Als erster deutscher Dichter in der arabischen Welt bekannt

In diesem Jahr feiert Deutschland Friedrich Schiller anlässlich seines 200. Todestages. Abdo Abboud, Professor für vergleichende Literaturwissenschaft, über Rezeption und Übersetzung der Werke Schillers in der arabischen Welt.

In diesem Jahr feiert Deutschland den großen Dichter und Dramatiker Friedrich Schiller anlässlich seines 200. Todestages. Abdo Abboud, Professor für vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Damaskus, über Rezeption und Übersetzung der Werke Schillers in der arabischen Welt.

Friedrich Schiller; Foto: AP
Hauptsächlich die Dramen sind von Friedrich Schiller in der arabischen Welt bekannt

​​Friedrich Schiller wurde bereits früh von der arabischen Welt entdeckt. Als Nicola Fayyad und Najib Tarrad im Jahre 1900 sein Drama "Kabale und Liebe" aus dem Französischen ins Arabische für eine Aufführung im russischen Konsulat in Beirut übertrugen, war diese Übersetzung der Auftakt der Begegnung der arabischen Welt mit deutscher Literatur.

Aus historischer Perspektive also ist Schiller der erste deutsche Dichter überhaupt, der in den arabischen Ländern bekannt wurde. Die Begegnung der arabischen Welt mit Schiller zog sich durch das gesamte 20. Jahrhundert und hält - trotz bisweilen langer Unterbrechungen - bis heute an.

1907 übertrug Tanios Abdo "Kabale und Liebe" zum zweiten Mal aus dem Französischen ins Arabische und gab seiner Übersetzung den Titel "Leidenschaft und List" (gharam wa ihtial). Das Drama wurde 1936 ein drittes Mal von Hassan Sadeq und 1994 schließlich zum vierten Mal von Abdulrahman Badawi übersetzt, diesmal mit dem Titel "Verschwörung und Liebe" (al-mu´amara wa al-hubb).

Die ersten drei Versionen wurden aus dem Französischen als Mittlersprache übertragen, wohingegen die jüngste Übersetzung als erste das deutsche Original als Ausgangstext verwendete.

Übersetzungen aus Mittlersprachen

Dies macht deutlich, dass die arabische Rezeption Schillers von zwei Phänomenen bestimmt wurde: Zum einen wurde das einzelne literarische Werk mehrfach übersetzt, zum anderen wurde es aus einer Mittlersprache und nicht aus der Ausgangssprache übertragen.

"Kabale und Liebe" etwa wurde noch öfter übertragen als oben genannt. Das Drama wurde mehrere Male in Kairo und Beirut aufgeführt, und jeder Aufführung ging eine erneute Übersetzung voraus.

"Die Räuber" war das zweite Werk Schillers, mit dem sich die arabische Welt auseinander setzte. 1916 wurde das Drama unter dem Titel "Die Räuber des Waldes" (lusuus al-ghaba) zum ersten Mal in einem arabischen Land – in Kairo - aufgeführt.

Allerdings wurde das Stück damals fälschlicherweise dem Philosophen Friedrich Nietzsche zugeschrieben. 1928 erschien in Kairo eine arabische Übersetzung des Dramas aus dem Englischen, eine weitere Übersetzung aus dem Englischen erschien 1962 in Beirut.

Der Schiller-Übersetzer

Abdulrahman Badawi übertrug "Die Räuber" 1981 erstmals aus dem Deutschen. Ob dies die mittlerweile dritte oder vierte arabische Übersetzung des Werkes war, ist jedoch nicht nachvollziehbar. Badawis Übersetzung erschien in Kuwait in der Buchreihe "Theater der Welt" (min al-masrah al-alami), die vom kuwaitischen Informationsministerium herausgegeben wurde.

Diese Übersetzung war die erste Schiller-Übersetzung Badawis, der damit innerhalb der arabischen Welt seinen Ruf als Schiller-Übersetzer begründete.

Das Drama "Wilhelm Tell" trug zur weiteren Verbreitung der Werke Schillers in den arabischen Ländern bei. Es wurde ebenfalls mehrfach übertragen, und man nimmt an, dass es Fouad Dschabara war, der "Wilhelm Tell" als erster ins Arabische übersetzte. "Die Jungfrau von Orléans" erfuhr ebenso viel Beachtung: 1928 erschien eine Teilübersetzung des Werkes in der Zeitschrift "Al-Mawrid As-Safi".

