Flirten mit den Taliban

Seit einigen Jahren wächst die Unterstützung für den ehemaligen Cricket-Spieler und heutigen Politiker Imran Khan. Doch die Meinungen über den größten Sportheld des Landes sind gespalten: Während seine Befürworter die Fortschritte seiner Partei loben, kritisieren Khans Gegner seine Unentschlossenheit im Kampf gegen die Taliban. Von Shamil Shams

Von Shamil Shams

Als kürzlich die pakistanischen Taliban Imran Khan als Kandidaten für das fünfköpfige Team, das sich an den Friedensgesprächen mit der pakistanischen Regierung beteiligen soll, ernannten, waren Pakistans liberale Intellektuelle alarmiert: "Seht Ihr, wir haben schon immer gewusst, dass Khan in Wirklichkeit zu den Islamisten gehört!" Obwohl sich Khan direkt weigerte, an den Gesprächen teilzunehmen, bestätigte dies einmal mehr das "Taliban Khan"-Etikett, das er über Jahre hinweg erworben hatte.

Imran Khan spielt heute eine gewichtige Rolle in der pakistanischen Politik. Seine Partei wurde bei den Parlamentswahlen im Mai 2013 als drittstärkste gewählt und regiert jetzt in der nordwestlichen Provinz Khyber Pakhtunkhwa, an der Grenze zu Afghanistan. Khan will, dass Islamabad Frieden mit der "Tehrik-i Taliban Pakistan" (TTP) schließt und sein Bündnis mit den USA im "Krieg gegen den Terror" auflöst.

"Wir werden diesen Krieg nur gewinnen, wenn wir uns von den USA lösen", sagte Khan den Medien. "So lange die Taliban glauben, wir kämpften gemeinsam mit den USA, werden sie uns den Dschihad erklären. Das wäre ein endloser Krieg", fügte er hinzu. Ein völlig anderes Bild von einer Person, die einst an der Universität Oxford studierte, in den 1980er Jahren in der englischen Liga Cricket spielte und für seine liberalen Ansichten bekannt war. Damals füllte Khan die britische Presse mit Geschichten über sein sportliches Talent und seine mutmaßlichen Liebesaffären.

Kurz darauf wurde Khan einer der erfolgreichsten Cricket-Spieler Pakistans. Unter seiner Führung gewann das Land 1992 den ersten "Cricket World Cup". Später engagierte er sich für Wohltätigkeitsorganisationen in Pakistan und heiratete die britische Autorin und Aktivistin Jemima Goldsmith.

Imran Khan playing cricket (photo: Getty Images)
The subject of countless column inches over the years: although Khan has been in the news in recent years for his political aspirations, he was previously known not only for his skill on the cricket crease, but also for his high-profile romances

Pakistans "letzte Hoffnung"?

Khan startete seine politische Karriere Ende der 1990er Jahre und gründete die Partei und Gerechtigkeitsbewegung "Tehrik-e Insaf" (PTI). Obwohl er als Cricket-Spieler von Millionen Pakistanern verehrt wurde, sahen bis 2011 viele in ihm keinen wirklichen Politiker, allen voran seine Fans.

Doch inzwischen ist der 61-Jährige für viele Landsleute zur "letzten Hoffnung" für Pakistan, ein Land, das mit unzähligen Problemen zu kämpfen hat – angefangen bei der nicht funktionierenden Wirtschaft bis hin zu dem anhaltenden Konflikt mit den Islamisten. Andere sehen in ihm einen rechtsorientierten Politiker, der die Taliban besänftigen will.

Wie konnte also jemand, der von seinen eigenen Parteimitgliedern als politische Alternative zu den beiden eigentlichen politischen Rivalen, die Bhuttos und die Sharifs, angezweifelt wurde, eine solch wichtige Kraft in Pakistan werden? War es wegen der Unterstützung der allgegenwärtigen pakistanischen Armee und deren Nachrichtendienst (ISI), wie Kritiker Khans behaupten, oder aufgrund seines unermüdlichen Wahlkampfes, den er seit mehr als 16 Jahren betreibt? Khans Anhänger glauben Letzteres.

"Mit seinen politischen Positionen zu Vetternwirtschaft, Korruption und Terrorismus hat Khan den richtigen Nerv bei den Massen getroffen, bei all jenen, die ohnehin die Nase voll haben von der traditionellen Herrschaftselite. Korruptionsvorwürfe wurden gegen ihn nicht erhoben und auch verfügt er über keine ausländischen Geldanlagen", berichtet Khawar Sohail, PTI-Aktivist in Islamabad.

