Gespaltene Meinung

"Wir haben nur die Wahl zwischen Pest und Cholera" - so beschreiben viele arabische Intellektuelle ihre Haltung zum Irak-Krieg. Der Ägypter Samir Grees beschreibt das Dilemma.

Die meisten arabischen Intellektuellen sind gegen den amerikanisch-britischen Krieg gegen den Irak, auch wenn viele von ihnen vehemente Gegner des irakischen Regimes sind. In Artikeln, Kommuniques und Erklärungen äußern sie die Meinung, dass die Amerikaner und Briten nicht die Befreiung des irakischen Volkes oder dem Irak die gepriesene Demokratie bringen wollten. Denn schließlich hätten die Alliierten Saddam Jahrzehnte lang aufgerüstet und finanziell unterstützt, als er ihr starker Mann in der Region war, selbst als er das Giftgas in den Kurdengebieten einsetzen ließ. Diese "Bombendemokratie" werde nichts als Unheil für die ganze arabische Region bringen, so der Tenor arabischer Intellektueller.

Diese Meinung wird auch von vielen Intellektuellen außerhalb der arabischen Welt geteilt. Als der Nobel-Literaturpreisträger Günter Grass am 21.03. mit dem Bürgerpreis der Stadt Halle ausgezeichnet wurde, hielt er eine Dankesrede, in der er in scharfem Ton den amerikanischen Präsidenten und seine Regierung angriff und ihnen das "Unrecht des Stärkeren" vorwarf. Diese Worte fanden ein großes Echo im arabischen Raum, wo die Grass-Rede schon am nächsten Tag im Feuilleton der in London herausgegebenen überregionalen arabischen Zeitung Al-Hayyat zu lesen war.

Doch herrscht hier, wie fast immer in der arabischen Welt, keine Einigkeit. Vor allem Stimmen aus der irakischen Opposition sowie kuwaitische Schriftsteller sind für diesen Krieg. Der kuwaitische Schriftsteller Muhammad al-Rumaihi, der lange Jahre Chefredakteur der renommierten arabischen Zeitschrift Al-Arabi war, erklärt, warum er diesen Krieg unterstützt: "Wir haben es im Irak mit einer brutalen Diktatur zu tun. Niemand kann sie von innen beseitigen, weil sie dies nicht zulässt." Al-Rumaihi meint, dass das irakische Regime den "fernen und den nächsten Gegner" liquidiere. Man bräuchte nur die Geschichte dieses Regimes während der letzten 30 Jahre zu lesen. Deshalb müsse man das irakische Volk unterstützen. "Wir brauchen Freiheit, Pluralität und moderne Verfassungen!", so der Schriftsteller.

Diese Schlussfolgerungen kann der ägyptische Romancier Mahmud al-Wardani nicht akzeptieren. Ihn interessiert im Moment nur eins: das irakische Volk, das seiner Meinung nach den "brutalsten Waffen ausgesetzt ist". Ihn interessiert derzeit weder Saddam Hussein noch das Öl." Der in Köln lebende irakische Dichter Khaled Al-Maali empfindet diese Diskussion als Schwarz-Weiß-Malerei – ein Fehler, den seiner Ansicht nach auch deutsche Medien begehen:"Wenn jemand von den deutschen Medien zu mir kommt und nach meiner Meinung fragt, dann sage ich: Saddam Hussein ist noch schlimmer als der jetzt von Bush und Blair geführte Krieg. Dann wird mir gesagt: Also bist du für den Krieg!", kritisiert Al-Maali.
Der in Amman lebende irakische Dichter Nazim Ouda formulierte dieses Dilemma so: "Saddam bedeutet Tod, Amerika auch. Mir bleibt nur, einen Olivenzweig auf mein Land zu legen und zu weinen."

Samir Grees, © 2003 Deutsche Welle