Der globale Sound der Straße

Bukahara ist die Geschichte vom klassischen musikalischen Traum – von der Straßenmusik zur eigenen Platte. Gerade hat die Weltmusik-Combo ihre zweite CD "Strange Delight" in Eigenproduktion auf den Markt gebracht. Ceyda Nurtsch hat die Musiker nach ihrem Erfolgsrezept gefragt.

Von Ceyda Nurtsch

Es waren erfolgreiche Wochen für die Band Bukahara: ein ausverkauftes Konzert in Köln, eine steile CD-Release-Party, davor Auftritte bei verschiedenen Radiosendern und im Fernsehen. Welches Geheimnis steckt hinter dem kometenhaften Aufstieg der vier Musiker, die bis vor Kurzem noch auf WG-Partys und auf der Straße spielten?

In einem Café in Berlin-Neukölln schauen über einem Croissant und einem Baguette zwei Augenpaare für einen kurzen Augenblick verwirrt auf. Eine seltsamere Frage scheinen die beiden Bukahara-Musiker Ahmed und Avi bislang noch nicht gehört zu haben. Nach dem Erfolgsrezept der Band zu fragen, scheint so, als versuche man sich von jemandem das Fahrradfahren erklären zu lassen. Draufsetzen und lostreten. Wieso man dabei senkrecht steht und nicht umkippt, weiß man dadurch immer noch nicht.

Ahmeds Augen wandern hilfesuchend im Café umher. Er scheint etwas ratlos. "Irgendwie entwickelt sich alles von selbst". Die Jungs wirken sympathisch – wie sie so um drei Uhr Nachmittags ihr Frühstück verdrücken – man muss ihnen ihre Bescheidenheit abnehmen.

Zwischen WG-Partys und Straßenmusik

Avi und Ahmed sind der Berliner Teil der Band Bukahara, die sich 2009 gründete. Ahmed – Vollbart, Hipster-Brille und Cappy – hat etwas von einer Berliner Retro-Version von Bobby McFerrin. Avi, auf der Bühne meistens mit Hut, trägt im echten Leben Glatze und wirkt irgendwie größer als aus der Ferne. Ahmed lacht viel und laut. Avi lacht auch gerne – nur leiser und schüchterner. Der Rest der Band, Soufian und Max, lebt in Köln.

Die vier kreativen Musiker lernten sich während des Musikstudiums an der Musikhochschule in Köln kennen. Nicht etwa beim Unterricht, sondern beim Rauchen vor der Tür. Gemeinsam trafen sie sich, trällerten, fiedelten und zupften ganze Nächte durch. Sie feierten und tranken viel, spielten auf WG-Partys, in Bars und Ateliers.Kreuz und quer sind sie durch Europa gereist und spielten barfuß Straßenmusik. Später folgten dann erst kleine, dann größere Auftritte im rahmen von Festivals. Sie richteten bald darauf ihre Homepage ein, riefen übers Internet zum Crowdfunding auf und brachten zwei CDs auf den Markt. Und schon kurze Zeit später wurden die Medien auf sie aufmerksam.

"Wir stehen auf exotische und experimentelle Musik"

Eine erstaunliche Erfolgsstory. Dabei treffen sich die vier nicht einmal wirklich zum Proben. "Unsere Stücke entwickeln sich, je öfter wir sie zusammenspielen", erklärt Ahmed. Und eigentlich spielen sie ständig zusammen: auf der Straße, im Tourbus, nachts in Kneipen bei Jamsessions. Manchmal mehr für sich, dann introvertierter mit mehr Improvisation, manchmal mehr nach vorne ans Publikum gerichtet. "Wir stehen auf exotische und experimentelle Musik", erklärt Avi. Das improvisierende Element, sagt er, ist deswegen immer ein Bestandteil ihrer Musik.

