Dialog durch den Winkelschleifer

Im Herzen Syriens hat der Schauspieler Faris al Helou fünfzehn Bildhauer aus Syrien und dem Ausland zusammen gebracht. Einen Monat lang bearbeiteten sie unter dem Motto "Die Schönheit der Liebe" Marmorblöcke aus dem italienischen Carrara. Manuela Römer hat das Symposium besucht.

Im Herzen Syriens hat der in der arabischen Welt beliebte Schauspieler Faris al Helou fünfzehn Bildhauer aus Syrien und dem Ausland zusammen gebracht. Einen Monat lang bearbeiteten die Künstler und Künstlerinnen in Mashta al Helou unter dem Motto "Die Schönheit der Liebe" Marmorblöcke aus dem italienischen Carrara. Damit kamen sie sich nicht nur gegenseitig näher, sondern auch der Bevölkerung. Manuela Römer hat das Symposium besucht.

Marmorstaub bedeckt das Gesicht und die Arme von Susanne Paucker. Die 30-jährige Bildhauerin legt noch letzte Hand an, um den Kopf des griechischen Liebesgottes Eros zu vollenden. Im milden Abendlicht, das das Küstengebirge östlich der Hafenstadt Tartus gelb-orange färbt, treten die Konturen ihrer Skulptur deutlicher hervor.

Die Deutsche ist eine von sieben Ausländern, die zum Internationalen Skulpturen-Symposium nach Mashta al Helou eingeladen wurden. Außer ihr nahmen ein Franzose, ein Russe, ein Armenier, zwei Italiener und ein Bildhauer aus Ecuador teil sowie acht einheimische Künstler und Künstlerinnen.

Zum zweiten Mal hat der syrische TV-Star Faris al Helou Bildhauer zu einem Symposium in seinen Heimatort geholt.

"Das Ergebnis ist wunderbar, mehr als ich zu träumen gewagt hätte", ist sein diesjähriges Fazit. "Mein Ziel war, dass die Bevölkerung mit den Bildhauern ins Gespräch kommt und Kunst praktisch erlebt, ohne sich damit theoretisch beschäftigen zu müssen."

Das Konzept ist aufgegangen. Der Schauspieler wählte für sein Projekt einen Platz an der Durchgangsstraße von Mashta al Helou. Da die Gegend landschaftlich und archäologisch für Touristen attraktiv ist, hatten die Künstler "Publikumsverkehr" aus der ganzen arabischen Welt.

"Gläsernes Atelier" an der Straße

Der syrische Bildhauer Issa Dieb, der ebenfalls aus der Region stammt, aber in der Hauptstadt Damaskus arbeitet, erzählt, wie die Menschen ihre Schüchternheit oder Distanz gegenüber der Kunst angesichts des "gläsernens Ateliers" an der Straße überwanden:

"Die Kunst, und besonders die Bildhauerei, ist ja nichts besonders Wichtiges im Leben der Bürger. Aber hier haben sie gesehen, wie ein Kunstwerk entsteht - vom ersten Tag bis zur fertigen Skulptur. Sie haben die Fortschritte der Arbeit mehr kontrolliert als wir Bildhauer selbst. Und neben Neugier und Fragen haben sie uns Getränke, Früchte und Eis mitgebracht."

Faris el Helou; Foto: Manuela Römer
Faris el Helou, syrischer Schauspieler und Kunstliebhaber

​​Einzelne Bildhauer sind auch immer wieder privat zum Essen eingeladen worden. "Wo wir doch nicht mal Arabisch sprechen", sagt Susanne Paucker. "Die ganze Familie war da und hat für uns gekocht. Auch wenn wir im Dorf irgendwo was trinken gegangen sind, wollten die Leute fast nie, dass wir bezahlen. Die Gastfreundschaft ist Wahnsinn hier."

Für die Mehrheit der ausländischen Künstler war es der erste Besuch in Syrien. Über die Arbeit am Marmor haben sie einen neuen Kulturkreis kennen gelernt und auch eine andere Haltung zur Arbeit mit dem Marmor:

"Hier wird auf eine spielerische Art und Weise lockerer an den Stein herangegangen. Aber das ist vielleicht gerade mal der Reiz, nicht zu technisch zu sein", meint Paucker, die im italienischen Carrara lebt.

"Ein Unterschied ist auch, dass die Syrer fast alle nur mit der Flex (Winkelschleifer) arbeiten, während wir es gewohnt sind zusätzlich Hammer und Meißel – wenn auch mit Pressluft – zu benutzen. Wenn man Details macht, ist es schwierig mit der Flex."

Ausstellung für die Ewigkeit

Die modernen Geräte seien für syrische Bildhauer schlicht zu teuer, erklärt Issa Dieb, der in seiner Skulptur das Verhältnis von Frau und Baum darstellt. Dass beide auf ihre Weise Frucht und Leben spenden, interpretiert Dieb als Liebe zur Menschheit.

Wie das Thema "Die Schönheit der Liebe" umgesetzt wurde, dafür gab es vom Initiator Faris al Helou keine Vorschriften. Er stellte nur eine Bedingung: Die Skulpturen dürfen nicht an privaten Plätzen aufgestellt werden, sondern müssen im öffentlichen Raum bleiben.

So wurden die Werke vom letzten Jahr, die ausschließlich von syrischen Bildhauern stammen, im ganzen Ort verteilt. Das Gleiche geschieht mit den gerade fertig gewordenen Skulpturen.

Es soll eine ewige Ausstellung sein, "damit sich die Augen der Menschen an Kunst gewöhnen", so Faris al Helou. "Hier im Ort gibt es Restaurants und Häuser, aber kein kulturelles Leben. Genau das möchte ich ändern." Wenn das Symposium auch in Zukunft jährlich stattfindet, wird irgendwann vor jedem Haus in Mashta al Helou eine Skulptur stehen.

Die Chancen stehen gut. Megastar Al Helou konnte in diesem Jahr neben staatlicher Unterstützung auch private Sponsoren gewinnen, darunter große internationale Firmen. Das ganze Land habe sich offenbar für das Symposium interessiert, meint auch Susanne Paucker:

"Wir waren die ganze Zeit umlagert von Journalisten. Den ganzen Monat, von Anfang bis Ende, wurden wir dauernd gefilmt und interviewt. Manchmal war es anstrengend, immer wieder alles zu erklären, aber andererseits war dieser direkte Kontakt mit den Leuten eben auch das Schöne."

Manuela Römer

© Qantara.de 2007

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