Auseinandersetzung mit Gewalt und Terrorismus

Beim 28. Internationalen Filmfestival in Kairo war auch ein deutscher Film im Wettbewerb dabei. Frederik Richter hat die Premiere von "Blackout Journey" besucht.

​​Der deutsche Beitrag "Blackout Journey" hat beim Internationalen Filmfestival Kairo eine gelungene Weltpremiere gefeiert und beweist durch seine Auseinandersetzung mit den persönlichen Folgen von politischer Gewalt Aktualität. Zwei Brüder verlieren ihre Eltern bei einem Terroranschlag auf dem Wiener Flughafen und werden getrennt voneinander aufgezogen.

Zwanzig Jahre später treffen sie wieder aufeinander und auf die unterschiedliche Art, wie der andere mit dem Tod ihrer Eltern umgegangen ist: Mio (Marek Harloff) ist chaotischer Rockmusiker in Berlin mit Traum vom eigenen Tonstudio, sein Bruder Valentin (Arno Frisch) ist auf einem Bauernhof in den österreichischen Alpen aufgewachsen.

Mio nimmt wenig Rücksicht auf seine Zeitgenossen um sich herum, Valentin kommt mit seinen Tieren besser zu Recht als mit Menschen. Die psychologischen Folgen des Anschlags haben bei ihm zu einer Persönlichkeitsspaltung geführt.

Ein aktuelles Thema im gesamten Nahen Osten

"Blackout Journey" ist ein rasantes Roadmovie durch die österreichischen Alpen, das sich jedoch nicht die Zeit nimmt, die schwierige Begegnung zwischen den Brüdern in Ruhe zu erzählen. Zu dominant ist die Rolle von Stella, Mios Freundin, die die beiden Brüder auf ihrer Reise begleitet und zwischen ihnen steht.

Gegenüber diesen Schwächen des Skripts überzeugen jedoch die Regie von Siggi Kamml und die einfallsreiche Kameraführung. Raimund Maessen, Autor von "Blackout Journey", sagte nach der Premiere des Films in Kairo, dass man vier Jahre lang mit Hilfe von Experten daran gearbeitet habe, die psychologischen Folgen eines Terroranschlags im Film darzustellen.

Damit widmet sich "Blackout Journey" einem Thema, das in Ägypten aktuell ist, aber doch kaum angesprochen wird. "Der Film beschäftigt sich mit den Folgen eines Terrorangriffs, das ist das erste Mal, dass ich hier in Ägypten so etwas sehe", sagte Ayman El-Nouby, Angestellter eines Kulturzentrums in Kairo, nach der Vorführung. "Hier kümmert man sich nur um die Täter."

Erst vor wenigen Wochen hat sich in Ägypten der erste Terroranschlag seit sieben Jahren ereignet. Bei Bomben-Anschlägen auf touristische Ziele auf dem Sinai starben 34 Menschen.

Nachdem die deutsche Filmfördergesellschaft sich mehrmals gegen eine Unterstützung von Blackout Journey entschieden hatte, wollte Produzent Alexander Voigt den Film unbedingt im Ausland vorstellen. "In den arabischen Ländern und im gesamten Nahen Osten ist das ja auch ein wichtiges Thema."

Trotz der schweren Thematik musste Ayman El-Nouby über "Blackout Journey" auch schmunzeln. Eine Szene, in der die Brüder auf dem Weg nach Wien in den Alpen in einer Gaststätte nach der richtigen Richtung fragen, und dabei von vier älteren Herren vier Routen vorgeschlagen bekommen, erinnerte ihn sofort an das Kairoer Chaos. "Das passiert einem hier auch ständig, wenn man nach dem Weg fragt."

Keine amerikanischen oder britischen Filme

Das 28. Internationale Filmfestival Kairo hatte in diesem Jahr Italien als Gastland. Im Wettbewerb um die Goldene Pyramide traten im Zeitraum vom 30. November bis zum 10. Dezember 18 Filme an. Das Festival gehört zu den bedeutenderen Filmfestspielen, präsentierte sich aber in diesem Jahr schlecht organisiert und stieß auf geringe Resonanz.

Das Programm war erst erhältlich, als die ersten Filme schon gelaufen waren. Wichtige ägyptische Filmemacher wie Youssef Chahine zeigen ihre neuesten Filme lieber bei zeitgleich stattfindenden Festivals in Dubai und Marokko.

"Es mangelt dieses Jahr an Organisation", gibt sich Mary Ghadban, die seit 1976 dem Organisations-Komitee angehört, selbstkritisch. "Und die Spielorte sind viel zu weit voneinander entfernt, man kann kaum Filme sehen."

Nach einigen Presseberichten waren britische und amerikanische Filme vom Wettbewerb ausgeschlossen worden - schnell wurde der Irak-Krieg als Grund vermutet. "Wir haben sie einfach nicht bekommen", meint Frau Ghadban und verweist auf Festivals wie Cannes und Berlin, mit denen Kairo eben nicht mithalten könne.

Auch Sherif El-Shoubashi, der Präsident des Festivals, weist solche Berichte zurück. "Es gibt einfach zu wenig unkommerzielle amerikanische und britische Filme." Er gesteht ein, dass das Programm zu spät erschienen ist.

"Einige Filme sind sehr spät in Ägypten eingetroffen, und wir wollten das Programm nicht drucken, bevor wir sie nicht in unseren Händen halten." Doch ansonsten ist er mit dem diesjährigen Festival zufrieden. "Die Eröffnung ist uns sehr gut gelungen und dieses Jahr haben wir es verhindert, dass Filmemacher ihre Beiträge im letzten Moment zurückziehen."

Ort der Freiheit

Mit im Rennen ist eine ägyptische Produktion, die sich am Rande mit dem gleichen Thema beschäftigt wie "Blackout Journey". In "Girls looking for freedom" von Regisseurin Inaas El Deghedy fliehen drei junge Frauen aus Ägypten, Marokko und dem Libanon nach Frankreich, um dort die Freiheit zu suchen, die sie in ihren eigenen Gesellschaften nicht gefunden haben.

Nicole Bardawil spielt die junge Libanesin Amal, die wie die beiden Brüder in Blackout Journey mit den psychologischen Folgen von persönlich erlebter Gewalt kämpfen muss. Auch in Paris leidet sie unter Schuldgefühlen und gerät in der Fremde aufs Neue in Abhängigkeiten.

Wie Mio auf seiner Reise von Berlin nach Wien muss sie an ihrem Ziel Paris feststellen, dass es nicht der Ort ist, der dem Ich Freiheit von sich selbst und der Vergangenheit verschaffen kann. "Es ist egal, wo man ist. In sich selbst muss man frei sein."

Frederik Richter

© Qantara.de 2004