"Gegengewicht zum Islamismus nötig"

Politiker fordern den Dialog mit dem Islam. Doch was kann er ausrichten? Darüber sprach Kurt-Jürgen Maaß, Generalsekretär des Instituts für Auslandsbeziehungen in Stuttgart, mit Michael Weißenborn.

Kurt-Jürgen Maaß, Generalsekretär des Ifa; Foto: www.ifa.de
Maaß plädiert für Mäßigung auf allen Seiten und für einen kühlen Kopf im Kulturdialog

​​Ist der Dialog mit dem Islam, für den sich auch das Ifa engagiert, angesichts der Gewalt im Konflikt über die Mohammed-Karikaturen nicht gescheitert?

Kurt-Jürgen Maaß: Das sehe ich überhaupt nicht. So lange läuft dieser Dialog in seiner verstärkten Form noch gar nicht. Man kann nicht erwarten, dass es hier von heute auf morgen Erfolge gibt. Da muss man mit langem Atem herangehen und ihn vorsichtig aufbauen.

Wir suchen ja den Dialog auf der Ebene der Zivilgesellschaft. Die ist aber in den arabischen Ländern bisher nur extrem schwach entwickelt. Deshalb leisten wir mitunter erst einmal einen Beitrag, damit diese Zivilgesellschaft überhaupt entsteht. Zum Beispiel mit dem Austausch von Praktikanten, die hier bei Nichtregierungsorganisationen, bei Stiftungen und Redaktionen mitarbeiten und damit erfahren, was diese Institutionen im Westen bedeuten.

Die Bundesregierung hat seit dem 11. September einen Islambeauftragten. Aber keiner kennt ihn, und viel Geld hat er nicht.

Maaß: Das kann man so nicht sagen. Zunächst Botschafter Gunter Mulack und jetzt Botschafter Hans-Günter Hermann Gnodtke sind auf internationalem Feld sehr präsent und versuchen, auch auf europäischer Ebene mehr Kooperation zu erreichen. Wir sprechen ja immer vom euro-islamischen Dialog und meinen eigentlich noch immer den deutsch-islamischen Dialog. Das ist aber unsinnig.

Und was bedeutet der jetzt von vielen Politikern geforderte Dialog der Kulturen konkret nach draußen und nach innen?

Maaß: Nach draußen ist der Dialog für uns sehr umfassend angelegt. Dazu zählt der Studenten- und Wissenschaftleraustausch, Kontakte zu den Medien, der Informationsaustausch ganz allgemein. Damit versuchen wir, ein Gegengewicht zu schaffen gegen die andere große Bewegung in den islamischen Ländern, nämlich den Islamismus. Der versucht den rückwärts gewandten Weg über die Religion und ist an einer Modernisierung nach europäischen Mustern gar nicht interessiert.

Unsere Partner in den islamischen Ländern signalisieren uns aber, dass sie sehr wohl an einem Dialog interessiert sind. Man möchte mehr Hilfen bekommen bei der Demokratisierung, bei der Verbreitung gemeinsamer Werte wie Toleranz, Anerkennung von Differenzen, Respekt der Religionen, bei der Durchsetzung der Menschenrechte. Da gibt es riesige Defizite, die aus der islamisch geprägten Welt überwiegend Modernisierungsverlierer gemacht haben.

Und was heißt Dialog nach innen?

Maaß: Mit dem muslimischen Nachbarn reden oder zu Veranstaltungen wie etwa denen des Deutsch-Türkischen Forums in Stuttgart gehen. Wir müssen auch hier zu Lande den Dialog mit den Muslimen viel stärker suchen, um von den groben Stereotypen wegzukommen, mit denen wir miteinander umgehen.

In vielen Köpfen bei uns sind doch die Vorstellungen sicher nicht viel anders als das, was mit den Mohammed-Karikaturen zum Ausdruck gebracht wurde. Die Gleichung Muslim gleich Terrorist ist doch für einen Muslim, der hier seit Jahrzehnten lebt und arbeitet, immer wieder eine große Beleidigung. Wir müssen, so sagen uns auch immer wieder unsere muslimischen Partner, wegkommen von den viel zu einfachen gegenseitigen Urteilen.

Wenn Sie die Bemühungen vieler deutschen Muslime um Entspannung anschauen, ist da der Euro-Islam, also ein in Europa angekommener Islam, schon ein Stück weit Realität?

Maaß: Der ist Realität. Genau das kritisieren ja die Islamisten, die Angst haben vor dem Euro-Islam, weil er genau in die Richtung geht, die sie verhindern wollen.

Für manche im Westen bedeutet das vorsichtige Vorgehen ihrer Regierungen den Ausverkauf westlicher Werte. Eine britische Kolumnistin sprach gar von der "weißen Fahne vor dem klerikalen Faschismus". Was halten Sie davon?

Maaß: Von derlei kriegsähnlichen Parolen halte ich persönlich überhaupt nichts. Wir müssen unbedingt zur Mäßigung aufrufen. Wir können die Probleme nur mit einem kühlen Kopf angehen. Die Regierungen wollen sicher nicht noch Öl ins Feuer gießen und neue Gräben aufreißen, die wir mit dem Dialog gerade zuzuschütten versuchen. Und das ist auch sehr vernünftig.

Interview: Michael Weißenborn

© Stuttgarter Zeitung

Von Kurt-Jürgen Maaß erschien 2005 das Buch "Kultur und Außenpolitik" (Verlag: Nomos)

Qantara.de

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Johannes Ebert, Regionalbeauftragter des Goethe-Instituts für Nahost/Nordafrika, bekräftigt zwei Jahre nach dem 11. September die Bedeutung eines langfristigen Kulturdialogs bei der Vermeidung von Konflikten und plädiert für einen Dialog zwischen Individuen.

www

Institut für Auslandsbeziehungen (Ifa)

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