Eine Chance für den Frieden?

Seit Anfang des Jahres bemüht sich Frankreichs Regierung um Unterstützung für eine internationale Konferenz zur Wiederbelebung des israelisch-palästinensischen Friedensprozesses. Aber um erfolgreich zu sein, wird mehr als Mut benötigt. Von Daoud Kuttab

Von Daoud Kuttab

Jeder internationale Ansatz zur Lösung des Palästina-Problems hängt von sechs Faktoren ab: Der erste ist Ernsthaftigkeit. Als Frankreich im Januar seine Pläne bekannt gab, hielten viele die Idee für kaum mehr als einen diplomatischen Trick. Von offizieller palästinensischer Seite wurde die Initiative zunächst mit Misstrauen betrachtet. Es gab Befürchtungen, sie werde lediglich Israel ein paar gute Fototermine verschaffen: Nach dem Händeschütteln würden die einfachen Palästinenser weiter unter der Besatzung leiden.

Als klar wurde, dass der französische Anlauf ernst gemeint war und ein Termin für vorbereitende Gespräche am 30. Mai angekündigt wurde, sahen sich die palästinensischen Politiker durch die klare Zeitplanung ermutigt, sich für eine Teilnahme am Prozess zu entscheiden. Unabhängig von möglichen Hindernissen muss diese Vertrauenswürdigkeit aufrecht erhalten werden.

Die zweite Schlüsselkomponente besteht im Multilateralismus. Israel, die stärkere der beiden Konfliktparteien, bevorzugt bilaterale Gespräche, da das Land so besser seine Bedingungen durchsetzen kann. Natürlich hat bei solchen Gesprächen auch die schwächere Seite eine Art von Macht: die Macht, nein zu sagen. Aber der Einsatz dieser Möglichkeit hat normalerweise einen hohen Preis.

Die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen konnten gemeinsam mit Deutschland das Nuklearabkommen mit dem Iran gestalten. Im Nahen Osten kann ein ähnlicher Erfolg nur erzielt werden, wenn sich alle Parteien darauf konzentrieren, eine Lösung zu finden, und nicht zulassen, dass die starken Israelis den schwachen Palästinensern Vorschriften machen.

Klarer Zeitrahmen erforderlich

Nahostfriedenskonferenz in Paris am 3. Juni 2016; Foto:
Neuer Hoffnungsschimmer für den festgefahrenen Friedensprozess: Mit einer internationalen Konferenz in Paris hat die französische Regierung am Freitag eine neue Friedensinitiative für den Nahen Osten gestartet. Israel und die Palästinenser müssten letztlich selbst "die mutige Wahl des Friedens" treffen, sagte der französische Präsident François Hollande zum Auftakt des Treffens am 3. Juni 2016 in Paris. Die französische Diplomatie hofft auf ein Nachfolgetreffen unter Beteiligung von Israelis und Palästinenser.

Der dritte entscheidende Faktor ist ein klarer Zeitplan. Jahrzehnte unbefristeter Verhandlungen zwischen Israel und Palästina haben kaum zu Ergebnissen geführt. Wollen die Franzosen mit diesem Prozess Erfolg haben, müssen sie klare Fristen setzen, darunter auch ein Datum, bis wann die Gespräche zu Ergebnissen führen sollen. Immerhin sind die Grundzüge dessen, was für eine Einigung erforderlich ist, gut bekannt. Was fehlt, ist der Wille zum Frieden. Sobald es eine Frist gibt, darf die Verhandlungstaktik keine Verzögerungen mehr beinhalten.

Und sobald eine Frist gesetzt ist, müssen die Folgen eines Scheiterns klar werden. Dies ist ein entscheidender vierter Faktor. Jeder Verhandlungsführer weiß, dass sich Konfliktparteien, wenn sie bei einem Scheitern der Gespräche keine Nachteile zu befürchten haben, nur widerwillig auf einen Kompromiss einigen.

Als Laurent Fabius, der ehemalige französische Außenminister, die Initiative seines Landes erstmals ankündigte, sagte er, im Fall des Scheiterns der Gespräche werde Frankreich Palästina als Staat anerkennen (obwohl sein Nachfolger, Jean-Marc Ayrault, von dieser Position abgerückt ist, als er sagte, eine Anerkennung werde nicht automatisch erfolgen).

Eine Anerkennung Palästinas durch Frankreich, immerhin ein ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats, wäre von entscheidender Bedeutung. Sollte im November oder Dezember klar werden, dass Israel nicht ernsthaft und glaubwürdig verhandelt, könnte der Druck auf das Land noch größer werden. Dann könnte die Regierung von US-Präsident Barack Obama in den letzten Wochen ihrer Amtszeit eine wichtige Rolle spielen, indem sie Israel den Preis für seine Unnachgiebigkeit klar macht.

Fairer Kompromiss nötig

Screenshot of Emmanuel Nahshon, Israel's foreign ministry spokesman (source: YouTube)
Israel said the French effort would only cause the Palestinians to harden their positions. "The Paris meeting will go down in history as having only hardened Palestinian positions and pushed peace further away," foreign ministry spokesman Emmanuel Nahshon said in a statement after the meeting

Die fünfte Bedingung für einen Erfolg ist, dass ein Ergebnis offensichtlich gerecht sein muss. Ein mögliches Abkommen zwischen Israel und Palästina wird den Test der Zeit nur bestehen, wenn es allgemein als fair beurteilt wird. Vereinbarungen erfordern Kompromisse, aber wenn die Kompromisse einer Seite so überwältigend zu sein scheinen, dass die daraus resultierende Vereinbarung als ungerecht wahrgenommen wird, wird sie keine Zukunft haben.

Darüber, was eine gerechte Lösung sein könnte, gibt es eine erhebliche regionale und internationale Übereinstimmung: ein unabhängiger Staat Palästina, etwa innerhalb der Grenzen von 1967; eine Lösung des Flüchtlingsproblems; und eine Regelung, Jerusalem miteinander zu teilen. Darüber hinaus ist es unmöglich, die Verhandlungen als fair zu betrachten, wenn Israel seine brutale Besatzung aufrecht erhält und weiterhin Siedlungen auf palästinensischem Land baut.

Und schließlich ist für einen Erfolg der Gespräche die Unterstützung der Öffentlichkeit erforderlich, die nur dann erlangt werden kann, wenn die Politiker dem Frieden wirklich eine Chance geben. Die einfachen Palästinenser – und Israelis – müssen glauben, dass Frieden möglich ist. Voraussetzung dafür ist eine Änderung der Militärpolitik, die Erleichterung der Reiseeinschränkungen, ein verändertes politisches Auftreten Israels und das Ende des ständigen Wettstreits zwischen beiden Seiten.

Pierre Vimont, der französische Sonderbotschafter, hat von seiner Regierung eine enorme Aufgabe übernommen, die er auf keinen Fall allein lösen kann. Was er braucht, sind ernsthafte multilaterale Bemühungen, klare Zeitpläne, eine Verpflichtung auf Gerechtigkeit von allen Seiten – und vielleicht ein Wunder.

Daoud Kuttab

© Project Syndicate 2016

Aus dem Englischen von Harald Eckhoff

Daoud Kuttab ist ehemaliger Professor an der Princeton University und Gründer des "Institute of Modern Media" der Al-Quds University in Ramallah.