Unsachliche Berichterstattung über islamische Themen?

Den Medien in Deutschland wird oft vorgeworfen, zu einseitig und zu klischeehaft über islamische Themen zu berichten. Deutsche Medienvertreter wehren sich allerdings gegen Pauschalvorwürfe. Vedat Acikgöz berichtet.

Den Medien in Deutschland wird oft vorgeworfen, zu einseitig und zu klischeehaft über islamische Themen zu berichten. Tatsächlich lassen sich immer wieder Beispiele für eine unsachliche Berichterstattung finden. Vertreter deutscher Medien wehren sich allerdings gegen Pauschalvorwürfe - und können dabei ebenfalls nachvollziehbare Argumente vorbringen. Vedat Acikgöz berichtet.

Zeitungsständer; Foto: AP
Die deutschen Medien sollten Selbstkritik üben, aber ihre Aufgabe sei es auch, Missstände aufzuzeigen, so Jörg Lau von der Wochenzeitung "Die Zeit"

​​Nicht nur viele in Deutschland lebende Muslime, sondern auch Experten beklagen immer wieder, dass die Berichterstattung über islamische Themen in deutschen Medien zu unsachlich, unreflektiert und klischeehaft sei. Durch negative Berichterstattung werde ein falsches Bild der Muslime vermittelt, lautet der Vorwurf.

Beispiele lassen sich schnell finden. Besonders markant: Das Magazin "Focus", das vor einiger Zeit auf seiner Titelseite von "unheimlichen Gästen" sprach - und damit türkischstämmige Muslime in Deutschland meinte: Menschen, die längst keine Gäste mehr sind, sondern oft schon seit Jahrzehnten in Deutschland leben - und die mit dem Wort "unheimlich" pauschal als gesellschaftliche Bedrohung dargestellt werden.

Vertreter deutscher Medien wehren sich aber ihrerseits gegen pauschale Vorwürfe. Etwa Jörg Lau, Berichterstatter der Wochenzeitung "Die Zeit", die in Deutschland traditionell als Intellektuellen-Blatt gilt. Den Focus-Titel mit den "unheimlichen Gästen" findet auch Lau skandalös. Das sei Demagogie und müsse vom Presserat gerügt werden. Auch die deutschen Medien müssten aufpassen und Selbstkritik üben.

Aber er betont auch, dass die Medien real existierende Probleme nicht einfach ignorieren könnten, denn ihre Aufgabe sei es, Dinge zu benennen, die sie als Missstände empfänden. Das gelte sogar dann, so Lau, wenn Menschen sich dadurch diskriminiert fühlten.

Ein Problem der Wahrnehmung

Diskriminiert fühlen sich viele Muslime in Deutschland deshalb, weil Vorgänge wie der mutmaßliche Ehrenmord an einer türkischen Frau in Berlin meist eine Lawine von journalistischen Beiträgen in den deutschen Medien auslösen, die dann wiederum ganz automatisch das Image von Muslimen in der Öffentlichkeit prägen.

Es entsteht ein altbekanntes Wahrnehmungs-Phänomen, das durchaus auch bei anderen journalistischen Themen auftritt: Selbst wenn einzelne Journalisten noch so differenziert über Ehrenmorde, Zwangsheiraten oder die Rolle der Frau im Islam berichten: Bei vielen Medien-Konsumenten bleibt der Eindruck hängen, die gesamte muslimische Community sei betroffen.

Besonders seit dem 11. September 2001 werden islamische Themen immer häufiger von den Medien aufgegriffen. Jörg Lau räumt dabei ein, dass nicht jede Zeitung und jeder Radio- oder TV-Sender sachlich und objektiv berichtet. Die Berichterstattung einzelner deutscher Medien müsse differenziert betrachtet werden.

In Ordnung findet er jedoch eine Schlagzeile des renommierten Nachrichtenmagazins "Der Spiegel", das auch bei anderen Themen meist bissige und provokante Titel wählt. Der "Spiegel" hatte die Probleme türkischstämmiger Frauen in Deutschland thematisiert und dafür die Schlagzeile "Allahs rechtlose Töchter" gewählt - was viele Muslime in Deutschland empörte.

Provokative Aufmacher

Ähnlich sieht dies Joachim Kandel, Islam-Experte der Friedrich-Ebert-Stiftung. Dass Medien ihre Leser mit provokativen Schlagzeilen oder Aufmachern ködern wollen, sei Teil der deutschen Medienkultur und nicht nur bei islamischen Themen zu beobachten:

"Ich glaube, dass solche Sätze in der Tat provokativ sind. Aber auch über andere Themen und andere Minderheiten wird mit provokativen Aufmachern berichtet. Wenn man dann die Artikel in der Gänze liest, stellt man aber fest, dass in der Regel differenziert argumentiert wird."

Man müsse allerdings auch sehen, dass es in Deutschland nicht nur ein Problem mit dem Islamismus oder mit islamistischen oder extremistischen Gruppen gebe, sondern ebenso damit, wie Muslime, bezogen auf Koran und Sunna, ihre Lebenswirklichkeit in Deutschland im Hinblick auf Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaat und Pluralismus definieren wollten.

Letztlich, so der Journalist Jörg Lau, spiegle sich in der Berichterstattung deutscher Medien über den Islam auch Unsicherheit über die künftige gesellschaftliche Entwicklung wider. Viel zu lange habe man in Deutschland ignoriert, dass Migranten aus muslimisch geprägten Ländern wie der Türkei dauerhaft im Land bleiben werden - und dass man für sie auch Integrationskonzepte entwickeln müsse.

Die Menschen in Deutschland seien, so Lau, "tatsächlich beunruhigt. Aber man ist nicht nur beunruhigt, weil die anderen vielleicht 'unheimlich' sind, sondern weil man in einer neuen Lage ist. Man ist hier in Deutschland in einer wirklichen Einwanderungsgesellschaft angekommen. Oder man ist zumindest dabei, zur Kenntnis zu nehmen: Diese Leute werden hier bleiben, sie gehören jetzt dazu. Und dann stellt sich die Frage: Inwiefern gehören sie dazu? Wie passt das genau in unser System rein?"

Verantwortung der deutschen Medien

Islam-Experte Joachim Kandel verweist auf einen weiteren Aspekt: Die Religion spiele im Leben der Muslime in Deutschland heute eine größere Rolle als noch vor zehn Jahren. Deshalb täten die Medien gut daran, diese Entwicklung aufzugreifen - selbst wenn sie dafür bisweilen kritisiert würden. Nur so könne man Aufklärung leisten.

Den meisten Medienkonsumenten in Deutschland sei klar, dass es einen Unterschied gebe zwischen dem Islam und dem Islamismus, glaubt Kandel. Das sei auch ein Erfolg der deutschen Medien.

Und im europaweiten Vergleich habe es in Deutschland nach dem 11. September erheblich weniger Unruhen und weniger Übergriffe auf muslimische Frauen mit Kopftüchern gegeben als anderswo. "Ich führe das auch zurück auf die doch größere Verantwortlichkeit der deutschen Medien", so Kandel.

Vedat Acikgöz

© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2005

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