Strategie des Abwartens

Als die arabischen Golfstaaten ankündigten, die diplomatischen Beziehungen zu Qatar abzubrechen, war die Botschaft klar: Entweder sollte sich das Emirat der Regionalpolitik anpassen oder teuer dafür bezahlen. Doch Qatar reagiert mit Gelassenheit auf den politischen Druck Saudi-Arabiens und seiner Bündnispartner. Von Barak Barfi

Von Barak Barfi

Qatar als regionalen Paria abzustempeln, wird das Kalkül des Landes aus zwei Gründen nicht ändern. Zunächst ist das Land schlicht und einfach zu reich, um es zu drangsalieren. Qatars üppige Erdgasvorkommen finden ihren Ausdruck in einem der höchsten Pro-Kopf-Einkommen weltweit. Selbst die von Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), Bahrain und Ägypten verhängten Handels- und Reiseverbote werden der Wirtschaft Qatars nicht erheblich schaden.

Der zweite Grund, warum Qatar es sich leisten kann, das Problem mit seinen Nachbarn auszusitzen, ist seine strategische Bedeutung für die Vereinigten Staaten. Mit dem Al-Udeid-Luftwaffenstützpunkt, der als Amerikas Basis für Operationen im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) dient, schafft es Qatar, seine Verbindungen zu islamistischen Extremisten und eine starke Beziehung zu den USA raffiniert unter einen Hut zu bringen.

Qatars Verbindungen zu dschihadistischen Gruppen zogen zwar den amerikanischen Zorn auf sich, doch die USA haben von diesen Verbindungen auch profitiert. Beispielsweise überzeugte Qatar die Taliban im Mai 2014, den amerikanischen Soldaten Bowe Bergdahl freizulassen; drei Monate später half man, die Freiheit des amerikanischen Journalisten Peter Theo Curtis zu sichern, der sich in der Gefangenschaft des syrischen Al-Qaida-Ablegers, der Al-Nusra-Front, befand. Qatar glaubt, seine Verbindungen mit Organisationen wie der Hamas, den Taliban und der Al-Qaida haben deren Positionen gemildert und sie für Verhandlungen zugänglicher gemacht.

Die größten Nachbarn Qatars am Golf sehen die Dinge freilich anders; im Laufe vergangener Uneinigkeiten gelang es der US-Diplomatie aber, den Frieden zu erhalten. Damit ist jetzt Schluss. Die Trump-Administration hat keinerlei Fähigkeiten an den Tag gelegt, die regionalen Spannungen zu entschärfen.

Nach dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen, griff Trump Qatar auf Twitter verbal an und schien sich die Entscheidung Saudi-Arabiens und der VAE als sein Verdienst anzurechnen. Dies komplizierte das Narrativ der USA und zwang das Pentagon sowie auch das Außenministerium, einen neutraleren Ton anzuschlagen. Während ein Pentagon-Sprecher Qatars "dauerhaftes Engagement für die regionale Sicherheit" lobte, bezeichnete eine Sprecherin des Außenministeriums die Beziehungen zwischen den USA und Qatar als "stark" und pries Qatars Bemühungen zur Eindämmung der Finanzierung von Terroristen.

Qatar als Vermittler in Konflikten

Infographic showing countries that have severed ties with Qatar (source: DW)
Ein "Anti-Qatar-Block" mit begrenzter Wirkungsmacht: "Obwohl die Liste der Länder, die die Beziehungen abbrachen, durch ihre Geschlossenheit beeindruckt, ist die Reihe der Länder, die nicht mitmachten, ebenso bemerkenswert. Kuwait und Oman sind dem Beispiel nämlich nicht gefolgt, obwohl beide Mitglieder des Golf-Kooperationsrates sind (dem neben Qatar auch Bahrain, Saudi-Arabien und die VAE angehören). Der Anti-Qatar-Allianz gelang es nicht einmal, seine engsten Verbündeten zu überzeugen, sich ihm anzuschließen", meint Barak Barfi.

Qatar etablierte sich vor Jahren in einer Nische als Vermittler in Konflikten. Aber nach den Revolten des Arabischen Frühlings im Jahr 2011 verfolgte man eine interventionistische Außenpolitik zugunsten der Islamisten – ein Schritt, der Ägypten, Saudi-Arabien und die VAE verärgerte.

