Der lange Arm der iranischen Tugendwächter

Gleich zweimal sind iranische Sportler in jüngster Zeit Wettkämpfen mit Israelis aus dem Weg gegangen: Bei den Olympischen Spielen und zuletzt auch bei einem Fußballspiel gegen das Team von Maccabi Tel Aviv. Näheres von Jamsheed Faroughi

Von Jamsheed Faroughi

 

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Persiches Fußball-Idol beim FC Bayern: Vahid Hashemian

​​Das Fußballspiel Maccabi Tel Aviv gegen FC Bayern München sorgte nicht nur für Irritationen, weil es am israelischen Neujahrsfest stattfand, wo das öffentliche Leben normalerweise stillsteht. Politische Brisanz gewann das Champions-League-Match in Tel Aviv auch dadurch, dass der iranische Bayern-Stürmer Vahid Hashemian nicht mit anreiste. Angeblich blieb Hashemian wegen einer Verletzung zu Hause.

Allerdings drängt sich der Verdacht auf, dass der iranische Profi-Kicker dem Gastgeberland Israel in Wirklichkeit aus politischen Gründen fernblieb. Schließlich betrachtet die politische Führung in Teheran das Land Israel als Feindstaat, mit dem Iraner keinerlei offizielle Kontakte pflegen dürften.

Keine Trennung von Sport und Politik

Im Iran sind alle Lebensbereiche politisch-religiös durchsetzt - Alltag und Kultur ebenso wie der Sport. Es herrscht ein politischer Totalitarismus, der alle Aspekte des gesellschaftlichen Lebens prägt. Diesem Druck können sich iranische Sportler offenbar selbst dann nicht entziehen, wenn sie - wie Hashemian - fernab der Heimat als Profispieler im Ausland unter Vertrag stehen.

Hashemian war ursprünglich durchaus bereit, mit seiner Bayern-Mannschaft nach Israel zu reisen. Doch dann hieß es ganz plötzlich, er leide unter einer Rückenverletzung, die bislang unterschätzt worden sei. Dabei liegen die eigentlichen Hintergründe auf der Hand. Die offizielle iranische Sportföderation mahnte ihn öffentlich, nicht nach Israel zu reisen. Außerdem drohten Hashemian, der sich gerade erst einen Platz in der iranischen Nationalmannschaft erkämpft hat, juristische Sanktionen und der Ausschluss aus dem Nationalteam.

Um aus dieser brisanten Situation herauszukommen, hat sich Hashemian offenbar geradezu in seine Verletzung geflüchtet - mal ganz unabhängig davon, wie schwer diese nun wirklich ist. Der Zorn der Machthaber in Teheran jedenfalls verpuffte sofort. Hashemian erhielt ein öffentliches Lob vom Iranischen Fußballbund. Und die den islamistisch-konservativen Kräften nahe stehende Tageszeitung "Keyhan" berichtet, dass Hashemian wegen seiner Haltung demnächst sogar offiziell geehrt werden soll. Auch Amirreza Khadem, der Sprecher des parlamentarischen Sportausschusses, lobte den Fußballer. Er bezeichnete Hashemians Entscheidung als wichtigen Schritt für die Bewahrung der gesellschaftlichen Werte im Iran.

Pfunde gegen den "kleinen Satan"

Hashemians urplötzliche Rückenverletzung vor einer sportlichen Begegnung mit Israel ist nicht der erste Fall dieser Art. Bei den Olympischen Spielen in Athen sorgte der iranische Judo-Weltmeister Arash Miresmaeili mit einem ähnlichen Trick dafür, dass er nicht gegen den Israeli Ahud Vaks antreten musste. Miresmaeili aß sich vor dem Wettkampf einfach ein paar Pfunde zuviel an - so dass er beim routinemäßigen Wiegen wegen Übergewicht vorab disqualifiziert wurde. Der internationale Judoverband (IJF) hat den iranischen Judokämpfer dafür nicht bestraft - vielleicht auch deshalb nicht, weil die politische Absicht seines hastig angegessenen Übergewichts nicht zweifelsfrei zu beweisen war. Offizielle iranische Stellen sehen dies aber ganz anders. Sie sprachen von einer "Heldentat".

Und nicht nur das: Miresmaeili wurde von der iranischen Sportorganisation auch finanziell belohnt - mit einer Prämie von rund 125.000 US-Dollar. Ob urplötzliche Verletzung oder wundersam auftretendes Übergewicht - das politische Motiv liegt in beiden Fällen auf der Hand: Die Teheraner Führung übt großen Druck aus und drängt selbst im Ausland tätige iranische Sportler dazu, Kontakte mit Israelis strikt zu vermeiden. Sport und Politik werden auf eine Weise vermengt, die in der internationalen Sportwelt eigentlich als völlig inakzeptabel gilt. Nur: Wenn die internationalen Sportverbände diese Praxis nicht bald deutlich unterbinden, dürfte Wiederholung vorprogrammiert sein.

Jamsheed Faroughi

© DEUTSCHE WELLE 2004