Versäumnisse in der Debatte um Nahost-Einsatz

Die Frage, ob die Bundeswehr sich mit Soldaten an der UNIFIL-Mission im Nahen Osten beteiligt, hat Deutschland lange beschäftigt - und sie ist erst dann endgültig beantwortet, wenn der Bundestag dem Beschluss des Kabinetts zustimmen sollte. Peter Philipp kommentiert.

Die Frage, ob die Bundeswehr sich mit Soldaten an der UNIFIL-Mission im Nahen Osten beteiligt, hat Deutschland mehr als vier Wochen lang beschäftigt - und sie ist erst dann endgültig beantwortet, wenn der Bundestag in der kommenden Woche dem Beschluss des Kabinetts zustimmen sollte. Peter Philipp kommentiert.

Deutsche Marinesoldaten; Foto: picture-alliance/dpa
Berlin forderte freie Hand bei seinem Einsatz vor der libanesischen Küste. Einwände Beiruts, die Schiffe sollten nicht näher als sechs Meilen kommen, wurden zunächst abgeschmettert

​​Das möchten die Libanesen doch bitte endlich einmal verstehen, hieß es in Berlin: Es war keine leichte Sache für Deutschland, den Einsatz der Bundesmarine im östlichen Mittelmeer zu beschließen.

Obwohl die deutsche Regierung von Anfang an zu verstehen gegeben hatte, dass Deutschland "seinen Beitrag" leisten würde. Wenn auch nicht am Boden - wo unter anderen Franzosen, Türken, Italiener und Indonesier den Kopf hinhalten können.

Deutschland will den Seeweg in den Libanon kontrollieren. Damit die "Hisbollah" auf diesem Weg keine Waffen ins Land schmuggeln kann. Aber zum einen ist dieser "Importweg" für Waffen bisher kaum genutzt worden - die kamen einfach auf dem Landweg von Syrien - und zum anderen schoss man in Berlin zunächst ganz gehörig über das Ziel hinaus:

Die Entsendung der deutschen Marine wäre beinahe daran gescheitert, dass deren Mandat nicht "robust" genug gewesen wäre. Was sich hinter diesem neuen Modewort für internationale Einsätze versteckt: Berlin forderte freie Hand bei seinem Einsatz vor der libanesischen Küste. Einwände Beiruts, die Schiffe sollten nicht näher als sechs Meilen kommen, wurden zunächst abgeschmettert.

Und deutsche Politiker wurden nicht müde, davon zu sprechen, dass man hier einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit Israels leisten wolle. Eine denkbar unkluge Bemerkung. Und noch falsch dazu: UNIFIL - die "Interim-Truppe" im Südlibanon - hat den Auftrag, der libanesischen Regierung dabei zu helfen, ihre Autorität auf das gesamte Staatsgebiet auszudehnen.

Und es gilt wie im Privatleben: Wenn man jemandem helfen will oder soll, dann koordiniert man diese Hilfe doch mit ihm und entscheidet nicht über seinen Kopf hinweg.

Im vorliegenden Fall hat man das glücklicherweise eingesehen und beide Seiten haben einen Kompromiss geschlossen: Die Marine darf näher an die Küste fahren, dafür bekommt sie libanesische Liaison-Offiziere und wird beim Ausbau der kaum so zu nennenden libanesischen Marine helfen.

Berlin spricht zwar weiterhin von einem "historischen" Beschluss, den Verweis auf Israels Sicherheit verkneift man sich inzwischen. Man scheint endlich eingesehen zu haben, dass man der Regierung Fuad Sinioras damit nur schadet. Wie stünde der Premier denn da, wenn er den Marineeinsatz unwidersprochen als Maßnahme zum Schutz Israels akzeptierte?

Der Einsatz ist eine Maßnahme zur Stabilisierung in der Region – mehr zur Stärkung der Regierung Siniora als zur Stärkung der Sicherheit Israels. Wie riskant ein falscher Zungenschlag ist, zeigte sich postwendend, als "Hisbollah"-Führer Nasrallah den Regierungschef als Helfershelfer Israels beschimpfte. Der Premier sei bereit, auf libanesische Hoheitsrechte vor der Küste zu Gunsten Israels zu verzichten.

Eine weitere Eskalation in diese Richtung ist gerade noch verhindert worden. Aber nun kommt der "demokratische Prozess" in Berlin hinzu. Seit Wochen spricht man vom Einsatz, das Kabinett hat nun zugestimmt, aber jetzt muss sich auch noch der Bundestag damit befassen.

Deutschland tut sich schwer, rasch und effektiv zu helfen. Inzwischen sind längst Franzosen und Griechen vor der Küste im Einsatz. Auch nicht gerade undemokratische Länder. Offenbar aber mit mehr Sinn und Gespür für die Notwendigkeiten des Tages.

Peter Philipp

© DEUTSCHE WELLE 2006

Qantara.de

Flüchtlingsdrama im Libanon
Hilfe aus Deutschland
Viele deutsche Nichtregierungsorganisationen haben langjährige Kontakte in den Libanon und leisten nun humanitäre Hilfe für Flüchtlinge, die sich vor den Bombenangriffen in Südlibanon in Sicherheit bringen. Martina Sabra stellt drei Initiativen vor.

Internationale Friedenstruppe für den Libanon?
Nachhaltige Stabilisierung bedarf politischer Konfliktregelung
Im Nahostkonflikt hat sich die Diskussion in Politik und Medien zunehmend auf den Einsatz einer internationalen Stabilisierungstruppe im Südlibanon verengt. Doch welche Voraussetzungen müssen für den Erfolg einer solchen Mission gewährleistet sein? Muriel Asseburg fasst zusammen.