltung der Behörde. Mir blieb nichts übrig, als die Reise abzusagen und mein Publikum per Telefon anzusprechen.

Die kompromisslose Art, in der Kanada meinen Film behandelte, war der Grund, warum ich mich irgendwann einfach nicht mehr erwünscht fühlte. Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt schon vier Jahre auf meine kanadische Staatsbürgerschaft gewartet und insgesamt sogar schon sieben Jahre im Land gelebt. So fasste ich den Entschluss, Kanada zu verlassen.

Ich habe also meinen kanadischen Traum aufgegeben und bin nach sieben Jahren Abwesenheit zu meinen Eltern nach Dubai gegangen. Ich lebe nun in Dubai und arbeite noch immer hart dafür, dass Menschen auf der ganzen Welt meinen Film "Being Osama" sehen können.

Interview: Lewis Gropp

Übersetzung aus dem Englischen von Daniel Kiecol

© Qantara.de 2005

Mahmoud Kaabour wurde 1976 im Libanon geboren. Seinen ersten Film drehte er mit siebzehn Jahren. In Kanada studierte er Film an der Concordia University, Montreal. "Being Osama" ist sein erstes größeres Filmprojekt.

Qantara.de

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