Bildung für Kinder als Brücke der Verständigung

Es sind Kinder, die den Erwachsenen vormachen, wie einfach Verständigung sein kann: Der Dokumentarfilm "Bridge over the Wadi" zeigt Höhen und Tiefen eines arabisch-israelischen Schulprojektes auf. Von Petra Tabeling

Es sind die Kinder, die den Erwachsenen vormachen, wie einfach die Verständigung zwischen Israelis und Arabern sein kann: Der Dokumentarfilm "Bridge over the Wadi" zeigt Höhen und Tiefen eines gemeinsamen arabisch-israelischen Schulprojektes auf. Petra Tabeling informiert.

Teilnehmer am Schulprojekt in Kfar Kara; Filmszene aus: Bridge over the Wadi
Das israelisch-arabische Schulprojekt in Kfar Kara zeigt, dass der friedliche Weg, eine gegenseitige Verständigung durch Bildung zu erzielen, erfolgreich sein kann.

​​Anfang 2004, dreieinhalb Jahre nach Beginn der "Al-Aqsa-Intifada", entschließen sich arabische und israelische Eltern in Wadi Ara, in dem Dorf Kfar Kara nahe Katzir, zu einem außergewöhnlichen Dialogprojekt: Sie gründen eine jüdisch-israelische Grundschule, in der 50 israelische und 50 arabisch-israelische Kinder auf Arabisch und Hebräisch von einem gemeinsamen Kollegium unterrichtet werden.

Die Schule liegt im arabischen Teil des Dorfes, im so genannten Wadi-Tal, und trägt den Titel "Gesher al ha wadi" ("Brücke über dem Wadi"). Ein symbolischer Name für eine Bildungsinitiative, welche Brücken bauen soll zwischen Arabern und Juden.

Eltern, Lehrer und Organisationen wie Yad-be-Yad ("Hand in Hand"), die sich für gemischte Schulformen im Nahen Osten einsetzen, sind gespannt: Es ist immerhin das erste Mal, dass eine bilinguale Schule in einem überwiegend von israelischen Arabern bewohnten Dorf gegründet wird.

Vorprogrammierte Konflikte um Lehrinhalte

Doch das ambitionierte Projekt birgt schon gleich zu Beginn erste Probleme, wie der Dokumentarfilm "Bridge over the Wadi" der Brüder Barak und Tomer Heymann zeigt. Einige israelisch-jüdische Eltern streiten sich, als sie erfahren, dass ihr Kind nicht nur die Bibel, sondern auch den Koran lesen lernt.

​​Andere Eltern sind wiederum skeptisch, wie einerseits der Unterricht über den Holocaust und andererseits die Folgen der Staatsgründung Israels für ihre israelisch-arabischen Kinder gestaltet werden soll. Es handelt sich um eine grundlegende Frage: Wer ist der "Unterdrücker", wer die "Unterdrückten", wer Sieger und wer Verlierer?

Das Schulprojekt erweist sich als Grenzgang und zeigt das Dilemma der Erwachsenen auf: Einerseits wollen sie die eigenen schmerzhaften Familiengeschichten, ihre Vorbehalte, Zweifel und Ängste nicht auf ihre eigenen Kinder projizieren, andererseits stellt das Schulcurriculum ihre Identitätsbilder in Frage.

Als die Filmemacher Barak und Tomer Heymann von der Gründung dieser ungewöhnliche Schule erfahren, fassen sie den Entschluss, von Anfang an mit ihrer Kamera dabei zu sein. Sie begleiten Eltern, Schüler und Lehrer im Klassenzimmer, in der Schule, auf Ausflügen in die Moschee oder in die Synagoge und in ihrem privaten Umfeld – vier Jahre lang.

Kinder kennen keine Vorurteile

Die Kamera bleibt dabei stets im Hintergrund, wird zum vertrauten Beobachter. Dadurch entstehen intime und authentische Einblicke – kommentarlos zeigt der Film "Bridge over the Wadi" wie sich die Kinder von den Ängsten und Zweifeln ihrer erwachsenen Umwelt, der Politik und der Alltagsrealität lösen und ihre ganz eigene Verständigungswelt schaffen.

Teilnehmer am Schulprojekt in Kfar Kara; Filmszene aus: Bridge over the Wadi
Den Kindern ist es völlig egal, ob der Schulfreund Israeli oder Araber ist - Filmszene aus "Bridge over the Wadi"

​​Natürlich und offen stellen sie sich Fragen, schließen niemanden aus. Es ist ihnen egal, ob der Schulfreund Israeli oder Araber ist. Kinder kennen keine Vorurteile.

Auch die Erwachsenen lernen mit ihren Zweifeln umzugehen. Da ist die junge arabische Lehrerin Sabrine, die sich behaupten und rechtfertigen muss gegenüber dem eigenen Kollegium und der Elternschaft. Doch alle lernen, dass diese Diskussionen zu einem notwendigen Bestandteil ihres Projekts gehören, auch wenn er alle immer wieder vor große Belastungsproben stellt.

"Es ist wichtig, dass wir diskutieren – das ist unser Schulalltag. Nur so lernen wir hier. Die schmerzhaften und unangenehmen Aspekte sind immer da, es ist ein ständiger Prozess", erklärt Sabrine.

Es sind Prozesse, die gewöhnlich von den staatlichen Bildungsträgern ausgeblendet werden, findet Barak Heyman: "Es ist verrückt. In den israelisch-arabischen Schulen, in denen nur arabische Lehrer unterrichten, ist es nicht erlaubt, den ausschließlich arabischen Schülern etwas über die Katastrophe der Palästinenser, der "Nakba", zu erzählen".

Und Sabrine fügt hinzu: "Jede Person, egal welcher Herkunft, soll seine Wahrheit, seine Auffassungen zur Sprache bringen, und sie nicht vorenthalten, weil sie für die anderen verstörend oder schmerzhaft sein kann."

Friedliche Koexistenz ist möglich

"Wir haben das bei den Kindern im letzten Jahr zum Beispiel so gemacht: Jedes Kind sollte sich zuhause bei seinen Eltern, oder auch im Internet, über diesen Tag erkundigen", berichtet Sabrine. "Sie mussten sich nicht anhören, wie es ihnen die Lehrer vermitteln, sondern haben einander zugehört. Sie haben selbst entschieden. Die Idee dieses Schulprojektes ist nicht nur die Kinder zu unterrichten, sondern der Welt zu zeigen, dass es möglich ist, dass es eine friedliche Koexistenz geben kann, trotz aller Konflikte und Probleme, und dieses Miteinander in positiver Form zu realisieren."

Es zeigt sich am Ende des Dokumentarfilms, dass der friedliche Weg, eine Verständigung füreinander durch Bildung zu erzielen, erfolgreich ist. Bereits 2005 meldeten doppelt so viele Eltern ihre Kinder für die Grundschule "Bridge over the Wadi" an. Auf dem vergangenen Internationalen Dokumentarfilmfestival in Amsterdam Ende 2006 wurde der Film erstmals auch einem europäischen Publikum vorgestellt.

Die Darstellung des schwierigen Dialogs zwischen Arabern und Israelis, der von den Kindern schon längst praktiziert wird, begeisterte die Zuschauer: in Amsterdam gewann der Film den Publikumspreis.

Petra Tabeling

© Qantara.de 2007

Bridge over the Wadi, Dokumentarfilm von Barak und Tomer Heymann, Israel 2006, First Hand Films.

Qantara.de

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