Tag für Tag interkulturelles Krisenmanagement

Jugendliche, die es in Syrien schaffen, einen Studienplatz an einer Universität zu ergattern, vielleicht sogar im Ausland, gehen dem Land oft verloren. Ein deutsch-syrisches Universitätsprojekt soll Alternativen bieten. Karin Leukefeld hat die Wadi-Universität in Syrien besucht.

Im Foyer der deutsch-syrischen Wadi-Universität diskutieren die Studierenden die Themen des nächsten Unterrichts. Seit September 2005 gibt es die private Wadi-Universität nahe der syrischen Stadt Homs.

Provisorischer Standort ist ein Hotel am Fuße der imposanten Kreuzritterburg "Krak des Chevaliers". Der eigentliche Campus soll 2008 bezugsfertig sein.

280 Studierende werden derzeit in Fächern wie Wirtschaftsinformatik, Public Relation und Architektur unterrichtet, Unterrichtssprache ist Englisch.

Früher studierten viele Syrer im Ausland und kehrten nicht zurück, erklärt Kanzler Edmond Gebara, der seit 1958 in Deutschland lebt. Mit Kollegen aus der "Deutsch-Syrischen Gesellschaft für Wissenschaft und Technik" nutzte Gebara eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 2001, durch die private Universitäten in Syrien neuerdings zugelassen sind.

In der Wadi-Gesellschaft, einem Zusammenschluss von Geschäftsleuten, fanden sie nicht nur Unterstützer für ihre Idee, sondern auch großzügige Geldgeber. Der Vorsitzende, Dr. Aziz Haddad, hofft, mit dem deutsch-syrischen Universitätsprojekt den "brain drain" der
Küstenregion zu stoppen.

Gegen den "brain drain"

"Drei Gründe haben uns bewogen, die Universität hier zu bauen", erzählt Haddad. "Erstens wollen wir diese Region wirtschaftlich beleben. Zweitens wollen wir ein Zentrum für die Aus- und Weiterbildung für junge Leute schaffen, damit sie hier bleiben. Drittens wollen wir den höchsten Ausbildungsstandard erreichen, für unsere jungen Leute, aber auch für Studenten aus anderen Regionen Syriens und aus anderen
arabischen Staaten."

Wichtiger Impulsgeber auf deutscher Seite war Claus Rautenstrauch, Professor für Wirtschaftsinformatik an der Universität Magdeburg. Es gab und gibt eine Menge Stolpersteine, beschreibt Claus Rautenstrauch die Zusammenarbeit. Trotz grundsätzlicher Übereinstimmung prallen die kulturellen Unterschiede oft aufeinander:

"Beispielsweise denken die syrischen Kollegen noch immer sehr stark in zentralistischen Strukturen, in Kontrollstrukturen. Die Vorstellungen über Mitarbeiterführung sind andere als bei uns, und so ist es vor allem in der Detailarbeit immer wieder nötig zu überzeugen, zu diskutieren und manchmal auch Kompromisse zu machen."

Professor Rautenstrauch konnte den Deutschen Akademischen Austauschdienst für das Projekt gewinnen. Seit 2001 fördert der DAAD Studienangebote deutscher Hochschulen im Ausland. Im arabischen Raum gibt es die Deutsche Universität in Kairo, eine Fachhochschule in Jordanien und die Deutsch-Syrische Wadi-Universität.

Dr. Christian Thimme vom DAAD ist über die rasche Entwicklung erfreut. Es sei erstaunlich, so Thimme, wie schnell die Strukturen aufgebaut wurden und die Hochschule entstanden sei.

Kürzester Weg nach Deutschland

Zu den 20 Prozent der Studentinnen gehört Dania Al-Rikabi aus Düren bei Köln. Die 20-Jährige hat im Sommer 2006 ihr Abitur gemacht, sie studiert Marketing und Public Relation. Ihre Mutter ist Deutsche, der Vater Syrer, manchmal vermisst sie das freie Leben in Deutschland:

"Ich wohne auf einem Dorf, man kann abends nirgendwohin gehen, gerade im Winter, als Mädchen sowieso nicht, und allein mit einem Jungen auch nicht."

Dania Al-Rikabi möchte später in einer deutschen Firma arbeiten, die im Nahen Osten tätig ist. Ein Studium in Syrien sei dafür eine gute Voraussetzung. Manche ihrer syrischen Kommilitonen aber würden lieber im Ausland studieren.

Die Wadi-Universität sei für ihn der kürzeste Weg nach Deutschland, sagt der 20-jährige Aziz Saadi. Er studiert im 3. Semester Computertechnik. Syrien sei ein Land der Dritten Welt, sein Vater müsse im Ausland arbeiten, um die Familie zu ernähren.

"50 Prozent der Leute sind Angestellte, ihr Monatsgehalt beträgt nicht mehr als 100 Euro", so Saadi. "Das reicht grade für die ersten 10 Tage, den Rest des Monats haben sie kein Geld mehr."

Schön in Syrien aber seien die Familienbeziehungen, diese seien viel stärker als in Deutschland. "Ich war da und habe es gesehen", sagt der junge Mann.

Aufeinander zugehen können

Nur wenige Deutsche lehren und arbeiten bisher an der Wadi-Universität. Eine von ihnen ist die Vizekanzlerin Bärbel Stark. Sie ist zuständig für internationale Beziehungen. Ihre langjährigen Erfahrungen im Mittleren Osten ermöglichten ihr den Sprung auf diesen Posten.

Als einzige Frau im Leitungsgremium der Universität hat sie es nicht immer leicht. Bärbel Stark wünscht sich mehr Anreize für junge Wissenschaftler, um mit motivierten Lehrkräften aus Deutschland den Qualitätsanspruch der Wadi-Universität zu stärken.

Das Projekt der deutsch-syrischen Wadi-Universität sei nicht nur täglicher interkultureller Dialog, sondern auch tägliches interkulturelles Krisenmanagement.

"Es ist kein Laden, den man (…) einrichtet, und morgen dann die Waren von der einen oder der anderen Seite holt und verkauft", so Stark. Es müssten stattdessen Anschauungen und Ideen entwickelt werden, die sich von den früheren Tätigkeiten und Gedanken unterscheiden. "Und da muss man auch aufeinander zugehen können."

Karin Leukefeld

© DEUTSCHE WELLE 2007

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