Glaube an die Macht des Dialogs

Der ägyptische Islamwissenschaftler Nasr Hamid Abu Zaid spricht sich für eine Wiederbelebung des Dialogs mit der islamischen Welt aus - ein Dialog, der auch mit Vertretern des gemäßigten politischen Islam gesucht werden sollte. Mahmoud Tawfik informiert.

Der ägyptische Islamwissenschaftler Nasr Hamid Abu Zaid spricht sich für eine Wiederbelebung des Dialogs mit der islamischen Welt aus - ein Dialog, der auch mit Vertretern des gemäßigten politischen Islam und der "schweigenden Mehrheit" in der islamischen Welt gesucht werden sollte. Mahmoud Tawfik informiert.

Nasr Hamid Abu Zaid, Foto: Ikhlas Abbis
Nasr Hamid Abu Zaid

​​Seit dem 11. September 2001 hat der so genannte "Dialog mit dem Islam" Hochkonjunktur. Doch überschattet wird dieser kulturelle Ansatz bis heute durch Terroranschläge islamistischer Gruppen und zunehmende Ressentiments gegen Muslime. Eine Situation, die förmlich nach neuen Rezepten für einen Dialog schreit oder zumindest nach einer Überarbeitung des alten.

Mehr Freiräume für Meinungsaustausch

Der ägyptische Literatur- und Islamwissenschaftler Nasr Hamid Abu Zaid erläuterte während seines Besuchs bei der Deutschen Welle in Bonn sein grundsätzliches Verständnis eines solchen Dialogs:

"Bei einem Dialog sollte es nicht unbedingt darum gehen, die Gegenseite von der eigenen Meinung zu überzeugen. Einer meiner Lebensträume ist, dass es mehr Freiräume für den Dialog gibt, mehr Freiräume für Meinungsaustausch - und nicht jemandem eine Meinung aufzwingen und die anderen zu eliminieren. Wenn ich mich nur mit denjenigen unterhalte, die meine persönliche Meinung akzeptieren, dann führe ich keinen Dialog."

Nasr Hamid Abu Zaid ist alles andere als ein Ketzer. Doch wurde der Islamwissenschaftler in seiner Heimat Ägypten als solcher gebrandmarkt - und zwar nicht nur von orthodoxen Religionsführern. Damals, vor über zehn Jahren, wehrte sich Abu Zaid gegen ein Islamverständnis, das immer monolithischer und rigider zu werden schien.

Er versuchte neue Interpretationsansätze, die es ihm auch erlaubten, sich für eine Gleichstellung der Frau in islamischen Gesellschaften auszusprechen - wobei er nicht etwa gegen die islamische Sharia wetterte, sondern sie nach eigenem Selbstverständnis lediglich weiterdachte.

Im Visier religiöser Eiferer

Das Ergebnis: die Universität Kairo verweigerte ihm die Professur. Von einem ägyptischen Gericht wurde er von seiner Ehefrau "zwangsgeschieden" - da nach traditionellen islamischen Vorschriften eine muslimische Frau nicht mit einem "Häretiker" verheiratet sein darf.

Es war eine Zeit, in der sich Viele in Ägypten Abu Zaid mundtot wünschten, während er im Westen als liberaler und aufklärerischer Geist gefeiert wurde.

Heute lebt er im niederländischen Exil und ist Ordinarius des Lehrstuhls für Ibn Rushd-Studien an der Universität Utrecht. Doch die Erfahrung, die er in Kairo machen musste, holt ihn von Zeit zu Zeit wieder ein: "Es ist möglich, dass die Islamisten, wenn sie in Ägypten an die Macht kommen, ein nichtdemokratisches System einrichten und dass der Erste, der dann zum Tode verurteilt werden würde, Nasr Hamid Abu Zaid hieße."

