Atomabkommen in Gefahr

Mit Rafsandschani hat Irans Präsident Rohani seinen wichtigsten Unterstützer verloren. In dem drohenden Konflikt mit US-Präsident Trump wird Rohani ohne seinen Mentor auskommen müssen, um die konservativen Hardliner im Zaum zu halten, die sich durch Trumps Politik bereits in ihrem Misstrauen gegenüber dem Erzfeind bestätigt sehen. Von Ulrich von Schwerin

Von Ulrich von Schwerin

Einen Monat nach dem Tod von Akbar Haschemi Rafsandschani ist sein wichtigstes Vermächtnis in Gefahr: die Annäherung an Amerika. Nachdem US-Präsident Donald Trump in Reaktion auf einen provokativen Raketentest der Revolutionsgarden neue Sanktionen verhängt hat, droht nicht nur eine weitere Eskalation. Auch das Atomabkommen ist in Gefahr, für das sich Rafsandschani mit großem Nachdruck eingesetzt hatte. Präsident Hassan Rohani wird nun ohne den "Scheich der Mäßigung" auskommen müssen, um die Hardliner im Zaum zu halten, die nur auf eine Gelegenheit warten, dem verhassten Abkommen den Todesstoß zu versetzen.

Rafsandschani war im Iran der wichtigste Befürworter des Atomdeals, mit dem im Juli 2015 der jahrelange Streit um das iranische Atomprogramm beigelegt wurde. Ohne seinen Rückhalt wäre es seinem politischen Ziehsohn Rohani kaum gelungen, die Verhandlungen gegen den erbitterten Widerstand der konservativen Hardliner zum Erfolg zu führen. Auch wenn der Ayatollah in seinen letzten Lebensjahren politisch geschwächt war, blieb er die graue Eminenz hinter Rohani, dessen Politik des Ausgleichs unverkennbar seine Handschrift trug.

Pragmatismus vor Ideologie

Rafsandschani, der Anfang Januar im Alter von 82 Jahren einem Herzinfarkt erlag, hatte sich schon früh für eine Annäherung an die USA ausgesprochen. Als Präsident von 1989 bis 1997 hatte er auf die Öffnung der Wirtschaft gesetzt, um das vom Iran-Irak-Krieg verheerte Land aufzubauen. Dem Pragmatiker, dem Interessen stets wichtiger als Ideologie waren, war schon damals klar, dass sich der Iran ohne eine Normalisierung des Verhältnisses zum Westen nicht würde entwickeln können.

Moderat und pragmatisch: Den Hardlinern war Rafsandschani wegen seiner Nähe zu den Reformern verhasst. Während Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamenei die Atomverhandlungen nur halbherzig unterstützte, stellte sich Rafsandschani voll hinter den Kurs der Regierung. Der begnadete Taktiker der Macht warb nicht nur öffentlich für das Abkommen, sondern nutzte auch seine vielfältigen Kontakte in Politik, Klerus und Militär, um hinter den Kulissen die Unterstützung zu organisieren.

Als 2013 mit Rafsandschanis aktiver Unterstützung Rohani zum Präsidenten gewählt wurde, knüpfte dieser umgehend an die Politik seines langjährigen Mentors an. Nachdem sein Vorgänger Mahmud Ahmadinedschad mit seiner aggressiven Rhetorik und seinem konfrontativen Kurs im Atomstreit das Land in die Isolation getrieben und die Verhängung scharfer Handels- und Finanzsanktionen provoziert hatte, suchte Rohani das Gespräch mit dem Westen.

Während Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamenei die Verhandlungen nur halbherzig unterstützte, stellte sich Rafsandschani voll hinter den Kurs der Regierung. Der begnadete Taktiker der Macht warb nicht nur öffentlich für das Abkommen, sondern nutzte auch seine vielfältigen Kontakte in Politik, Klerus und Militär, um hinter den Kulissen die Unterstützung zu organisieren. Auch wenn er an Macht verloren hatte, besaß seine Stimme noch immer Gewicht.

"Der Haifisch" – im Machtzentrum des Systems

Die Konservativen hatten in den Jahren zuvor versucht, Rafsandschani aus der Politik zu drängen, nachdem er sich offen hinter die Proteste gegen die umstrittene Wiederwahl Ahmadinedschads 2009 gestellt hatte. Doch der "Haifisch", wie er im Volksmund wegen seines bartlosen Kinns und seiner Gerissenheit genannt wurde, ließ sich so einfach nicht marginalisieren – zu tief war der gewiefte Strippenzieher dafür im Machtgefüge des Iran verwurzelt.

Wie Arash Karami im Webmagazin "Al-Monitor" schreibt, öffnete Rafsandschani in seinen letzten Jahren immer wieder neue diskursive Räume, wenn er sich etwa für die Abschaffung der "Tod Amerika"-Rufe einsetzte. Als Mitbegründer der Islamischen Republik und enger Vertrauter von Staatsgründer Ayatollah Khomeini konnte er sich Dinge erlauben, die andere Politiker nicht zu sagen wagten. War eine Idee erst einmal im Raum, konnten andere sie sich zu eigen machen.

US-Präsident Donald Trump; Foto: Reuters
Entschiedener Widersacher des Atomabkommens mit dem Iran: Trump hatte sich bisher als erklärter Gegner des Atomabkommens positioniert, das die fünf UN-Vetomächte und Deutschland im Juli 2015 mit dem Iran ausgehandelt hatten. Trump hatte erklärt, es sei eine "Schande", dass ein derart schlechtes Abkommen abgeschlossen worden sei. Auf die Frage, ob die USA aussteigen würden, antwortete er aber lediglich: "Wir werden sehen".

Den Hardlinern war Rafsandschani wegen seiner Nähe zu den Reformern verhasst. Nach seinem Tod war jedoch zu beobachten, wie die konservative Presse plötzlich seine Verdienste würdigte. Selbst Zeitungen wie "Keyhan", die ihn in den letzten Jahren scharf kritisiert hatten, priesen ihn nun. Als Rafsandschani unter Anteilnahme hunderttausender Menschen zu Grabe getragen wurde, berichtete auch das konservative Staatsfernsehen ausführlich über den Trauerzug.

Wie Karami in "Al-Monitor" schreibt, versuchen die Konservativen offenbar, Rafsandschani im Tod als einen der ihren darzustellen, um Moderaten und Reformern die Möglichkeit zu nehmen, sich auf ihn zu berufen. Diese Versuche der Vereinnahmung bedeuten nichts Gutes für Rohani. Der Tod seines Ziehvaters ist für ihn ohnehin ein schmerzhafter Verlust, der seinen Kampf um eine zweite Amtszeit bei der Präsidentenwahl im Mai weiter erschweren wird.

Im Schatten der Sanktionen

Schon zuvor war seine Wiederwahl nicht gesichert, da viele Iraner enttäuscht sind von seiner Politik. Zwar hat der Abschluss des Atomabkommens zur Aufhebung der wegen des Atomstreits verhängten Wirtschaftssanktionen geführt, doch steht der erhoffte Aufschwung weiterhin aus. Noch immer wagen viele europäische Banken nicht, Geschäfte mit dem Iran zu finanzieren, da sie fürchten, gegen weiterhin bestehende US-Sanktionen zu verstoßen.

Iranischer Raketentest; Foto: picture-alliance/AP
Neuer Konfrontationskurs zwischen Washington und Teheran: Wegen des iranischen Tests einer ballistischen Rakete hat US-Präsident Donald Trump scharfe Warnungen an Teheran gerichtet. Der Iran sei deswegen "formell gewarnt" worden, schrieb Trump am letzten Donnerstag im Kurzbotschaftendienst Twitter. Die iranische Regierung wies die Drohungen empört zurück. Der stellvertretende Kommandeur der Revolutionsgarden, General Hossein Salami, konterte die Warnung aus Washington mit markigen Worten. "Die Zahl der iranischen Raketen, Kriegsschiffe und Raketenabwehrsysteme wächst von Tag zu Tag", sagte er. "Dies ist kein Land, in das jemand von außen mit bösen Absichten seinen Fuß setzen kann."

Mit dem Amtsantritt von Donald Trump steht der Atomdeal nun grundsätzlich infrage. Es ist zwar offen, ob der erklärte Iranfeind das Abkommen wie im Wahlkampf angedroht aufkündigt. Selbst dem impulsiven Republikaner scheint klar zu sein, dass Amerika wenig gegen den Iran ausrichten kann, solange die Europäer an dem Abkommen festhalten und nicht bereit sind, neue Wirtschaftssanktionen gegen den Iran mitzutragen.

Doch sollte Trump auch nur die Rhetorik gegen den Iran verschärfen, wird das den Hardlinern in Teheran Auftrieb geben. Bereits die vom US-Präsidenten verhängte Einreisesperre für Iraner und andere Muslime ist Wasser auf die Mühlen der Konservativen, die sich in ihrem Misstrauen gegenüber dem "Großen Satan" bestätigt sehen. Aus ihrer Sicht hat Rohani Irans wertvolles Atomprogramm geopfert, ohne im Gegenzug mehr als leere Zusagen zu erhalten.

Für die Hardliner sind die neuen US-Sanktionen wegen der Raketentests der Beweis, dass Zugeständnisse sinnlos sind, da der Erzfeind stets seine Politik des Containment unter anderem Vorwand fortsetzen wird. Noch ist unklar, ob sich die Konservativen bei der Präsidentenwahl auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen können, der Rohani herausfordern kann. Doch ist klar, dass die weltpolitische Lage ihm nicht in die Hände spielt. Umso schmerzhafter ist es für Rohani, dass er in dieser Situation auf die Unterstützung des "Scheichs der Mäßigung" verzichten muss.

Ulrich von Schwerin

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