Fernsehen für alle!

Vier bis fünf Millionen Muslime leben in Frankreich, aber erst seit kurzem haben sie ihren eigenen Fernsehsender. Beur TV sendet in Frankreich und Nordafrika - und besteht darauf, kein Abklatsch von El Dschasira zu sein.

​​Das Wort "Beur" bedeutet im französischen Slang "Araber". Die Sendungen von Beur TV, der im März 2003 an den Start ging, kann man auf Arabisch oder in Berbersprache empfangen, die meisten sind jedoch auf Französisch. Thematisch deckt der Sender ein breites Spektrum ab - von Schönheits- über Sportthemen bis zu Kinofilmen.

Beur TV ist das "Baby" von Produzent Nacer Kettane, der in den 1980er-Jahren bereits einen erfolgreichen Radiosender namens Beur FM ins Leben rief. Dieser erreicht nicht nur Muslime in Frankreich, sondern auch in Algerien, Tunesien und Marokko – den ehemaligen französischen Kolonien in der Maghreb-Region Nordafrikas.

"Wir sind Franzosen"

Die Macher von Beur TV bestehen darauf, dass ihr Fernsehformat keinesfalls ein Abklatsch des arabischsprachigen El Dschasira aus Katar ist. Beide Sender seien an sehr unterschiedliche Zielgruppen gerichtet, so Kettane. "Wir sind anders als El Dschasira", erklärt er gegenüber der Deutschen Welle. "Wir sind Muslime in Europa. Wir stammen aus Nordafrika, aber wir leben in Frankreich. Wir sind Franzosen."

In der Vergangenheit versorgten andere Fernsehkanäle die Moslems in Frankreich mit Informationen. Einer wurde von Saudi-Arabien finanziert, ein anderer von Algerien. Kettane hofft, dass Beur TV politisch vollkommen unabhängig bleiben und sein Budget von fünf Millionen Euro ausschließlich mit Werbeeinnahmen abdecken kann. Der Modellfall von Beur FM ist ein ermutigendes Beispiel. Die Radiostation startete als halb-professioneller Sender der maghrebinischen Minderheit Frankreichs. Mittlerweile ist er zu einem erfolgreichen Medium mit Hörern auf beiden Seiten des Mittelmeers avanciert.

Die stellvertretende Geschäftsführerin des Radios, Arlette Casas, zeigt sich zuversichtlich, dass das Unternehmen für die Werbebranche attraktiv ist. "Der Werbemarkt im Maghreb ist sehr groß und befindet sich in der Expansionsphase", sagt sie. "Aufgrund der bisherigen Wirtschaftssysteme der Region haben die Menschen nicht viel konsumieren können. Jetzt öffnen sich diese Länder im Zuge der Globalisierung. Ihr Potenzial ist gewaltig."

Eine Frage der Identität

Für die Beteiligten ist Beur TV aber mehr als ein Geschäft. Vielmehr geht es ihnen um den Ausdruck ihrer Kultur und Identität – ein Unterfangen, das ins Innerste der hitzigen Debatte über Immigration und Identität in Frankreich trifft. Frankreich ist mit der Zeit eine multikulturelle Nation geworden – im Fernsehen kommt diese Realität jedoch kaum vor. Obwohl die Muslime etwa acht Prozent der französischen Bevölkerung ausmachen, sind nur wenige der Einwanderer vor der Kamera zu sehen. Sport- und Comedysendungen stellen hier eine Ausnahme dar: Der Fußballer Zinedine Zidane, dessen Eltern aus Algerien kamen, oder der erfolgreiche Komödiant marokkanischer Herkunft Jamel Debbouze werden als Helden gefeiert.

Die renommierte französische Migrationsforscherin Catherine de Wenden meint, französische Muslime wollten endlich in der Gesellschaft wahrgenommen werden. "Sie haben das Gefühl, dass sie in den französischen Medien nicht repräsentiert werden. Sie wollen zeigen, dass sie als eine gesellschaftliche Gruppe existieren. Auch, um ihrem eigenen Ziel größere Legitimität zu verschaffen: Nämlich Moslems zu sein - und gleichzeitig Franzosen."

Le Mix

Viele der französischen Moslems sehen marokkanisches oder algerisches Fernsehen über Kabel oder Satellit. Aber diese Sender reflektieren nicht wirklich den einzigartigen Mix aus französischen und nordafrikanischen Einflüssen, meint de Wenden. "Die meisten von ihnen wollen ihre Kultur leben - und das ist eine Mischung aus französisch und maghrebinisch. Das hat nichts mit Saudi-Arabien zu tun und nichts mit anderen Gebieten."

Im Beur TV findet diese Mix-Kultur in vielerlei Form Ausdruck. Beispielsweise in der Mode- und Schönheitssendung "Beau, Belle, Beur". Moderiert und produziert wird sie von Leila Talla, einer Journalistin algerischer Herkunft. Sie hat jahrelang bei einer Frauenzeitschrift gearbeitet. Ihre Show nimmt Mode und Schönheit aus französisch-moslemischer Sicht unter die Lupe. In den bisher ausgestrahlten Sendungen standen Wäsche, Hamams (traditionelle Dampfbäder) und Hochzeiten im Mittelpunkt.

Kleider der arabischen Braut

"Ich habe die arabische Hochzeitskleidung mit westlicher Bekleidung gemischt – die sieben Outfits, die eine arabische Braut tragen muss, bevor sie ihr weißes Kleid anzieht", sagt Talla. "Und ich habe eine Reportage über westliche Hochzeitskleider gemacht, indem ich hier in Paris sowohl bekannte Designer besucht habe als auch ein riesiges Kaufhaus für Brautmode." Ein passendes Thema für eine Sendung, bei der es wirklich ganz und gar um Hochzeit geht – die Hochzeit der französischen und arabischen Kultur.

Genevieve Oger

© 2003, DW-online