''Ich mache Bastard-Musik!''

Seine Mutter ist Libanesin, sein Vater Ägypter - er selbst lebt in Frankreich. Kein Wunder also, dass die Musik von Clotaire K ein wilder Stilmix ist. Er verbindet traditionelle arabische Musik mit Hip-Hop-Sounds.

Seine Mutter ist Libanesin, sein Vater Ägypter - er selbst lebt in Frankreich. Kein Wunder also, dass die Musik von Clotaire K ein wilder Stilmix ist. Er verbindet traditionelle arabische Musik mit Hip-Hop-Sounds. Ein Portrait von Tareq Al-Arab

Foto: the harbour agency
Populär bei Jugendlichen in Europa und Nahost: Clotaire K

​​Ein Dämon springt aus dem Dunkel auf die Bühne der Londoner Queen Elizabeth Hall, strähniges Haar bis zu den Schultern, Klauen so lang wie kubanische Zigarren. Im gleißenden Licht der Scheinwerfer tanzt diese Kreatur zu einem schweren, peitschenden Hip-Hop-Beat mit fast übernatürlich fließenden Bewegungen. Jetzt betritt Clotaire K die Bühne.

Ringen mit dem Dämon

Gekleidet in weitem Hip-Hop-Outfit bewegt sich der kurz geschorene, schlanke Clotaire K stolz und aufrecht über die Bühne. Er rappt ohne Unterbrechung - je nach Song - auf Französisch, Arabisch oder Englisch – mal wütend, trotzig und schnell wie eine Maschinengewehrsalve, mal langsam, düster und eindringlich. Er beginnt mit dem Dämon zu ringen - oder tanzt er gar mit ihm?

Clotaire K spielt Songs aus seinem Debutalbum "Lebanese" im Rahmen eines Festivals, dass sich "Streetmusic Arabe" nennt. Allerdings sieht niemand im Publikum entfernt danach aus, als käme er "von der Straße".

Die Londoner Queen Elizabeth Hall als Veranstaltungsort könnte kaum bürgerlicher sein. Beim ersten Anzeichen musikalischer Ekstase verweist das Sicherheitspersonal jeden Ausreißer nachdrücklich und mit Körpereinsatz auf seinen zugewiesenen Sitzplatz.

Die Sicherheitskräfte sind ständig beschäftigt, denn Clotaire K sorgt immer wieder für musikalische Ekstase. Seine gekonnte Mischung aus Hip-Hop-Beats, melodischen arabischen Refrains und gesampelten Bruchstücken traditioneller, arabischer Vokal- und Instrumentalmusik spricht das Publikum an.

Mehr als einmal kann sich ein Zuschauer nicht zurückhalten und versucht an den Sicherheitskräften vorbei zum Bühnenrand zu gelangen, um dort zu tanzen - insbesondere, wenn Clotaire K zu seiner Oud ergreift und zu den Beats akzentuierte Riffs spielt.

Ekstase als Stilmittel

Ekstase durch Musik ist für Clotaire K essentiell. Ekstase, oder vielmehr das, was in der arabischen Kultur als "Tarab" bekannt ist. "Tarab - das sind im Grunde genommen die Emotionen, die die Tonleiter in der nahöstlichen Musik beim Zuhörer auslösen.

Clotaire K in der Queen Elizabeth Hall

​​Die Musiker streben diesen bestimmten Punkt an, einen Punkt, an dem der Zuhörer eine Gänsehaut bekommt", erklärt Clotaire K. Dann beeilt er sich klarzustellen, dass das, was er mache, ja gar nicht Tarab sei. Er versuche lediglich den Tarab-Punkt von Live-Aufnahmen, die er mit nahöstlichen Musikern gemacht hat, zu sampeln.

"Dieser Tarab-Punkt berührt mich einfach am meisten. Wenn Oum Kalthoum oder Fairouz eine gewisse Note singen, dann fühlt sich das so an, als sei ich zuhause."

Es ist nicht leicht zu sagen, wo Clotaire K wirklich zuhause ist. Er ist der Sohn einer libanesischen Mutter und eines ägyptischen Vaters - eines Philosophielehrers -, der aber in Südfrankreich geboren wurde.

Eine Weile lang hat er in den USA gelebt. Er hat viel Zeit im Libanon verbracht und tut es noch immer. Seltsamerweise ist seine Musik in Frankreich kaum populär, hingegen am meisten erfolgreich bei Jugendlichen im Nahen Osten, in Großbritannien und in Deutschland.

Clotaire K's Texte haben eine ähnlich große Bedeutung wie seine Musik. Aus ihnen spricht eine Sehnsucht nach dem "alten, unschuldigen Beirut", nach einer Welt, die einst vollkommen und intakt war, aber nach dem Krieg zu zerfallen begann.

Sprache des Mittelmeers

In seinem Lied Maqam spricht Clotaire K von "nur einer Sprache, einer Sprache des Mittelmeers. Einer Sprache der Künstler" - eine Metapher für Einheit?

"Ja, es geht um etwas Verbindendes", erklärt er. "Ich sage: Am Mittelmeer gibt es nur eine Sprache, die Stimme der Sängerinnen des Nahen Ostens. Noch heute hört man Sängerinnen wie Oum Kalthoum, Fairouz oder andere im Radio. Die Leute mögen sie noch immer. Kinder verstehen ihre Texte. Großväter und Großmütter verstehen sie. Es ist gut, dass eine Kunstform alle vereinen kann. Hier im Westen gibt es niemand, in dem sich alle wieder erkennen können."

Trotz seiner Liebe zur traditionellen arabischen Musik wählte Clotaire K als musikalische Ausdrucksform den Hip-Hop. Weil es dabei, wie er sagt, tanzen und "Party machen" lässt. Und weil der Hip-Hop ideal sei, für "die Botschaft".

Ist seine Musik also im traditionell politischen Sinne von Hip-Hop zu verstehen, ein Vehikel für Sozialkritik? Clotaire K winkt ab. Er sähe sich nicht als jemand, der über Politik singt. "Meine Musik ist egoistisch. Ich mache sie für mich, um die Dinge zu hören, die ich sonst nicht höre, in Bezug auf Musik und Text".

Bastardmusik

Ihm sei allerdings aufgefallen, dass die Jugendlichen im Nahen Osten anscheinend hören wollen, was er zu sagen hat. Sie würden sich in seinen Texten wieder erkennen. "Das ist eine gute Belohnung, ein schönes Geschenk."

Clotaire K liebt den Gedanken, dass einige Musikproduzenten sich endlich aufraffen und auf die Suche machen nach den "richtigen Künstlern", um endlich wieder "großartige Musik" zu machen. Richtige Künstler wie Clotaire K?

"Ich bin kein großer Künstler arabischer Musik. Im gewissen Sinne bin ich ein Scheißkünstler. Das ist keine pure Musik. Ich mache Bastardmusik. Aber wenn meine Musik irgendetwas bei diesen Leuten bewirken kann, dann wäre das immerhin etwas. Davon träume ich".

Ein unpolitischer Texter mit einer politischen Botschaft. Ein Bastardmusiker als Fürsprecher für Purismus: Clotaire K bekämpft und umgarnt einen Dämon auf seiner Suche nach einer Note, die sich wie zuhause anfühlt. Wann immer er diese Note findet, viele werden daran teilhaben.

Tareq Al-Arab

© Qantara.de 2004

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Zur Website von Clotaire K (engl.) geht's hier