Die Welt des Saddam Husain

Im Frühjahr erschien beim Kölner Al-Kamel Verlag ein Roman über den ehemaligen irakischen Diktator Saddam Husain auf Arabisch. In der arabischen Welt wird noch immer über die Identität des Autors spekuliert.

Im Frühjahr 2003 erschien beim Kölner Al-Kamel Verlag ein Roman über den ehemaligen irakischen Diktator Saddam Husain auf Arabisch. In der arabischen Welt wird noch immer über die Identität des Autors spekuliert.

Portraitmaler von Saddam Husein, Foto: AP

​​In einer Zeit, in der die ganze Welt aus Angst vor einem kommenden Krieg gegen den Irak den Atem anhält, gibt der in Köln ansässige Al-Kamel Verlag einen einzigartigen arabischen Roman heraus, der das Leben des irakischen Präsidenten Saddam Husain behandelt und damit gleich vier Jahrzehnte irakischer Geschichte aufrollt.

Heute, nachdem der Krieg fast beendet ist, liegt das Schicksal des irakischen Diktators im Dunkeln, und damit hat der Roman ‚Das Leben des Saddam Husain’ von Mahdi Haidar noch an Bedeutung gewonnen.

Dieses Buch unterscheidet sich vollkommen von allem, was bisher über den Tyrannen von Bagdad geschrieben wurde. Es ist nicht nur eine Autobiographie und nicht nur eine historische Aneinanderreihung der Ereignisse im Leben dieses Mannes, sondern es verwebt die ganz persönliche Welt Saddam Husains mit der Geschichte des Iraks und der modernen irakischen und arabischen Eliten, die in den fünfziger und sechziger Jahren in der arabischen Welt das Ruder übernahmen.

Saddam Husain, selbst Verfasser zweier Romane, wird uns hier als Romanheld präsentiert, der die Politik des Iraks und der arabischen Welt seit dem Sturz der Monarchie in Bagdad und dem Aufkommen des arabischen Nationalismus, wie des Nasserismus und des Baathismus, symbolisiert.

Der Name Mahdi Haidar, laut Aussage des Verlegers Khalid Al-Maaly das Pseudonym eines arabischen Schriftstellers, ist bisher in der arabischen Welt unbekannt, was zu vielen Spekulationen über die Identität des Autors führte.

Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass wir es hier mit einer einzigartigen künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Leben einer zeitgenössischen, dieser Tage nur allzu bekannten Persönlichkeit zu tun haben. Dem Autor gelang ein äußerst spannender Roman auf hohem sprachlichem Niveau, der den Leser von der ersten Seite an in den Bann zieht.

Fiktion als Stilmittel

Es ist das erste Mal, dass ein Schriftsteller einen Roman über einen lebenden, und, zur Zeit der Veröffentlichung, noch amtierenden Präsidenten eines arabischen Landes schreibt. Der Leser taucht gebannt in eine fiktive Welt, in der die intimsten Handlungen und Gefühle der Protagonisten beschrieben, ihre Psyche ausgeleuchtet wird.

Der Autor versetzt sich in die Figuren und lässt sie denken und sprechen, er baut einen Spannungsbogen auf, der den Leser mitzieht – und doch, die Fakten sind wahr, die Fiktion ist Stilmittel, es ist die grausame Geschichte eines grausamen Mannes, der über dreißig Jahre lang ein Land terrorisierte.

Der Anfang ist klar. Es geht um das Leben des irakischen Präsidenten Saddam Husain. Doch schon bald wird die Erwartung des Lesers enttäuscht. Der Diktator wird hier nicht in einer Weise beschrieben, wie der Leser ihn aus Zeitungen und Büchern kennt, sondern es wird die Geschichte eines großen, sturen Kindes erzählt, dass sich schon früh von seinen Altersgenossen unterschied und stets sehr genau wusste, was es wollte.

