"Wahab" weltweit

In Anlehnung an den bedeutenden ägyptischen Komponisten Mohammed Abdel Wahab vereint das von Musikern aus Köln, Ägypten und der Türkei gegründete Tabadoul Orchestra Musikstile aus der ganzen Welt. Martina Sabra informiert.

Von Martina Sabra

Die Schäl Sick Brass Band ist eine Gruppe internationaler Musiker aus Köln, die seit Anfang der 1990er Jahre Weltmusik im wahrsten Sinne des Wortes machen: Auf den Alben der von Raimund Kroboth gegründeten Band sind europäische, iranische, arabische, türkische und südosteuropäische Traditionen zu hören. Auf zahlreichen Festivals haben die innovativen Musiker das Publikum mit ihrem spannenden Sound zum Jubeln und Tanzen gebracht.

Der ägyptische Komponist Mohammed Abdel Wahab; Foto: public domain
Talentiert und innovativ: Wegen seiner Orchestrierung und Kompositionstechnik gilt Mohammed Abdel Wahab gemeinsam mit Sayed Darwish als wichtigster Pionier und Neuerer der arabischen Kunstmusik im 20. Jahrhundert.

Im Jahr 2010 gründeten einige Mitglieder der Schäl Sick Brass Band ein neues Projekt, das wiederum neue Akzente setzt: das Tabadoul Orchestra.

"Tabadoul" ist Arabisch und bedeutet Austausch. Dieser Austausch dreht sich bislang vor allem um einen epochalen Künstler, der als Kosmopolit und Entertainer nicht nur die arabische Welt bereichert hat, der aber im Westen noch immer weitgehend unbekannt ist: der legendäre ägyptische Komponist, Musiker und Schauspieler Mohammed Abdel Wahab (1902-1991).

Pionier und Neuerer der arabischen Kunstmusik

Wegen seiner innovativen Orchestrierung und Kompositionstechnik gilt Mohammed Abdel Wahab gemeinsam mit Sayed Darwish als wichtigster Pionier und Neuerer der arabischen Kunstmusik im 20. Jahrhundert. 1902 in Kairo geboren, lernte er als kleiner Junge, den Koran zu rezitieren, wie es damals üblich war. Doch Abdel Wahab war nicht nur in der Tradition verwurzelt, sondern auch ein Mann seiner Zeit.

Der gut aussehende, smarte Entertainer gründete die erste professionelle Schallplattenfirma Ägyptens und er erkannte als erster die Bedeutung des Tonfilms für die massenhafte Vermarktung von Musik im arabischen Raum. Schon in den 1930er Jahren schrieb und produzierte Abdel Wahab die ersten ägyptischen Filmmusicals – ein Format, das besonders in den 1940er Jahren große Erfolge feierte.

Als Komponist besaß Abdel Wahab das einzigartige Talent, orientalische und globale Musiktraditionen zu verschmelzen. Allerdings waren seine Stücke teilweise bis zu einer Stunde lang. Wie kann ein modernes Ensemble diese Längen an heutige Hörgewohnheiten anpassen?

Elegischer Tarab

"Zum einen haben wir die allermeisten Stücke von Abdelwahab extrem gekürzt", erklärt der Trompeter und Mitbegründer des Tabadoul Orchestra, Udo Moll. "Viele Stücke halten wir ja als Europäer gar nicht aus, denn wir sind europäisch konditioniert. Der Tarab erschließt sich uns nicht, denn wir verstehen die arabische Sprache nicht. Viele von uns denken nach zehn Minuten: Jetzt ist es aber auch mal gut, weil sich viele Sachen wiederholen – und weil es sich sehr elegisch hinzieht."

Udo Moll und das Tabadoul Orchestra haben die Stücke von Abdel Wahab daher auf kompaktere, rockigere Fassungen reduziert, mit denen auch westliche Hörer etwas anfangen können. Möglich ist das, weil Mohammed Abdel Wahab selbst ein innovativer und eklektischer Musiker war, der Musikstile aus der ganzen Welt in die ägyptische Musik integrierte.

Das traditionell von Streichinstrumenten dominierte ägyptische Orchester erweiterte er um westliche Instrumente wie Gitarre und Piano, auch in der elektronischen Variante. In seinen Kompositionen nutzte Abdel Wahab unter anderem lateinamerikanische und westliche Tanzrhythmen wie Rumba, ChaCha, Walzer und Swing-Jazz. Und er hatte auch keine Skrupel, ganze Melodieabschnitte aus internationalen Songs zu kopieren. Das Urheberrecht interessierte damals noch niemanden.

Underground-Kunstprojekt "Wahab Screening"

Der Trompeter Udo Moll von der Schäl Sick Brassband aus Köln, Foto: privat
Udo Moll: "Viele Stücke halten wir als Europäer gar nicht aus, denn wir sind europäisch konditioniert. Der Tarab erschließt sich uns nicht, denn wir verstehen die arabische Sprache nicht."

Anfang 2013 stellte das Tabadoul Orchestra sich neu auf: einige Musiker der Schäl Sick Brass Band schieden aus, dafür kamen Kontrabass und Vibrafon dazu. Im selben Jahr brachte die Band gemeinsam mit jungenVideokünstlern aus der Underground-Kunstszene von Beirut das Projekt "Wahab Screening" auf die Bühne.

Auf der Basis von Ausschnitten aus Musicalfilmen von Abdel Wahab schufen der Performance-Zeichner Mazen Kerbaj und der Videokünstler Raed Yassin Live-Bühnenkunstwerke, die die gesellschaftliche Realität und die Situation der Kunst im real-existierenden Nahen Osten des 21. Jahrhunderts reflektieren.

Seit 2013 tritt das Orchester regelmäßig mit dem charismatischen libanesischen Sänger Rabih Lahoud auf. Auf der aktuellen Tournee, die das Orchester unter anderem nach Köln, in den Libanon und nach Dubai führte, wird außerdem zum ersten Mal die libanesische Schauspielerin Sängerin Sandy Chamoun dabei sein.

"Das Tabadoul Orchestra habe ich in Beirut kennengelernt, und ich freue mich, dass ich nun dabei sein kann", sagt sie anlässlich ihres ersten Auftritts in Köln. "Mohammed Abdel Wahabs war ein Romantiker. Er sang von Liebe und Nostalgie. Seine Lieder haben Generationen geprägt und auch wir jungen Leute im Libanon tragen seine Lieder in uns. Das verbindet die Menschen, über Generationen und Grenzen hinweg."

Martina Sabra

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