Der bewegte Tisch

Zehn Tage lang arbeiteten Künstler aus den Partnerstädten Tunis und Köln an Einzelwerken, die anschließend in einer Ausstellung gezeigt werden. Qantara.de unterhielt sich mit den beteiligten Künstlern.

Zehn Tage lang arbeiteten Künstler aus den Partnerstädten Tunis und Köln an Einzelwerken, die anschließend in einer Ausstellung gezeigt werden. Qantara.de unterhielt sich mit drei der beteiligten Künstler.

​​"Jeweils drei bis vier bildende Künstler aus den Partnerstädten Tunis und Köln arbeiten in einer 10-tägigen öffentlichen Arbeitsphase an 60 Einzelwerken, die in Boden – Wand - Mosaik zusammengefügt werden. Materialumgang, Raumaufteilung, Arbeitsrhythmen der Künstler im öffentlichen Raum werden als interaktive Prozesse/künstlerische Dialoge zweier sich scheinbar fremder Kulturen sichtbar und erfahrbar", schreibt Maria Schmidt Dionsko, Künstlerin und Initiatorin des Projekts, im Katalog. Der künstlerische Dialog soll im kommenden Jahr in Tunesien fortgesetzt werden, wenn die Städtepartnerschaft zwischen Köln und Tunis ihr 40-jähriges Bestehen feiert. Dann werden die deutschen Künstler Gäste ihrer tunesischen Kollegen sein.

Wie haben Sie die gemeinsame Arbeit mit den tunesischen Künstlern empfunden?

Etienne Szabo: Es gab eine sehr schöne Arbeitsatmosphäre. Der ganze Nachmittag war für das gemeinsame Arbeiten reserviert und davon ist viel Gebrauch gemacht worden. Als Künstler hat man den großen Vorteil, dass man sich über die Arbeit austauscht. Das muss nicht unbedingt verbal ablaufen. Wir reagieren auf die einzelnen Ergebnisse. Es liegt auch an einem selber, ob man in ein Gespräch einsteigt oder nicht. Ich habe mit einem tunesischen Kollegen in einem Raum zusammen gearbeitet. Es gab immer wieder Stellungnahmen und Äußerungen, auf die man reagiert.

An welchem Werk haben Sie während der gemeinsamen Tage gearbeitet?

Szabo: Ich habe mit Haarfarben gearbeitet. Ich habe das global verstanden, dass alle Haarfarben zusammenkommen. Die Schwarzen wollen blond sein, die Blonden schwarz sein. Auf dieser Eben trifft sich die Welt.

Was finden „orientalisch“ an den Werken Ihrer tunesischen Kollegen?

Szabo: Von der Farbigkeit her würde ich sagen, das ist tunesisch bzw. orientalisch oder nordafrikanisch. Ein Künstler hat die arabische Schrift mit eingebaut, in einer abstrakten Form zwar, aber doch eindeutig. Ansonsten sind wir uns von der Figuration sehr nahe.

Die tunesischen Künstler wissen viel über die zeitgenössische westliche Kunst. Umgekehrt ist es nicht der Fall. Kann das Projekt an diesen unterschiedlichen Ausgangspositionen etwas ändern?

Szabo: Wir werden ja nächstes Jahr in Tunesien arbeiten und dort etwas Gemeinsames erstellen. Dann werden wir Europäer mehr Einblick bekommen und auch mit der Kultur konfrontiert werden. Wir werden vor Ort arbeiten, erfahren wie viel Freiheiten wir haben und inwieweit wir akzeptiert werden.

Herr Sami Ben Ameur und Herr Baker Ben Fredj, wie beurteilen Sie die gemeinsame Arbeit mit den deutschen Kollegen?

Sami Ben Ameur: Es war eine bereichernde Erfahrung. Wir lebten zusammen, erzählten und diskutierten. Täglich hatten wir Publikum, dass die Entstehung unserer Werke beobachtete. Ich kannte die deutschen Kollegen vorher nicht , aber die gemeinsame Arbeit ermöglichte uns, uns gegenseitig zu ergänzen, Meinungen auszutauschen und das Zusammentreffen von verschiedenen künstlerischen Gedanken und verschiedenen kulturellen Hintergründen, die sich begegnen und letztendlich gegenseitig bereichern. Das ist das Ziel dieses Mosaiks, das aus der künstlerischen Arbeit – trotz der Unterschiede - etwas Gemeinsames erschafft. Eines der Ziele der Arbeitsgemeinschaft „InterAkt“, deren Vorsitz Maria Schmidt - Dionsko innehat, ist es, dass sich die künstlerische Arbeit unmittelbar mit einer anderen Arbeit vereint und dieser Vorgang zu etwas ganz Neuem, bisher noch nicht Gekannten, führt.

Baker Ben Fredj: Es war eher ein zwischenmenschlicher Austausch als ein Austausch über die Kunst, wir diskutierten über viele Themen und möchten diese Idee gerne weiterentwickeln. Auf der künstlerisch-handwerklichen Ebene gab es keine neuen Erfahrungen. Ihre Arbeitsweise unterscheidet sich nur geringfügig von unserer, die tunesischen Werke sind eher handwerklich als intellektuell geprägt.

An welchen Werken haben Sie während der gemeinsamen Tage gearbeitet?

Ben Ameur: In den achtziger Jahren habe ich die arabische Schrift als Grundlage verwendet und während des Projekts wieder darauf zurückgegriffen, allerdings in anderer Form.

Ben Fredj: Ich habe zehn Bilder fertiggestellt, genauer gesagt sind es Collagen, bei denen ich Klebe- und Maltechniken verwendet habe. Diese Arbeit ist inspiriert von der gegenseitigen Verbindung zwischen Symbolen und Religionen.

Arabische Künstler sind normalerweise gut informiert über die Entwicklung der zeitgenössischen Kunst im Westen. Umgekehrt trifft man selten europäische Künstler, die etwas über die moderne arabische Kunst wissen. Woran liegt das?

Ben Ameur: Das ist tatsächlich ein Problem und ein großes Fragezeichen. Warum ist der arabische Künstler in den europäischen Museen nicht präsent? Es ist keine Frage des Niveaus, da die europäischen Künstler Seite an Seite mit ihren arabischen Kollegen in den Instituten in Paris oder in anderen europäischen Städten studieren. Ich denke, das Problem liegt bei den Veranstaltern, den Museums- oder Galeriebesitzern. Sie suchen den arabischen Künstler in ihrer Umgebung, aber nicht in seinem Heimatland. Aber vielleicht sind wir auch an dem Problem schuld, denn wir müssen uns besser bekannt machen.

Ben Fredj: Das ist ein echtes Problem. Ein europäischer Künstler weiß selten etwas über die zeitgenössische arabische Kunst, da er diese nicht braucht. Wir aber brauchen sie, da besteht eine gewisse Abhängigkeit . Ich meine, das Problem der arabischen Kunst ist ein Problem des Museums, sei es als Gebäude, im Internet oder im Freien. In vielen arabischen Hauptstädten gibt es überhaupt keine Museen für zeitgenössische Kunst, dabei haben wir das Jahr 2000 überschritten und leben im Zeitalter der Globalisierung. Es ist beschämend!

Interview: Mona Naggar, Qantara.de

© 2003, Qantara.de

Übersetzung des Gesprächs mit den tunesischen Künstlern aus dem Arabischen: Helen Adjouri

ُEtienne Szabo, ist französischer Abstammung und lebt und arbeitet in Köln im Bereich Malerei, Fotographie und Installationen.

Sami Ben Ameur ist Dozent an dem Internationalen Institut für Kunst in Tunis und Generalsekretär der „Union des plasticiens tunisiens“ (Vereinigung tunesischer bildender Künstler).

Baker Ben Fredj ist Absolvent der Kunsthochschule in Tunis, lebt und arbeitet in Hammamet.

Der bewegte Tisch - Ein Ausstellungsprojekt der Arbeitsgemeinschaft Internationaler Künstler Akt 1 e.V. Köln, noch bis zum 17. Oktober im Kunstforum, Alteburger Wall 1, 50677 Köln.

Folgende Künstler nehmen an dem Projekt „Der bewegte Tisch“ teil: Etienne Szabo, Daniel Neumann, Abderrazak Sahli, Baker Ben Fredj, Maria Schmidt Dionsko, Peer Boehm, Sami Ben Ameur

Weitere Infos unter folgenden Links:
www.mynetcologne.de/~nc-neumanda/Tunis-K%F6ln.htm
www.koelnsalon-akteins.de/

Etienne Szabo
www.kunstvilla-kaiserswerth.de/etienne_szabo.htm

Peer Boehm
www.peerboehm.de

Daniel Neumann
www.galerie-ruth-sachse.de/kuenstle/neumann/neumann.html

International Association of Art
www.iaa-aiap.gr/members.html

Abderrazak Sahli
http://people.africadatabase.org/people/data/person14438.html