Die jüngste arabische Übersetzung von "Die Jungfrau von Orléans" erschien 2004 in Kuwait innerhalb der Reihe "Literarische Meisterwerke der Welt" (al-ibda´at al-alamia), die vom "Nationalrat für Kultur, Kunst und Literatur" herausgegeben wurde. Da diese Buchreihe in den arabischen Ländern weite Verbreitung fand, wurde nun auch Schiller überall in der arabischen Welt bekannt.

Auch dem Drama "Maria Stuart" wurde große Aufmerksamkeit zuteil: 1964 erschien in Kairo die Übersetzung aus einer Mittlersprache ins Arabische. Der Verlag Dar al-Baschir, ansässig in Beirut und Damaskus, erlangte 1998 die Rechte an Übersetzung und Vertrieb des von Hilmi Murad erneut aus einer Mittlersprache ins Arabische uebertragenen "Maria Stuart". Die Uebersetzung erschien schließlich in der Reihe "Meisterwerke der Weltliteratur" (rawaï´al-adab al-alami).

"Maria Stuart" ist das einzige Werk Friedrich Schillers, das heutzutage in den Buchhandlungen Syriens und Libanons und wahrscheinlich auch in anderen arabischen Ländern auf Arabisch erhältlich ist.

Diese Übersetzung steht jedoch für die Problematik der Rezeption Schillers in der arabischen Welt, wurde sie doch über das gesamte 20.Jahrhundert hinweg durch die Übersetzungen aus Mittlersprachen wie Französisch, Englisch und sogar Bulgarisch dominiert. Erst mit Abdulrahman Badawi und Nabila Ibrahim traten Übersetzer in Erscheinung, die die Werke Friedrich Schillers direkt aus dem Deutschen übertragen konnten.

Zu wenig Übersetzer aus dem Deutschen

Dennoch wurden "Wilhelm Tell", "Maria Stuart" oder "Die Räuber" weiterhin aus Mittlersprachen ins Arabische übertragen, denn es gab zu wenig Übersetzer aus dem Deutschen, die der Nachfrage arabischer Leser nach deutscher Literatur hätten nachkommen können.

Der Notstand an Übersetzern für das Sprachenpaar "Deutsch-Arabisch" führte also dazu, dass deutsche Literatur, z.B. die Werke Friedrich Schillers, hauptsächlich aus Mittlersprachen übertragen wurden.

Solche Übersetzungen sind natürlich nur Notlösungen, auf die diejenigen Gesellschaften zurückgreifen müssen, denen keine Übersetzungen aus den Originalsprachen zur Verfügung stehen. Da Friedrich Schiller als Literat von Weltrang überall bekannt ist und somit seine Werke auf Englisch oder Französisch vorliegen, lag und liegt für arabische Übersetzer schließlich die Übertragung seiner Werke aus diesen Sprachen nahe.

Interesse für das Theater

Auffällig ist, dass sich die Übersetzungen Schillers fast ausschließlich auf seine Dramen beschränken. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass sich das Theater in der arabischen Welt erst spät etabliert hat. Anspruchsvolle Theaterstücke waren jedoch rar, so dass die große Nachfrage nach Theaterstücken Übersetzungen anderssprachiger Dramatiker förderte.

Bis heute stellen Übersetzungen oder Adaptierungen den größten Teil der Aufführungen auf den Brettern der arabischen Welt dar. Vor diesem Hintergrund ist nachvollziehbar, warum in den arabischen Ländern ganze Buchreihen mit Titeln wie "Theater der Welt" oder "Literarische Meisterwerke der Welt" erschienen sind, in denen anderssprachige Theaterstücke in arabischer Übersetzung zusammengestellt wurden.

Es erklärt aber auch, warum in der arabischen Welt bis heute fast ausschließlich Schillers Dramen bekannt geworden sind.

Abdo Abboud

Aus dem Arabischen von Helene Adjouri

© Qantara.de 2005

Abdo Abboud ist Professor für vergleichende Literaturwissenschaft und Weltliteratur an der Universität Damaskus. Er ist Mitglied und ehemaliger Leiter der Gesellschaften für Literaturkritik und Übersetzung im Arabischen Schriftstellerverband in Syrien.

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