"Demokratie kann man nicht herbei bomben!"

Die Globalisierungsgegner von "attac Deutschland" sind Teil der Bewegung gegen den Irak-Krieg. Zusammen mit anderen Friedensinitiativen organisierten sie zahlreiche Protestkundgebungen und Veranstaltungen, wie zuletzt die "Achse des Friedens" und die letzten großen Anti-Kriegs-Demonstrationen in Berlin. Attac-Ratsmitglied Barbara Fuchs über Arbeit und Perspektiven der Friedensbewegung und deren Umgang mit dem irakischen Regime.

Weshalb engagiert sich Ihre Organisation aktiv in der Anti-Kriegsbewegung?

Foto: Privat
Barabara Fuchs, attac-Ratsmitglied

​​Barbara Fuchs: Das Herzstück unserer Arbeit ist eigentlich die Ökonomie. Aber im Verlauf der Irak-Krise haben wir dann festgestellt, dass es einen engen Zusammenhang zwischen neoliberaler Globalisierung und dem Krieg gibt. Wir begreifen uns als Teil der Friedensbewegung. Wir haben in Friedensbündnissen zusammengearbeitet, als Bush im vergangenen Mai nach Berlin gekommen ist. Die "Achse des Friedens" ist dann entstanden, an der wir ganz wesentlich mitgewirkt haben. Wir waren auch in Florenz beim Europäischen Sozialforum. Da haben wir uns darauf verständigt, fortan europaweite Proteste zu organisieren.

Worin unterscheidet sich denn die Position der attac-Friedensaktivisten zum Irak-Konflikt von der der Bundesregierung. Gibt es da überhaupt nennenswerte Unterschiede?

Fuchs: Es ist natürlich beeindruckend dass die Bundesregierung sagt: 'Nein zum Krieg!' - das unterstützen wir. Aber ansonsten sind die Positionen nicht deckungsgleich. Wir meinen, dass Deutschland Drehscheibe für Militärtransporte ist, für den Nachschub. Und das sind Dinge, die wir immer wieder in die Friedensbewegung hinein transportieren und thematisieren. Wir fordern, die Überflugrechte der Amerikaner und Briten zu verweigern. Wir wollen auch nicht hinnehmen, dass Bombenziele durch deutsche AWACS-Flieger ausgespäht werden. Deutsche Spürpanzer müssen aus Kuwait abziehen. Der Krieg ist weder logistisch, noch finanziell zu unterstützen. Natürlich hat es ein großes internationales Gewicht gehabt dieses Nein der Bundesregierung – das bestreiten wir auch nicht. Trotzdem sagen wir: Auch ein bisschen Krieg ist Kriegsbeteiligung. Und dieser Krieg ist völkerrechtswidrig, es handelt sich um einen Angriffskrieg, der nicht gedeckt ist durch das Grundgesetz.

Nun kritisieren zahlreiche irakische Intellektuelle, die Friedensbewegung sei im Irakkonflikt auf einem Auge blind: Einerseits verurteilen die Pazifisten den amerikanischen Angriffskrieg, andererseits stehen sie aber dem irakischen Regime oft kritiklos gegenüber. Wie stehen Sie zu diesen Vorwürfen?

"No war"-Logo, Demonstration vom 15. Februar

​​Fuchs: Nun, Saddam Hussein ist ja nicht der einzige Diktator – da kann man nach Kuwait oder nach Saudi-Arabien schauen. Wir wollen dieses Problem aber auch nicht herunterspielen. Wir sagen, dass im Irak eine sehr schlimme Situation vorherrscht. Aber wir sagen auch, dass der Krieg noch viel schlimmer ist. Er wird die Zivilbevölkerung hart treffen, die Frauen, die Kinder, die unschuldigen Männer. Dieser Krieg wird alles zerstören. Ich weiß, dass verschiedene Iraker auch den Krieg befürworten. Das hängt mit dem ganzen Elend in diesem Land zusammen, aber auch mit diesem furchtbaren Embargo, dem bislang Hunderttausende zum Opfer gefallen sind. Natürlich hat dies alles auch mit dem irakischen Diktator zu tun. Trotzdem kann man deshalb die Demokratie nicht herbei bomben.

Für wie sinnvoll halten sie die Zusammenarbeit oder den Dialog mit der irakischen Opposition?

Fuchs: Austausch und Dialog sind immer zu unterstützen. Aber es muss überhaupt erst einmal eine Chance geben, dass dort die demokratischen Strömungen an Kraft gewinnen können. Doch die momentane Situation stellt sich doch so dar, dass die Wirtschaftssanktionen das normale Leben der Leute behindern. Und unter diesen Bedingungen kann kaum ein demokratischer Austausch entstehen. Angesichts des Krieges stellen sich verstärkt die Menschen hinter Saddam Hussein. Das Gegenteil von einer demokratischen Stärkung ist also gegenwärtig der Fall.

Interview: Arian Fariborz, &copy 2003 Qantara.de