Absage an jegliche Form von Gewalt

Trotzdem ist Abu Zaid dafür, dass man sich gerade mit denjenigen unterhält, die ihn öffentlich verurteilen. Das sei keine Garantie für eine bessere Welt, sagt er. Es sei jedoch eine bei weitem bessere Alternative zur Gewalt. Denn Gewalt - so zeige es die Geschichte - erzeuge nur Gegengewalt.

Er hingegen habe mit seinem "friedlichen" Ansatz auch in der arabischen Welt bereits Erfolge erzielt. Abu Zaid erinnert sich an eine Fernsehdiskussion mit einem seiner ärgsten Widersacher, dem islamistischen Intellektuellen Mohamed Emara:

"Mohammed Emara war der Star der Sendung, nicht ich. Denn er weiß, wie man reden muss, er hat Charisma, ich nicht. Dennoch ist etwas Kurioses geschehen: Einige meiner Freunde haben mir erzählt, dass dieses Programm alle Menschen um 180 Grad umgedreht hat: Die Sympathien waren am Ende für mich!", sagt der Islamwissenschaftler triumphierend.

Die Macht des Dialogs

Abu Zaid glaubt an die Macht des Dialogs. Nicht zwangsweise an einen Dialog als Kommunikationsform, durch den sich Lösungen ergeben oder die eine Seite einen Sieg über die andere erringt. Sondern als Denkweise, die, je öfter sie angewandt wird, sich in den Köpfen der Menschen festsetzt - und sie davon abhält, Dogmatiker zu werden, die ihren Glauben mit Gewalt verteidigen.

Er glaubt aber auch an die Macht des Dialogs, Unannehmbares als solches bloßzustellen: "Die Menschen haben diese Sendung geschaut, um sich diesen "Ketzer", diesen "Häretiker" Abu Zaid anzuschauen. Die Menschen haben eine bestimmte Vorstellung von Häretikern - etwa dass sie laut brüllen. Die Leute haben jedoch gemerkt, dass es Emara war, der laut wurde. Ich hingegen war ganz ruhig, ich habe sogar gelächelt."

Natürlich sei nicht auszuschließen, dass der offene Dialog mit radikalen Kräften deren Einfluss anfänglich noch verstärke. Dass demokratische Errungenschaften beispielsweise in arabischen Gesellschaften zunichte gemacht werden, wenn Islamisten Regierungen stellen würden.

Wahrscheinlicher sei jedoch, dass diese Kräfte, einmal an der Macht, als konzeptlos bloßgestellt würden - und ihre Polemik von Sharia und Gottesstaat sich dann als bloße Propaganda und untauglich für den politischen Alltag entpuppt. Auf keinen Fall dürfe der Islamismus jedoch mit Gewalt bekämpft werden, so Abu Zaid.

Dialog nicht um jeden Preis

Denn in der gewaltsamen Unterdrückung lägen die eigentlichen Wurzeln von Terror und militantem Islamismus in der arabischen Welt: "Wenn man nicht dazu in der Lage ist, die Gesellschaft mit demokratischen Mitteln zu verändern, da diese nicht vorhanden sind, dann bleibt dir nichts anderes übrig, als deine Vorstellungen mit Gewalt der Gesellschaft aufzuzwingen", meint Abu Zaid.

Auf eine wichtige Unterscheidung besteht Abu Zaid jedoch. Dialog mit Islamisten? Ja - aber nicht mit jenen, die zu Gewalt aufrufen bzw. Gewalt ausüben. Diese seien Kriminelle und müssten auch als solche behandelt, also rechtlich belangt werden.

Viel wichtiger als eine juristische Verfolgung dieser wenigen radikalen Islamisten sei jedoch ohnehin das Gespräch mit jenen, die den Terrorismus durch ihr Schweigen unterstützen. Oder aber ihm mit fundamentalistischem Gedankengut den idealen Nährboden liefern.

Wenn man auch diesen Menschen die Möglichkeit gäbe, sich friedlich zu artikulieren, dann sei dem Terrorismus im Prinzip das Rückgrat gebrochen.

Mahmoud Tawfik

© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2004