Eigenes Internetcafé im Flüchtlingsheim

Für Flüchtlinge in Deutschland ist der Kontakt in die Heimat wichtig, aber Telefon und Internet sind teuer. In einem Heim in Brandenburg haben sich die Bewohner Computer, Schulungen und Webanschlüsse selbst organisiert.

Verwischte Tastatur

​​Auslandsgespräche kosten viel Geld. Besonders wenn man von Deutschland aus in Länder wie Kamerun, Angola, Vietnam oder Afghanistan telefonieren möchte. Das Taschengeld, das ein Flüchtling in Deutschland bekommt, ist dagegen sehr gering - und reicht nicht, um den Kontakt zur Familie oder zu Freunden in der Heimat zu halten. In Brandenburg haben Asylbewerber in einem Flüchtlingsheim eine Initiative gestartet, um Computer, Internetanschlüsse und Schulungen zu bekommen - mit Erfolg.

Ein Telefon im Heim

Eben Chu ist Hauptorganisator der Initiative und davon überzeugt, dass jeder Mensch Zugang zum Internet haben sollte - und das obwohl er selbst bis vor kurzem nicht einmal wusste, wie man einen Computer in Gang bringt. In seinem Heimatland Kamerun wurde Chu politisch verfolgt und ist geflohen. Seit fünf Jahren lebt er in einem Flüchtlingsheim in Brandenburg.

"Meine Familie hat sich beklagt: "Eben, telefonieren ist so teuer, kannst du uns nicht deine E-Mail-Adresse geben?", sagt er. "Aber ich hatte keine E-Mail-Adresse. Das konnten sie nicht glauben." Dass es in Deutschland einen Ort wie Chus Flüchtlingsheim gibt, konnte sich seine Familie gar nicht vorstellen. Für über 300 Flüchtlinge steht dort nur ein einziges teures Münztelefon zur Verfügung, das oft nicht funktioniert. So konnte es nicht bleiben, meinte Chu, und das fanden auch einige Mitbewohner seines Flüchtlingsheims:

"Wir wissen, wie man Kontakte knüpft"

"Wir fragten uns, was wir tun können? Als Flüchtlinge sind die Möglichkeiten begrenzt. Aber wir waren in unseren Heimatländern politisch aktiv und wissen daher, wie man Kontakte knüpft", sagt Chu über die Anfänge der Initiative. Die Flüchtlinge, die sich nun "Refugees Emancipation" - zu deutsch: Flüchtlingsemanzipation - nannten, schalteten Spendenaufrufe in der Lokalzeitung, verteilten Flugblätter, sprachen mit Hilfsorganisationen und Studentenvertretern.

Die Hilfsbereitschaft war groß. Bald hatten sie mehr Computer geschenkt bekommen, als sie unterbringen konnten. Das Flüchtlingsheim in Potsdam stellt einen Raum zur Verfügung, eine Berliner Hilfsorganisation wird für das erste halbe Jahr die Telefonkosten übernehmen.

Chatten in der Muttersprache

Menschen unterschiedlichster Nationalitäten drängen sich nun in dem kleinen Raum des Flüchtlingsheims. Chu beschreibt, was es zu sehen gibt: "Vietnamesen, Afghanen, Afrikaner, Südamerikaner - alle sind sie da. Sie können sich in ihrer Muttersprache informieren, E-Mails schreiben, chatten. Für die meisten Flüchtlinge ist das sehr aufregend." Auch ein älterer Afrikaner blickt konzentriert auf den Bildschirm. Das Internet hat viel für ihn verändert: "Wir freuen uns sehr über alles, was hier eingerichtet worden ist. Vorher sind wir zum Internetcafé am Bahnhof gegangen. Das kostet dort einen Euro und oft hatten wir nicht einmal den."

Doch das Web ist wichtig. "Mit dem Internet kann ich Kontakt zu meiner Familie in Kamerun halten und zu meinen Freunden in der ganzen Welt. Wenn man vor dem Computer sitzt und sich mit der Familie unterhält, verscheucht das ein bisschen die Anspannung, unter der wir hier alle stehen", sagt der ältere Mann aus Kamerun.

Unentgeltliche Computerkurse von Studenten

Nicht jedem Heimbewohner fällt es leicht, das neue Medium zu nutzen. In Zukunft sollen deshalb auch Computerkurse angeboten werden. Da die Flüchtlinge so gut wie kein Geld haben, müssen sie auch das selbst in die Hand nehmen. Einige Flüchtling haben an einer dreimonatigen Computerschulung teilgenommen, die Studenten der Technischen Universität Berlin unentgeltlich organisierten.

Mit diesen neu gewonnenen Kenntnissen kehrten die Frauen und Männer ins Heim zurück und zeigten ihren Mitbewohnern, wie man einen Computer in Betrieb nimmt, wo man im Internet nach Informationen sucht, wie man eine E-Mail-Adresse einrichtet.

Die meisten Flüchtlinge in Deutschland haben allerdings nach wie vor kaum die Möglichkeit, das Internet kostengünstig oder gratis zu nutzen. Chu wünscht sich deshalb, dass bald alle Flüchtlingsheime der Region online sein können. Chu und seine Kollegen arbeiten bereits fieberhaft an einer Internetseite von Flüchtlingen für Flüchtlinge. Ab Dezember 2003 soll die Seite unter www.refugeesemancipation.net im Netz zu finden sein.

Katarina Kovarik

© DW-WORLD 2003