Rückfall um Jahrhunderte?

Wegen des Skandals um den Holocaust-Leugner Williamson und die Piusbruderschaft häufen sich die Kirchenaustritte empörter Katholiken. Vertreter anderer Weltreligionen - wie der Muslime - beginnen, die Dialog-Bereitschaft des Papstes in Frage zu stellen. Von Peter Philipp

Wegen des Skandals um den Holocaust-Leugner Williamson und die Piusbruderschaft häufen sich die Kirchenaustritte empörter Katholiken. Auch Vertreter anderer Weltreligionen - wie der Muslime - beginnen, die Dialog-Bereitschaft des Papstes in Frage zu stellen. Von Peter Philipp

Papst Benedikt XVI.; Foto: AP
Im Kreuzfeuer der Kritik: Als Folge des Skandals um den Holocaust-Leugner Williamson droht das Jerusalemer Rabbinat mit einem Abbruch der Beziehungen zum Vatikan.

​​"Seht doch, wie gut und schön ist es, wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen!"

Mit diesem Zitat aus Psalm 133 begrüßte Papst Benedikt XVI. im November 2006 bei seinem Besuch in Istanbul den Patriarchen von Konstantinopel und beschwor dabei die gemeinsamen Anstrengungen der katholischen wie der orthodoxen Kirche, die jahrhundertealte Spaltung zu überwinden.

2006 in der Türkei, davor schon in Bulgarien, inzwischen auch bei den ägyptischen Kopten oder der russisch-orthodoxen Kirche: Der Vatikan bemüht sich um Annährung. Über das Ziel dieser Bemühungen - nämlich eine geeinte Kirche - ließ Benedikt sich bisher nicht näher aus.

Würde er es tun, dann gäbe dies mit einiger Sicherheit Zündstoff zu neuem Disput ab. Der Umgang dieses Papstes mit anderen christlichen Kirchen wie auch mit anderen Religionen legt diesen Schluss nahe.

Im Zeichen des konservativen Kurses

In allen Fällen nämlich bleibt der Papst seiner konservativen Linie treu, die die katholische Kirche allein als die wahre Kirche betrachtet. Und wenn er von "Einheit der Kirche" spricht, dann meint er damit eben diese: die eigene, katholische Kirche.

Am deutlichsten wurde das wohl, als er im Juli 2007 ein Dokument des Vatikan ausdrücklich genehmigte, in dem Protestanten wie auch andere Glaubensgemeinschaften als mit "Mängeln behaftet" definiert werden, bei denen es sich lediglich um "kirchliche Gemeinschaften", nicht aber um "Kirchen im eigentlichen Sinn" handle.

Die Orthodoxe Kirche wurde ausdrücklich als "mangelhaft" bezeichnet, weil sie den Papst nicht anerkenne, und gemeinsame Abendmahlfeiern mit Protestanten wurden untersagt. Die Erklärung löste gehörige Verärgerung besonders bei den Protestanten aus, im Vatikan aber wies man darauf hin, dass hier doch nur alte und bekannte Standpunkte wiederholt würden.

Standpunkte, die freilich von Vorgängern dieses Papstes nicht mehr vorgetragen und nicht mehr als Leitlinien ihres Handelns betrachtet wurden.

Zweifelhaftes Dialog-Bekenntnis

Ein orientalischer Spruch sagt über Politiker, dass sie sich nicht um das Volk in seiner Gesamtheit kümmern könnten, wenn sie sich nicht um die eigene Familie kümmerten. Unter diesem Aspekt betrachtet, muss auch das immer wieder zu hörende Bekenntnis des Papstes zum Dialog der Religionen mit gebotener Skepsis quittiert werden.

Ali Bardakoglu; Foto: AP
Verstimmung über die Regensburger Rede des Papstes: Ali Bardakoglu, Präsident des Amtes für religiöse Angelegenheiten in der Türkei, forderte damals Benedikt XVI. auf, seine Äußerungen zurückzunehmen.

​​ Sowohl Muslime als auch Juden sind davon betroffen, und das, obwohl der Papst sich demonstrativ – zum Beispiel beim Weltjugendtag in Köln in der dortigen Synagoge – mit Vertretern der jüdischen Gemeinde traf. Und obwohl er hochrangige Vertreter aus allen Teilen der muslimischen Welt zum Dialog in den Vatikan lud.

Muslimische Hoffnungen auf eine Verbesserung des Verhältnisses zur Katholischen Kirche machte der Papst selbst in seiner "Regensburger Rede" zunichte, als er vor seiner alten Universität aus dem Text eines byzantinischen Kaisers zitierte:

"Er sagt – ich zitiere: Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten."

Ein Sturm der Entrüstung brach aus, mit Demonstrationen in verschiedenen Teilen der muslimischen Welt. Der Vatikan hatte große Mühe, den Eindruck der Rede zu korrigieren. Der Papst war aber nicht bereit, seine Äußerung zurückzunehmen. Ein Papst, dem das kirchliche Dogma unverändert Unfehlbarkeit zugesteht, nimmt nichts zurück.

Affront für Muslime und Juden

Zwei Jahre später erregte der Papst erneut Unruhe unter Muslimen, als er einen prominenten muslimischen Journalisten, der zum Christentum übergetreten war, demonstrativ selbst in Rom taufte. Für viele Muslime eine Provokation, die den Missionsauftrag der Katholischen Kirche unterstreicht.

Auch die Juden bekamen diese Haltung zu spüren, als der Papst 2007 die lateinische Karfreitags-Liturgie wieder einführte, in der es heißt: "Lasst uns auch beten für die Juden, auf dass Gott, unser Herr, ihre Herzen erleuchte, damit sie Jesus Christus als den Retter aller Menschen erkennen." Nach weltweiten Protesten nicht nur von Juden wurde das Gebet ein Jahr später etwas gemildert, nicht aber aus der Liturgie entfernt.

Es war nicht das erste Mal, dass Benedikt die Juden brüskierte: Bei seinem Besuch in Auschwitz 2006 sprach er nicht von einer Schuld der Deutschen, sondern vom "verführten Volk". Der jüngste Streit um die Rehabilitierung der Pius-Bruderschaft und des Holocaust-Leugners Richard Williamson hat die gegenseitigen Beziehungen weiter belastet.

Wie schon in den anderen Fällen versuchte der Vatikan zunächst, möglichst rasch zur Tagesordnung überzugehen, dann die überraschende Aufforderung an die Pius-Bruderschaft, sich von der Holocaust-Verleugnung zu distanzieren. Aber kein Eingeständnis eines eigenen Fehlers.

Schon haben sich aber Kirchenaustritte empörter Katholiken zu häufen begonnen und die Angehörigen anderer Weltreligionen werden beginnen, die Dialog-Bereitschaft des Papstes ernsthaft in Frage zu stellen. Sie können sich dabei auf Benedikt selbst beziehen, der im Vorwort zu einem Buch schrieb, ein interreligiöser Dialog sei auf theologischer Ebene nicht möglich, ohne seine eigenen Glauben einzugrenzen.

Man brauche vielmehr einen interkulturellen Dialog. An anderer Stelle aber spricht der Papst sich auch gegen Multikulturalismus aus. Kritiker werfen dem Papst deswegen vor, in den noch nicht vier Jahren seiner Amtszeit die Kirche um Jahrzehnte, wenn nicht gar um Jahrhunderte zurückgeworfen zu haben.

Peter Philipp

© Qantara.de 2009

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Fehler auf beiden Seiten
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