Gemeinsamer Nenner: Krieg dem Krieg

Die Proteste gegen den Irak-Krieg sind weltweit ungebremst. Auch in Deutschland hat sich eine Bewegung formiert, die Front macht gegen einen neuen Waffengang am persischen Golf. "Kein Krieg!" – so das Credo, das Deutschlands Pazifisten verschiedenster Couleur eint. Doch für welche politischen Ziele steht die wieder auferstandene Friedensbewegung noch? Und vor allem: wie steht sie zum Regime in Bagdad? – Eine Analyse von Heinz Dylong, Deutsche Welle.

Bei ihren verschiedenen Aktionen wird die deutsche Friedensbewegung fast zwangsläufig mit den sattsam bekannten Klischees und Vorwürfen konfrontiert: Naivität und Amerika-Feindlichkeit sind dabei geradezu "Klassiker" im Repertoire ihrer Kritiker und Gegner. Und die haben es damit auch nicht allzu schwer. Denn die deutsche Friedensbewegung gibt keine Mitgliedsausweise aus und hat weder Postanschrift noch Telefonnummer. Es ist vielmehr eine heterogene Sammlung aus mancherlei permanent arbeitenden Friedensgruppen, diversen Organisationen aus dem linken und alternativen Spektrum sowie vielen, vielen Einzelpersonen, die sich von Fall zu Fall engagieren.

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Greenpeace-Protest gegen den Irak-Krieg in Berlin, Foto: AP

​​Keine Frage, dass darunter auch oberflächliche anti-amerikanische und andere politisch höchst fragwürdige Positionen vertreten werden. Gleichwohl ist es Unsinn, der deutschen Friedensbewegung als solcher das Etikett des Anti-Amerikanismus aufzukleben. Und von Naivität mag sprechen, wer belegen kann, dass das Denken in militärischen Kategorien zwangsläufig logisch und stets rational ist.

Zunächst gilt, dass sich die deutsche Friedensbewegung mit Vehemenz und bislang ausschließlich mit friedlichen Mitteln gegen einen möglichen Irak-Krieg wendet. Dabei gilt, dass Kritik an der Politik der US-Regierung ja wohl mindestens zulässig ist. Und man darf den größten Teilen der Friedensbewegung sehr wohl das intellektuelle Format zutrauen, differenzieren zu können. Differenzieren zu können zwischen der aktuellen Politik der US-Regierung und den Licht- und Schattenseiten der US-Gesellschaft. Man kann dem Land eben gleichzeitig großartige Seiten abgewinnen - und seine Politik gleichwohl für eine Zumutung halten.
Kaum einer der so genannten "Friedensaktivisten" sieht sich zudem als Verteidiger Saddam Husseins. Der Irak ist für sie genauso wenig ein Vorbild wie es vor 20 Jahren - bei der Auseinandersetzung um die Nachrüstung amerikanischer atomarer Mittelstrecken-Raketen in der Bundesrepublik - die Sowjetunion war. Doch so wenig ein Gegner der Todesstrafe den Mörder freispricht, so wenig bedeutet die Ablehnung eines Krieges, dass man - im aktuellen Fall - das Regime Saddams nicht ablösen wollte.

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Friedensdemonstranten in München, Foto: AP

​​Die Friedensbewegung, sei es die deutsche, die europäische oder die auch nennenswerte US-amerikanische, wird sich immer in diesem Spagat wieder finden. Kurioserweise muss sie immer wieder begründen, warum sie gegen den Krieg ist - und gleichzeitig versichern, dass sie damit keineswegs auf der "anderen Seite" steht. Mit redlicher intellektueller Auseinandersetzung hat das wenig, mit politischer Stimmung viel zu tun. (…)

Der Protestforscher vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, Dieter Rucht, schreibt, dass das einigende Band der Bewegung die Ablehnung des Krieges ist. "Wenn man konkreter fragen würde nach Maßnahmen, nach Schritten, nach Differenzierungen – dann würde dieses Spektrum auseinander dividieren", meint Rucht. Demnach ist die Friedensbewegung nicht auf einfache pauschale Nenner zu bringen. So gibt es Menschen, die über "normale" Demonstrationen hinausgehen und sich zum Beispiel an Sitzblockaden beteiligen. Und der immer wieder unterstellte Anti-Amerikanismus gilt allenfalls für eine Minderheit innerhalb der Friedensbewegung. Zu unterscheiden ist davon allerdings die Ablehnung der Politik der US-Regierung - die ist angesichts des drohenden Irak-Krieges geradezu der Ausgangspunkt. Da macht es die deutsche Bundesregierung der Friedensbewegung derzeit beträchtlich leichter. "Im Groben gesehen", so Professor Rucht, "stützt die Friedensbewegung den Kurs der Bundesregierung".

Doch es gibt durchaus auch Skepsis und Kritik an der Politik von Regierung und Bundeskanzler. Manfred Stenner vom "Netzwerk Friedenskooperative", einer der permanent in der Friedensbewegung engagierten Organisationen, kritisiert Schröder durchaus: Mit der EU-Erklärung, wo Gewalt als letztes Mittel nicht mehr ausgeschlossen wird und der Zustimmung zur Nato-Planung für die Türkei sei der Kanzler von seinem 'Nein' noch ein bisschen weiter abgerückt, meint Stenner. "Wir kritisieren Kanzler Schröder seit langem dafür, dass dem rhethorischen 'Nein' keine wirklich konkreten Handlungen folgen!" Gleichwohl war bei der Berliner Demonstration Mitte Februar zu spüren: Weite Teile der Friedensbewegung sind zufrieden damit, dass die Bundesregierung das Land in der Irak-Frage zumindest nicht in das Lager um George W. Bush und Tony Blair geführt hat.

Heinz Dylong

&copy 2003 Deutsche Welle

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