Aufstieg im Geheimdienst

Saddam Husain, wie Mahdi Haidar ihn in seinem Romans beschreibt, ist zäh und selbstbewusst. Er beherrscht es hervorragend, die Fäden zu ziehen hat und nutzt schon früh jede sich ihm bietende Gelegenheit, seinen Einfluss in der Baath-Partei und später im politischen und administrativen Staatsapparat geltend zu machen und zu stärken.

Als misstrauischer Geheimdienstmann beginnt Saddam Husain seinen Aufstieg in den Sicherheitsdiensten und macht sie sich rasch hörig. Selbst seinen Mentor, den ehemaligen irakischen Präsidenten Ahmad Hasan al-Bakr entmachtet er schleichend und bastelt unter dessen Schutz eigenhändig an seiner eigenen Legende.

Während al-Bakr jedoch als bekannter irakischer Offizier seit jeher hohe Führungsposten in Armee und Staat innehatte und an allen Putschen seit dem Sturz der Monarchie beteiligt war, ist Saddam Husain ein Außenseiter, ein unbekannter und leichtfertiger Emporkömmling, der für jedes schmutzige Geschäft zu haben ist.

Ein schmutziges Geschäft ist es auch, mit dem dieser Namenlose seine persönliche Geschichte schreibt und seinen Aufstieg einleitet - ein theoretischer Kader der Partei oder ein Offizier der irakischen Armee ist Saddam Husain indes nie gewesen.

Mahdi Haidar zeichnet in seinem Roman penibel das Bild des Aufstiegs dieses Mannes seit dem ersten Tag, an dem er an der fehlgeschlagenen Ermordung des früheren irakischen Präsidenten Abdalkarim Qasim beteiligt ist. Saddam Husain erhält den Auftrag, den Attentätern des Anschlags Deckung zu geben, schießt jedoch, entgegen der Anweisung, selbst auf das Auto des Präsidenten und wird dabei am Bein verletzt.

Trotz der Missachtung des Befehls wird Saddam Husain als Belohnung von der Partei zum Helden gekürt und ist damit der einzige an dem Attentat Beteiligte, der die Früchte dieser Tat ernten kann.

Saddam Husain ist ein Held der irakischen Tragödie, die in dem Roman eindringlich beschrieben wird. Wer ihm im Weg steht, verfängt sich entweder in dem weit gespannten Netz, dass der soziale Außenseiter Saddam ausgeworfen hat, oder er erliegt auf unerklärliche Art und Weise seinem Schicksal.

Dummheit der herrschenden Elite

Die Angehörigen der politischen Elite im Irak, deren Schicksal in Saddams Hand liegt, werden in dem Roman als unbekümmerte und gelangweilte Zeitgenossen beschrieben. Sie frönen ihren Lastern wie Fressen und Saufen und stellen das beste Beispiel für die Dummheit der herrschenden Elite in den arabischen Ländern dar.

Es sind tragische Figuren, die bei vollem Bewusstsein mit ihrer Oberflächlichkeit und ihren Geschmacklosigkeiten auf ihr Ende zusteuern.

Die Auseinandersetzungen und Kämpfe der irakischen Eliten beschränken sich in dem Roman auf die Cliquen des Herrschaftspalastes und der Baath-Partei mit ihren militärischen und politischen Flügeln. Die Parteimitglieder, allesamt Schwätzer und unfähig, Politik zu machen, ebnen durch ihre Selbstsucht und Ignoranz einer Persönlichkeit wie Saddam Husain den Weg zur Macht.

‚Die Welt des Saddam Husain’ von Mahdi Haidar ist eine melancholische Geschichte. Sie hinterlässt beim Leser einen Ekel vor einer dekadenten politischen Elite im Irak und erweckt den Anschein, dass nicht politische oder gesellschaftliche Kräfte die Geschicke dieses Landes lenken, sondern das Schicksal.

Ein Buch, das den deutschen Buchmarkt bereichern würde.

Ahmad Hissou, erschienen in: Berliner Zeitung, 30.04.03

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