Haschisch als Medium des Dialogs

"Haschisch", ein Dokumentarfilm über den Anbau von Haschisch in Marokko wird derzeit in deutschen Kinosälen gezeigt. Amin Farzanefar stellt den Film des jungen Kölner Regisseurs Daniel Gräbner vor.

​​In den traditionellen marokkanischen Erzählungen ist das Kiffen fast immer präsent – wenn bei Choukri, Mrabet oder Charhadi das Leben zu hart oder der Abend lang wird, setzt man sich und raucht. Auch in der europäischen Literatur - von „Alice in Wonderland“ bis „Naked Lunch“ – haben Joint und Pfeifchen ihre süßlich duftende Rauchspur hinterlassen. Derart stellt das Haschisch ein sonderbares, frühes Medium des interkulturellen Dialoges dar, das erst in den sechziger und siebziger Jahren so richtig in den Westen übergriff, als ganze Beat- und Hippy-Generationen ihren kreativen Kick wollten. Seinerzeit rüstete Marokko seinen traditionellen Kif-Anbau für den Export um. Jetzt kommen zwei Drittel des in Europa konsumierten Grases aus dem Königreich Muhammads V.

Der 27-jährige Kölner Regisseur Daniel Gräbner, ein später Nachfahre der Flower- Power-Kids, besuchte nun mit Kamal und Jaouad al-Kacemi die großen Anbaugebiete Ketemas im Rifgebirge, 120 Km von der Küste entfernt, und gewährt kostbare Einblicke in eine sonderbare Wirtschaftsform. Die karge, faszinierende Region, in der ganze Familien mit Kifernte und Haschischproduktion befasst sind, scheint von der surrealen Aura des Exportschlagers durchdrungen: selbst Kinder bezahlen den Eismann schon mal mit Haschisch. In einer von oralen Traditionen und Analphabetismus geprägten Kultur erzählen hier alle Vieles und Verschiedenes, und im Publikum werden Befürworter wie Verächter der sanften Droge ihre Gründe finden.

Haschisch als Medizin

​​Da hockt ein alter Kiffer beim „Smoke-in“, stopft sein Pfeifchen und singt ein Loblied auf das Rauchen, das „kein Problem für den Körper“ darstellt und von den Ärzten sogar „als Medizin“ eingesetzt wird. Dann beginnt er eine Anekdote über König Salomon und die Vögel, die nie zu Ende erzählt wird. Aber wir erfahren, das Haschisch „seit 824 Jahren“ geraucht wird. Aha.

Doch so sehr der Geist sich auch in der Weite innerer Räume verirren kann, so unüberwindbar erscheint manch äußere Grenze. Wo ein Rausch ist, ist auch eine Realität: „Filme mich, mein Bruder, die Rechnung kommt später, kommt vor Gericht“, scherzt einer der Pflücker, und schnell wird klar, dass wir uns hier im Raum des Illegalen bewegen (Gräbners gesamter Film entstand in Absprache mit den ansässigen Bewohnern, niemand wird vorgeführt oder denunziert). Nach einer Gesetzesreform 1992 wurden viele Kleinbauern verhaftet. Ungestraft bleibt ein weiteres Mal das „große Business“, ein Schmiergeldgeschäft, bei dem mehrere hundert Kilo mit präparierten Wagen und dann per Schiff nach Europa überführt werden.

Träume vom besseren Leben

Bis jenseits des Meeres reicht auch die Utopie vom anderen und besseren Leben: „Das Haschisch ist fertig. Bereit, das Meer nach Europa zu überqueren. Genau wie wir.“ Solche Äußerungen zeigen, dass in der unaufgeregten, traditionellen Lebenswelt des Rif längst schon das Globalisierungszeitalter seine Vorposten – Unrast und Verheißung – eingerichtet hat.

In ihrer Weisheit wissen die Pflücker und Händler Ketemas von der Vergeblichkeit ihrer Sehnsüchte und halten dennoch an ihnen fest. Einer erzählt die Geschichte seiner Wanderungen: über Libyen kam er mit Schleppern bis in die Türkei, an der griechischen Grenze wurde er abgefangen und zurückgeschickt. Jetzt träumt er wieder, mit leeren Taschen. Die Droge, ist vieles: Inspirationsquelle, Kulturgut, Exportartikel, Fluchtmittel, und nun Hauptdarsteller in diesem Film von sonderbarer Unmittelbarkeit und Intensität.

Amin Farzanefar

Website zum Film "Haschisch "