Keine Zivilehe im Libanon

Da es im Libanon keine Zivilehe gibt, heiraten viele gemischt-religiöse Paare auf Zypern. Christina Förch hat ein Paar begleitet und berichtet über die Hintergründe.

Ringtausch bei einer Hochzeit, Foto: Rock und Liebe
Ringtausch bei einer Hochzeit

​​Jeanette und Rafik haben relativ spät ihr Glück gefunden. Das gilt besonders für den Libanon, wo die Mädchen danach streben, mit spätestens 25 unter die Haube zu kommen.

Der 48-Jährige Rafik war schon einmal verheiratet, und Jeanette, die Anfang 40 ist, hatte schon fast geglaubt, dass ihr das Eheglück für immer verwehrt bleiben würde.

Eines Nachts bekam dann ein Arbeitskollege von Jeanette einen Anruf: "Hallo Ziad, wir sind auf dem Weg nach Zypern. Wir wollen dort heiraten. Bitte sag in ein paar Stunden meiner Familie Bescheid, damit sie sich keine Sorgen machen. Aber bitte erst nach Mitternacht. Dann bin ich mit Sicherheit schon in Zypern angekommen. "

Heirat auf Zypern der einzige Ausweg

Eine Heirat auf Zypern ist für libanesische gemischt-religiöse Paare oft der einzige Ausweg zur Eheschließung, besonders wenn keiner der beiden Partner konvertieren möchte oder kann.

Rafik gehört der drusischen Religionsgemeinschaft an, Jeanette ist katholisch. Als Druse darf Rafik keine andersgläubige Frau heiraten. Angehörigen anderer Religionen ist es aber auch nicht erlaubt, zum Drusentum überzutreten. Der Bund fürs Leben mit einer Christin wäre Rafik eigentlich unmöglich. Doch als überzeugter Sozialist war ihm die Religion unwichtig – und seiner Familie glücklicherweise auch.

Bei Jeanette sah es anders aus. "Als ich schließlich die Familie informierte, war es mit der Ruhe vorbei – alle paar Minuten riefen mich Jeanettes Familienangehörige an. Sie waren total schockiert", berichtet der Freund des Brautpaares.

Prozedere verläuft reibungslos

Die beiden hatten ihre Entscheidung schon lange im Voraus geplant. Mit den notwendigen Papieren ausgerüstet gingen sie in Beirut zur zypriotischen Botschaft, um ein Visum zu beantragen.

"Das Prozedere in der Botschaft war einfach und die Beamten sehr nett und hilfsbereit", berichtet Jeanette. Die Botschaftsangestellten sind den Hochzeitstourismus gewohnt und haben Listen mit den Adressen der zuständigen Standesämter sowie Listen mit Hotels vorbereitet.

"Dann ging alles sehr schnell", erinnert sich Rafik. Sie buchten einen Termin beim Standesamt in Nikosia und setzten sich in den Flieger. In zwanzig Minuten waren sie auf der Mittelmeerinsel. "Beim Standesamt gaben wir unsere Papiere ab, und zwei Stunden später fand die Zeremonie statt."

Obwohl es im Libanon keine Zivilehe gibt, erkennt das Land die standesamtliche Heirat außerhalb der Landesgrenzen an. In Zypern kann es passieren, dass Libanesen auf dem Standesamt mit israelischen Paaren zusammentreffen. Nicht nur im Libanon, sondern auch in Israel, ferner in Jordanien und Syrien existiert die Zivilehe nicht.

Hariri verhinderte die Zivilehe

Die Versuche, im Libanon ein Zivilrecht durchzusetzen, gehen bis in die frühen Fünfziger Jahre zurück. Den letzten Versuch startete der ehemalige libanesische Präsidente Elias Hrawi. 1997 brachte er eine entsprechende Gesetzesreform zur Sprache und ein Jahr später diskutierte er sie im Ministerrat. Mit überwältigender Mehrheit (21 Ja-Stimmen) votierten die Minister dafür. Es gab nur sechs Nein-Stimmen und eine Enthaltung.

Obwohl es gegen die libanesische Verfassung verstieß, unterschrieb der amtierende Premierminister Rafik Hariri den Gesetzesentwurf nicht und leitete ihn auch nicht an das Parlament zur Abstimmung weiter. Seine Begründung: "Der Libanon ist noch nicht reif dafür."

Viele gingen daraufhin auf die Strasse, um für die Schaffung eines Zivilrechts zu kämpfen. Selbst private Firmen veranstalteten entsprechende PR-Kampagnen: Die Werbefirma Saachi & Saachi rief einen Preis für den besten Zivilehen-Fernsehspot aus.

Die letzte Kampagne fand 2002 statt, als Menschenrechtsaktivisten und eine Allianz von Parlamentariern die Debatte nochmals anfeuerten. Doch vergeblich: Die Bemühungen der letzten sechs Jahre waren alle umsonst.

Religionsgemeinschaften verdienen an Eheschließungen

Offizielle Statistiken gibt es nicht, aber nach Angaben von "Information International" sind inzwischen 57 Prozent aller Libanesen für die Schaffung eines Zivilrechts.

Doch sowohl der Premierminister als auch die mächtigen Vertreter der Religionsgemeinschaften wehren sich gegen eine Änderung des Status Quo. Eheschließungen und Scheidungen sind eine wichtige Einnahmequelle für Scheichs und Priester.

Obwohl eine Eheschließung bei einem muslimischen Scheich nur wenige hundert Dollar kostet, kann die Heirat in der Kirche schon in die Tausende gehen. Eine Ehescheidung in der katholischen, maronitischen oder griechisch-orthodoxen Kirche kostet sogar zwischen zehn- und zwanzigtausend Dollar.

Aufrechterhaltung der religiösen Vielfalt

Doch Geld ist nicht der wichtigste Grund für den Widerstand der Religiösen. Die religiösen Autoritäten sind fester Bestandteil des Machtgefüges im Libanon. In dem Land, in welchem bis 1990 ein blutiger Bürgerkrieg tobte, ist die gerechte Verteilung der Macht wichtig für den Erhalt des Friedens.

Das glauben jedenfalls die Religionsführer, die es bisher immer verstanden haben, der Entstehung eines säkularen Staates Einhalt zu gebieten. Sie verstehen es auch, die Zivilehe weiterhin als Tabu in den Köpfen der Leute aufrechtzuerhalten.

Nach ihrer Rückkehr aus Zypern war Jeanette zwar glücklich verheiratet, aber die Schwierigkeiten mit ihrer Familie sind noch lange nicht beseitigt. Inzwischen kann sie zwar ihr Elternhaus wieder besuchen, aber wenn der Name von Jeanettes Ehemann fällt, verlässt ihre Mutter den Raum.

Es wird noch lange dauern, bis die Gesellschaft, die Politik und die verschiedenen Religionsgemeinschaften die standesamtliche Ehe als legitim anerkennen und als wünschenswerte Alternative erlauben.

Christina Förch

© Qantara.de 2004