Die Beziehungen zwischen Bahrain und Qatar waren indessen noch nie gut. Die beiden Länder gerieten 1986 in einen Streit über um die Zugehörigkeit von Inseln im Arabischen Golf. Heute verachten die sunnitischen Herrscher Bahrains die freundlichen Beziehungen Qatars zum Iran und beschuldigen die Islamische Republik, Unruhen unter der mehrheitlich schiitischen Bevölkerung Bahrains zu schüren.

Durch die Schließung ihrer Grenzen und die Sperre ihres Luftraums für Flugzeuge Qatars stehen diese vier Staaten an der Spitze der Kampagne gegen Qatar. Außerdem hat man auch die Handelsbeziehungen abgebrochen. Die meisten arabischen Golfstaaten verlangten von ihren Bürgern, Qatar zu verlassen. Und in den VAE ist es mittlerweile verboten, Sympathiebekundungen für Qatar auf Sozialen Netzwerken zu posten.

Blockade in Grenzen

Obwohl die Liste der Länder, die die Beziehungen abbrachen, durch ihre Geschlossenheit beeindruckt, ist die Reihe der Länder, die nicht mitmachten, ebenso bemerkenswert. Kuwait und Oman sind dem Beispiel nämlich nicht gefolgt, obwohl beide Mitglieder des Golf-Kooperationsrates sind (dem neben Qatar auch Bahrain, Saudi-Arabien und die VAE angehören). Dem Anti-Qatar-Block gelang es also nicht einmal, seine engsten Verbündeten zu überzeugen, sich ihm anzuschließen.

Jordanien kündigte zwar an, die diplomatischen Beziehungen herabzustufen, hat dazu allerdings wenige Details vorgelegt. Solange Qatar Beziehungen zu Ländern wie Jordanien und Kuwait aufrechterhalten kann, werden sich die Auswirkungen der aktuellen Kampagne wohl in Grenzen halten.

Emir of Qatar Tamim Bin Hamad Al-Thani meets U.S. President Donald Trump in Riyadh (photo: Getty Images/AFP/M. Ngan)
Widersprüchliche Signale an die Konfliktparteien. US-Präsident Donald Trump hatte zunächst hinter das Vorgehen zur Isolation Qatars gestellt. Er bezeichnete es als Erfolg seiner Anti-Terror-Strategie, bevor er später wieder moderatere Töne gegenüber der Führung in Doha anstimmte. Nun bot er sich dem Emir von Qatar als Mittler in der Krise an.

Tatsächlich haben sich schon frühere Versuche zur Isolierung problematischer arabischer Staaten letztlich allesamt totgelaufen. Nachdem der Iran 1986 irakisches Territorium erobert hatte, übte die gleiche Allianz, die heute gegen Qatar vorgeht, Druck auf Syrien aus, seine Beziehungen mit dem Iran abzuschwächen. Saudi-Arabien bediente sich dabei einer Taktik von Zuckerbrot und Peitsche und bot Syrien unter anderem an, den Iran als wichtigsten Öllieferanten abzulösen. Doch obwohl Syrien unter einem massiven Zahlungsbilanzdefizit, einer mehrjährigen Dürre und sinkender Auslandshilfe litt, ließ man die saudische Koalition abblitzen.

Ein zersplitterter Mittlerer Osten?

Angesichts des gemeinsamen Eigentums am weltgrößten Erdgasfeld South Pars im Persischen Golf muss Qatar gegenüber dem Iran vorsichtig agieren. Der Iran hat angeboten, 40 Prozent der Lebensmittelversorgung Qatars zu übernehmen, die man von Saudi-Arabien aufgrund der Blockade nicht mehr erhält.

Trotz des geringen Risikos, dass Qatar zu sehr in die Sphäre des Iran gerät, sollte eine weitere Vertiefung der Beziehungen der US-Regierung Anlass zur Sorge geben, da ja Trumps oberste politische Strategie im Mittleren Osten darin besteht, den Iran zu isolieren.

Dennoch hat das US-Führungsvakuum der regionalen Diplomatie die Tür geöffnet und Kuwait versucht nun, in der aktuellen Krise zu vermitteln. Möglich, dass alle Parteien im Gegenzug für kosmetische Zugeständnisse übereinkommen, einen Schritt zurückweichen. Sehr viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass der Graben über Monate, wenn nicht gar Jahre, bestehen bleibt und ein zersplitterter Mittlerer Osten weiter aus den Fugen gerät – und die Wirkungslosigkeit des obersten amerikanischen Twitterers noch stärker hervortreten lässt.

Barak Barfi

© Project Syndicate 2017

Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier