Der Ehrengast und seine Folgen

Hat die Frankfurter Buchmesse die Rezeption von Literatur aus der arabischen Welt in Deutschland verändert und das Interesse der Leser nachhaltig beeinflusst? Sandra Schmies fragte Verleger und Buchhändler.

Nagib Machfus ist auch nach der Buchmesse einer der beliebtesten arabischen Autoren , Foto: Larissa Bender
Nagib Machfus ist auch nach der Buchmesse einer der beliebtesten arabischen Autoren

​​Die Medienberichterstattung zum Schwerpunktthema der diesjährigen Frankfurter Buchmesse war beachtlich. Allerorts wurden Schriftsteller der arabischen Welt vorgestellt und neue Bücher um das Thema arabische Literatur und Kultur besprochen.

Besonders die Rezensionen in der Presse haben sich auf das Leserverhalten ausgewirkt. Titel, wie zum Beispiel die Neuübersetzung von 1001 Nacht von Claudia Ott, wurden aufgrund des großen Medieninteresses von den Lesern besonders nachgefragt.

Doch nicht nur die Rezensionen, auch die persönliche Präsenz der Autoren spielte eine große Rolle. Die Verlegerin Donata Kinzelbach, die sich auf Literatur aus dem Maghreb spezialisiert hat, berichtet: „Da Rachid Boudjedra, einer der berühmtesten algerischen Autoren, während der Messe täglich an meinem Stand war, wuchs hier natürlich auch das Leser-Interesse.“

Diskussionen angestoßen

Die Mehrzahl der befragten Buchhändler hatte anlässlich der Frankfurter Buchmesse Werke aus der arabischen Welt in ihren Schaufenstern ausgestellt oder auf Sondertischen zusammengestellt. Die Kunden dankten dies mit hohen Verkaufszahlen.

Auch die von Suleman Taufiq herausgegebenen Anthologien, die bei dtv erschienen sind, erfreuten sich großer Beliebtheit. Roland Barth von „Der andere Buchladen“ hat dafür eine Erklärung: „Der Begriff ‚Literatur aus der arabischen Welt’ ist so diffus, dass viele Leser zunächst ein Bedürfnis nach Orientierung haben.“

In seinem Buchladen fanden einige Diskussionen darüber statt, wie man ‚Literatur aus der arabischen Welt’ definieren könne. Durch die Hintergrundberichte in den Medien konnten verschiedene Missverständnisse ausgeräumt werden:

So ist arabische Literatur nicht automatisch mit islamischer Literatur gleichzusetzen und vor allem umfasst sie mehr als arabischsprachige Literatur, denn viele Schriftsteller aus dem Maghreb schreiben französisch, viele Exilautoren in der Sprache ihrer neuen Heimat.

Schami bleibt Verkaufsschlager

Die beliebtesten Autoren sind - zumindest was hochpreisige Hardcover-Bücher betrifft - laut Buchhändlern immer noch Rafik Schami und Nagib Machfus. Hier hat sich also nicht viel geändert. Aber auch Titel von Jusuf Naoum, Nawal El Saadawi, Sahar Khalifa oder Elias Khoury verkauften sich vor und nach der Messe gut.

Die Frankfurter Buchmesse hat also ein wenig bewegt. Im Verlag Hans Schiler stellte man etwa fest, dass sich der Leserkreis einiger Autoren erweitert hat. Die dort vertretenen Autoren Abdallah Ghanem, Fuad Kanaan oder Nadia Tuéni seien vorher nur einem Fachpublikum bekannt gewesen.

Daneben konnten sich Bücher über arabische Witze oder arabische Sprichwörter auf dem Markt behaupten. Doch für fast alle erwähnten Werke gilt, was Hans-Werner Serwe vom Klett-Cotta Verlag in Bezug auf Khourys „Das Tor zur Sonne“ feststellte: „Leider ist die Nachfrage nach der Messe auch wieder schnell zurückgegangen“.

Bei den Sachbüchern ist das Interesse hingegen relativ konstant geblieben. Bücher über den Islam und über die Situation in muslimischen Ländern haben insbesondere seit den Anschlägen vom 11. September 2001 und dem Beginn des Irakkriegs mehr Aufmerksamkeit auf sich gezogen.

Interesse ist schnell verpufft

Die gesteigerte Nachfrage nach Literatur aus der arabischen Welt, die leider nicht alle befragten Buchhändler und Verleger spürten, ist insgesamt schnell wieder verpufft. Ein Grund dafür könnte laut Roland Barth darin liegen, dass die Autoren auf sehr viele Verlage verstreut und daher Werbemaßnahmen schlecht koordiniert und damit wenig effektiv sind.

Auch in Konflikten zwischen den Autoren selbst sieht Barth ein Hemmnis. So lassen sich Leser abschrecken, wenn beispielsweise Exilschriftsteller behaupten, dass die in ihren Heimatländern verweilenden Autoren durch den Druck totalitärer Regime mit der 'Schere im Kopf' schreiben würden, um einer offiziellen Zensur zuvorzukommen.

Leider haben viele kleinere Verlage, wie zum Beispiel der auf arabische Literatur spezialisierte Lenos Verlag, kaum von der Frankfurter Buchmesse profitiert. Am Schluss bleibt also nur festzustellen, dass die wirkliche arabische Literatur den Lesern hierzulande immer noch verschlossen geblieben ist.

Sandra Schmies

© Qantara.de 2004