Ein Autor der leisen Töne

Ibrahim Farghali ist einer der sechs arabischen Stadtschreiber, die auf Einladung des Goethe-Instituts Kairo einen Monat lang aus einer deutschen Stadt berichten. Ein Portrait von Frederik Richter

Ibrahim Farghali, Foto: Goethe-Institut
Ibrahim Farghali

​​Gerade 24 Jahre alt war Ibrahim Farghali, als er als junger Journalist den ägyptischen Literatur-Nobelpreisträger Naguib Mahfouz interviewte. Das Verlangen nach Literatur war so übermächtig geworden, dass er schon ein Jahr vor Abschluss seines ungeliebten Studiums in der heimatlichen Kleinstadt Mansoura nach Kairo gegangen war.

Inzwischen ist Farghali neben seiner Arbeit als Kritiker bei der staatlichen Tageszeitung Al-Ahram selber Schriftsteller – und er braucht seine Leidenschaft zur Literatur, um sich gegen die Schwierigkeiten eines jungen Autors in einem arabischen Land behaupten zu können. Diese Leidenschaft ist bei dem heute 37-Jährigen Farghali schon früh entstanden.

Seine Kindheit verbrachte er in den Golfstaaten Oman und Dubai, wo sein Vater Arbeit gefunden hatte. Farghali war es kaum möglich, unter seinen Schulkameraden Freunde zu finden. Ihm blieb nichts anderes, als in der Welt der Literatur zu leben. Mit 14 schrieb er seine ersten Gedichte.

Fern von Klatsch und Tratsch

Noch heute hält er sich von den Kreisen der Intellektuellen und Schriftsteller fern, die sich regelmäßig in den Cafés der Kairoer Innenstadt versammeln, um die aktuellen politischen und kulturellen Geschehnisse zu diskutieren.

Es gehe dort nur um das Weitertragen von Klatsch, meint Farghali. Nicht eine gute Idee für seine Bücher habe er durch die Teilnahme an diesen Gesprächen gewonnen.

In seinen bisherigen Werken, von denen noch keines aus dem Arabischen übersetzt worden ist, hat sich Ibrahim Farghali mit verschiedenen Themen beschäftigt.

In der Kurzgeschichtensammlung "Die Geister der Gefühle" ergründet er das Verhältnis von ägyptischen Männern und Frauen, die einen völlig verschiedenen Hintergrund haben. Immer wieder erzählt er die gleiche Geschichte aus einer anderen Perspektive. Damit will Farghali deutlich machen, wie begrenzt die Erkenntnis des Menschen sei.

Stutgart mit unvoreingenommenem Blick betrachten

Von Stuttgart kennt Farghali, der noch nie in Deutschland war, nur Fotos und einige Daten der Stadtgeschichte, die er auf der Homepage der Stadt nachgelesen hat. Mehr will er auch nicht wissen, um die Stadt unvoreingenommen auf sich wirken lassen zu können.

Den täglichen Zwang, etwas schreiben zu müssen, stellt er sich dennoch sehr schwierig vor. Er will es anders machen als sein Kollege José Olivier, der als Stadtschreiber in Kairo seine Eindrücke der Stadt in flüchtigen Textfetzen verarbeitete.

So sei Kairo kaum zu erkennen gewesen, meint Farghali und will daher in Stuttgart eine Mischung aus journalistischem und literarischem Stil verwenden.

Hesse aktueller als Grass

Auf jeden Fall will Ibrahim Farghali während seines Aufenthalts in Deutschland das Haus von Hermann Hesse besuchen. Dessen Stil und Zeitlosigkeit haben ihn aus der deutschen Literatur am meisten beeindruckt.

Immer wieder liest er das "Glasperlenspiel" und hat das Gefühl, sich im heutigen Ägypten wieder zu finden. Der Stil und die historischen Themen Günter Grass' hingegen erscheinen ihm nicht mehr aktuell.

Die deutsche Literatur hat es in Ägypten schwer, wahrgenommen zu werden. Aufgrund der kolonialen Geschichte wurde lange Zeit fast nur französische und englische Literatur ins Arabische übersetzt.

Von seinem Besuch in Deutschland erhofft sich der Farghali, endlich auch etwas über die jüngste Generation deutscher Schriftsteller in Erfahrung zu bringen.

Der Schriftsteller der leisen Töne

In Ägypten gehört Ibrahim Farghali selbst zu dieser jüngsten Generation. In der von starken Hierarchien geprägten arabischen Literaturszene haben es neue Stimmen schwer, sich Gehör zu verschaffen. Besonders, wenn sie wie Farghali darauf verzichten, laut polternd moralische und religiöse Tabus der ägyptischen Gesellschaft zu brechen, um die eigene Bekanntschaft zu steigern.

Farghali dagegen setzt bewusst auf leise Töne – das aber kompromisslos. Ein staatlicher Verlag verlangte von ihm, sein Manuskript zu "Die Geister der Gefühle" von allen sexuellen Anzüglichkeiten zu säubern. So etwas kommt für Farghali auch nicht in Frage, und so hat er mit den Launen und der Unprofessionalität der wenigen unabhängigen Verleger von Literatur in Ägypten zu kämpfen.

Zwei Romane und zwei Sammlungen von Kurzgeschichten hat Ibrahim Farghali als Bücher veröffentlicht, doch bisher hat er noch kein ägyptisches Pfund mit ihnen verdient. Auch für den Vertrieb seiner Bücher muss er selber sorgen – so reicht ihre Verbreitung oftmals nicht über die wenigen Buchläden der Kairoer Innenstadt hinaus.

Frederik Richter

Qantara.de 2004

Ibrahim Farghalis Tagebücher aus Stuttgart