"Dass wir zusammen Musik machen, war keine bewusste Entscheidung, nicht einmal eine musikalische", erzählt Ahmed. "Wir sind einfach nur gute Freunde." Ein Palästinenser und ein Jude machen zusammen Musik – da liegen die Klischeefragen auf der Hand. Nichts, erklärt Ahmed lachend, läge ihnen ferner als die Idee, die Kulturen und Sprachen dieser Welt in einem musikalischen Projekt zusammen zu bringen und die Welt zu retten. "Wir sind kein Friedensprojekt. Wir machen einfach nur Musik."

Es ist ihr entspannter, spielerischer Umgang mit der Musik, der auf ihr Publikum überspringt. Das Gefühl, vier Jungs dabei zuhören zu dürfen, wenn sie sich musikalisch den Ball zuwerfen. Bukaharas Musik ist leicht, macht Freude. So schafft sie es gekonnt, Klezmer-Melodien in Ska-Rhythmen übergehen zu lassen und kreiert damit ihren eigenen Sound. Sie spricht "Global Sounds"-Anbeter genauso an wie Jazzliebhaber, die Genießer gut arrangierter Blasmusik sowie Fans rauer Singer-Songwriter-Melancholie.

Dabei setzen die vier Musiker ihre eigenen persönlichen Akzente und bringen ihre Färbung mit ein. Avi hat jüdische Wurzeln, stammt aus einer Musikerfamilie und ist im schweizerischen Zug aufgewachsen. Mit sechs Jahren lernte er die Geige, spielte schnell nach Gehör. Wenn es nach Klezmer, Reggae oder - wie er sagt – nach "Gypsy-Mucke" klingt, dann geht das meistens auf ihn zurück. Soufian mit seiner tiefen und rauen Stimme ist eher in der Singer-Songwriter-Tradition zu verorten und Max jazzt die Musik auf. Ahmed stammt aus Ramallah. Mit 19 Jahren kam er zum Kontrabass-Studium nach Deutschland. Schnell merkte er: "Die klassische Musikszene, die Hierarchie in einem Orchester ist einfach nicht mein Ding." Mehr gefallen ihm die rhythmischen, improvisierten Melodien der orientalischen Musik, mit denen er aufgewachsen ist, und die er versucht, in den Jazz zu integrieren.

Zwischen Balkan-Klängen und Reggae

Immer wieder verschieben die Musiker ihre Grenzen. "Ich versuche alle paar Monate, ein neues Instrument auszuprobieren", erzählt Ahmed. Er spielt Klavier, arabische Handtrommel und verschiedene arabische Saiteninstrumente. Avi spielt Geige, Klavier und Saxophon. Und im Moment, erzählt er, läuft er die ganze Zeit mit einer Mandoline herum.

Musikkritiker siedeln Bukaharas Musik irgendwo zwischen Balkan-Klängen und Reggae an. Dabei findet Avi: "Musikgenres sind totale Krücken." Schubladen, die man nicht gebrauchen kann. Am liebsten ist es ihm, wenn die Leute sich einfach nur ihre Musik anhören.

Die Klippen und Knebelverträge des neoliberal gewendeten Musikmarkts haben die vier umschifft, indem sie ihre CD selbst produziert haben. In einer Internetaktion haben sie zu einer Crowdfunding-Aktion aufgerufen. Mit 10.000 Euro verkrochen sie sich für ein Jahr im Studio. Das Resultat ist ihre Produktion Strange Delight: elf Songs auf Englisch, Deutsch und Arabisch über Sehnsucht, Gefühle, kurz: das Leben. Erhältlich auch auf Vinyl und nur über ihre Homepage.

Was der Name Bukahara bedeutet ist ebenso rätselhaft wie die Frage, weshalb es manchen Bands gelingt, einen großen Bekanntheitsgrad zu erreichen und von ihrer Musik zu leben und manchen nicht. Bukahara – eine Speise? Ein Käfer aus der Sahara? Vielleicht ist die Frage aber nebensächlich. Bukahara, das ist Sehnsucht nach Ferne, Reisen und Exotik und auf Konzerten ein Abend mit viel Spaß.

Ceyda Nurtsch

© Qantara.de 2015