Doch einige politische Beobachter argumentieren, dass Khan von Pakistans rechtsorientierten Gruppen, vor allem vom militärischen Establishment, wegen seiner zu nachsichtigen Haltung gegenüber den Taliban und anderen militanten Islamisten unterstützt wird. Sein Aufstieg in der pakistanischen Politik sei auf seine "guten Beziehungen" zum Nachrichtendienst ISI zurückzuführen. Suspekt sei auch die Tatsache, dass Khan auch in Fragen der nationalen Sicherheit Afghanistans und Pakistans grundsätzlich mit den Positionen der Organisation übereinstimme.

Dubiose Kooperation mit den Islamisten

Protest against US drone attacks in Pakistan (photo: AP)
Imran Khan, chairman of the political party Movement for Justice Party (PTI), has become a force to be reckoned with in Pakistani politics. In October 2012, he led a motorcade "march" to protest against US drone strikes in his country. He was joined by hundreds of Pakistanis and dozens of American activists. His opposition to the US and his opposition to military operations against the Taliban have earned him the title "Taliban Khan"

Amima Sayeed, Entwicklungsforscherin aus Karachi, glaubt, dass Khan mit großer Wahrscheinlichkeit sogar Rechtsextremisten unterstützt. Er habe daraus auch kein Geheimnis gemacht, so Sayeed: "Als der Swat-Friedensdeal zwischen der Regierung und den Taliban 2009 besiegelt wurde, war Imran Khan der erste Politiker, der ihn unterstützte. Seine Zusammenarbeit mit der islamischen Partei 'Jamaat-e Islami' ist ebenfalls ein Beweis für seine rechtsorientierten Absichten", meint sie.

Und auch Owais Tohid, Journalist des "Wall Street Journal" in Karachi glaubt: "Khan wirkt vielleicht nicht wie ein religiöser Führer der 'Jamaat-e Islami' oder der 'Jamiat Ulema-e Islam', aber seine außen- und innenpolitischen Positionen und vor allem seine Haltung gegenüber militanten Gruppen in Pakistan korrespondieren mit dem rechtsreligiösen Lager. Er lehnt ein militärisches Vorgehen gegen sie ab und glaubt auch nicht daran, dass in Pakistan eine 'Dschihad-Kultur' gewachsen ist." Manche Analytiker sind jedoch der Meinung, dass die Debatte über Khans vermeintlich islamistische oder liberale Identität eigentlich nur von seiner Leistung als Politiker und Führer einer Partei ablenkt, die mittlerweile in einer wichtigsten Provinzen des Landes regiert. Khan versprach Gerechtigkeit und das Ende der Korruption in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa. Während des Wahlkampfs hatte er auch erklärt, dass seine Partei die Gewalt beenden und Frieden bringen wolle.

Grassierende Korruption

Obwohl Khans PTI-Partei seit über acht Monaten an der Macht ist, glauben seine Kritiker, dass die meisten seiner Wahlversprechen nicht gehalten wurden. "Die Regierung in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa hat den Leuten nichts gebracht. Korruption und Vetternwirtschaft sind dort auch weiterhin auf dem Vormarsch, in den letzten acht Monaten hat es keine bedeutende Entwicklungsarbeit gegeben", meint der junge Student Qasim Jan aus der nordpakistanischen Stadt Peshawar.

"Khan hat sich nur darauf konzentriert, gegen den US-Drohnenangriff in den nordwestlichen Stammesgebieten zu protestieren, die NATO-Nachschublinie nach Afghanistan zu blockieren und sich Ausreden einfallen zu lassen, um Militante zu unterstützen", fügte er hinzu.

Der in Islamabad lebende Autor Arshad Mahmood schließt sich seiner Meinung an: "Alles ist beim Alten geblieben. Khans Parteimitglieder betrachten sich als Personen, die über den Gesetzen stehen und kooperieren nicht mit den Behörden. Wenn die PTI-Beamten dem Gesetz nicht Folge leisten, wie kann denn die Regierungsarbeit insgesamt überhaupt noch verbessert werden?", fragt Mahmood.

Doch Khans Befürworter, vor allem junge Pakistanis, haben das Gefühl, dass die Kritik an seiner Amtsführung unberechtigt sei. "Die Regierung hat bereits große Fortschritte für ein schnelleres und effektiveres Justizsystem erzielt. Das Bildungsbudget der Provinz ist viel höher als in anderen Provinzen. Natürlich gibt es auch Probleme, aber es verbessert sich hier Vieles", glaubt etwa die 29-jährige Zakira Zubair, Jungunternehmerin und PTI-Anhängerin aus Islamabad

Shamil Shams

© Deutsche Welle/Qantara.de 2014

Übersetzt aus dem Englischen von Shohreh Karimian

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de