Sex, Religion und Coca-Cola

Mit ihrer provokativen Kunst kritisiert Arahmaiani den Islam und die zunehmende Islamisierung Indonesiens. Die gläubige Muslimin verschont dabei aber auch den Westen nicht mit ihrer Kapitalismuskritik. Von Christina Schott

Von Christina Schott

​​Geht es nach der indonesischen Künstlerin Arahmaiani, dann prangen zum G8-Gipfel in Heiligendamm im kommenden Juni riesige arabische Lettern an der Stahlwand, die die hohen Politiker vor dem Rest der Welt schützen soll. "Allah" soll dort stehen, in Form von knallbunten Riesenkissen. "Diese Wand erinnert mich an die Mauer zwischen Israel und Palästina. Das Wort Allah jedoch ist für mich gleichbedeutend mit Liebe – und daran möchte ich die Leute gern erinnern," so die bekennende Muslimin.

Ob sie eine Genehmigung für das Projekt erhält, steht noch nicht fest. "Stitching the Wound" ist eines der neuesten Werke der Malerin, Installations- und Performance-Künstlerin Arahmaiani. Im vergangenen August präsentierte sie die überdimensionale Kissen-Installation im Jim Thompson House in Bangkok. Zur Eröffnung gab es die Lettern von "Allah" auch als Kuchen zu essen.

Während die Ausstellung im buddhistischen Thailand eher wenig Aufmerksamkeit erregte, wurde Arahmaiani wenige Monate zuvor im islamischen Malaysia von der Religionspolizei gesucht, weil sie während einer Performance einen Teller zerbrach, auf dem das Wort Allah stand. In ihrem eigenen Land ist die Indonesierin seit langem bekannt als kritische Stimme, die sich gegen jede Art von politischer, religiöser und sozialer Ungerechtigkeit äußert – vor allem, wenn es um die Rechte der Frauen geht.

Kindheit zwischen Kejawen und Islam

Arahmaiani wurde 1961 in der westjavanischen Stadt Bandung geboren. Ihr Vater, ein islamischer Gelehrter, erwartete von seiner Tochter, dass sie fünf Mal am Tag betete und den Koran rezitieren konnte. Die Familie ihrer Mutter dagegen praktizierte "Kejawen" – eine für Java typische Mischung aus animistischen, hinduistischen und islamischen Traditionen. Ohne Wissen des Vaters lernte Arahmaiani durch die mütterliche Verwandtschaft das Schattenspiel und andere traditionelle Künste kennen und lieben.

"Diese Gegensätze verwirrten mich als Kind zunächst. Doch mit der Zeit habe ich die beiden religiösen Kulturen wohl unbewusst miteinander kombiniert und denke heute, dass die Erfahrungen meiner Kindheit sehr bereichernd waren," so die 46-Jährige. Ein einschneidendes Erlebnis hatte Arahmaiani mit acht Jahren, als ihr Vater fragte, was sie später einmal werden wolle. Sie antwortete: Prophet. Ihr Vater erklärte daraufhin, dass nur Männer Propheten werden könnten. "Damals erkannte ich, dass Männer und Frauen im Islam nicht gleich viel gelten. Das hat mich tief enttäuscht," erinnert sich die Künstlerin, die heute ohne Familie lebt. "Ich habe mich daher immer an den Leitsatz meiner Mutter gehalten, sich als Frau nie von einem Mann abhängig zu machen."

Provokation: Koran und Kondom

​​Dass eine unabhängige Meinung gefährlich sein kann, bekam Arahmaiani seitdem vielfach zu spüren. Bereits in den achtziger Jahren machte sie als Kunststudentin unangenehme Bekanntschaft mit der Geheimpolizei des damaligen Suharto-Regimes. Wegen einer Performance, in der sie das Militär kritisierte, wurde sie einen Monat lang festgehalten und entkam nur mit Glück den berüchtigten Lagern für politische Gefangene. 1994 bekam sie zum ersten Mal Ärger mit islamischen Fundamentalisten. Nach einer Ausstellung mit dem Titel "Sex, Religion und Coca-Cola" erhielt sie Todesdrohungen.

Ihr Werk "Etalase" zeigte den Koran neben einem Kondom und einer Cola-Flasche. Während sich die Extremisten in Jakarta vor allem wegen des Kondoms neben dem Koran ereiferten, hatten einige Jahre später die Organisatoren einer Wanderausstellung in den USA wiederum bedenken, dass die Cola-Flasche neben dem Koran Unmut erregen könnte. 1998 kam die "Etalase" schließlich nach New York – in anderen Teilen der USA durfte sie nicht gezeigt werden. "Ich habe schon immer beide Seiten kritisiert – den Islam wie den Kapitalismus", erklärt Arahmaiani, "daran hat sich auch seit dem 11. September 2001 nichts geändert."

Und tatsächlich haben sich auch die Probleme für ihre Kunst nicht geändert: Aus denselben Gründen wie vor neun Jahren wird die mittlerweile berühmte "Etalase" auch in diesem Jahr bei einer Sammelausstellung zum "Global Feminism" nur in New York gezeigt und darf nicht in andere Teile der USA reisen. "Was sich für mich persönlich seither geändert hat, ist die Erwartung, dass man für eine Seite Partei ergreift. Ich will jedoch meine kritische Einstellung gegenüber allen Seiten erhalten. Das sehe ich als neue Herausforderung", sagt Arahmaiani, die bereits ihre eigenen Erfahrungen mit den Phobien nach dem 11. September gemacht hat.

Zunehmende Islamisierung in Indonesien

2002 wurde sie eine Nacht lang von der amerikanischen Einwanderungsbehörde verhört und anschließend – unter männlicher Bewachung – in einem Hotelzimmer festgehalten. Die paradoxe Begründung: Sie sei Muslimin. Diese Erfahrung inspirierte sie zu einer Installation, die 2003 auf der Venedig-Biennale zu sehen war: Auf einem Bett mit Herzchenbettwäsche las die Künstlerin im Koran, daneben ein Coca-Cola-Automat. "Nur wenige Künstler in Indonesien wagen, den Islam in dieser Weise zu thematisieren. Das ist schade, aber ich kann sie verstehen", so Arahmaiani.

In den vergangenen Monaten konzentrierte sich die Globetrotterin auf die Zusammenarbeit mit einer Islamschule im zentraljavanischen Yogyakarta, in der sie Kunst unterrichten will. "Die Welt der Islamschüler ist zu isoliert. Sie müssen sich öffnen, sonst bekommen sie einen Kulturschock. Die daraus folgenden Missverständnisse können fatal sein", so die Künstlerin.

"Ich finde die Islamisierung, die zurzeit in Indonesien stattfindet, beängstigend. Immer mehr Provinzen übernehmen Gesetze aus der Scharia, das finde ich vor allem als Frau bedrohlich. Und dagegen möchte ich ankämpfen."

Christina Schott

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