Deutsche Krankenschwester wird geehrt

Nach wie vor ist Afghanistan ein Krisenherd und die gesundheitliche Versorgung katastrophal. Eine deutsche Krankenschwester hat in der Nähe von Kabul ein Krankenhaus aufgebaut. Nun erhält sie das Bundesverdienstkreuz.

Nach wie vor ist Afghanistan ein Krisenherd und die gesundheitliche Versorgung katastrophal. Eine deutsche Krankenschwester hat in der Nähe von Kabul ein Krankenhaus aufgebaut. Nun erhält sie das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Elene Beier hat mit ihr gesprochen.

Insbesondere Frauen und Kinder leiden unter der schlechten medizinischen Versorgung in Afghanistan, Foto: AP
Insbesondere Frauen und Kinder leiden unter der schlechten medizinischen Versorgung in Afghanistan

​​In Chak-e-Wardak, 65 km südwestlich von Kabul, leitet Karla Schefter seit 15 Jahren ein Krankenhaus, das sie in mühevoller Arbeit mit Spenden aus Deutschland aufgebaut hat. Heute versogt das Hospital jährlich über 40.000 Patienten. 70% davon sind Frauen und Kinder, die auch nach dem Einmarsch der internationalen Truppen in Afghanistan besonders in den Provinzen kaum Zugang zu medizinischer Versorgung haben.

Karla Schefter ist jetzt aus Afghanistan nach Deutschland gekommen, nicht nur, um das Bundesverdienstkreuz überreicht zu bekommen: Um diese Jahreszeit kann sie in Deutschland viel mehr für ihr Krankenhaus tun, als vor Ort, wo die engen Bergpässe bereits zugeschneit und viele Wege unpassierbar geworden sind.

In Deutschland hält sie Vorträge und wirbt um Spenden. Jedes Jahr reist Karla Schefter deshalb im Winter für ein Paar Monate in die Heimat, doch ihr Herz hat die 62-Jährige längst an Afghanistan und seine Menschen verloren. Sie hat sich anfangs zurücknehmen und anpassen müssen. Auch äußerlich. Nun ist es für sie selbstverständlich, dass sie auch in Deutschland ein langes, bequemes afghanisches Hemd zu einer breiten Hose anhat:

"Das ist Shalvar Kamis; das heißt übersetzt Schlafanzug", erklärt sie. "Das rührt aus der Zeit vor 1989, als ich mit 8 Männern Tag und Nacht über Monate ein Zimmer teilen musste."

"Über jeden Berg gibt es einen Weg"

Damals, vor 15 Jahren, hatte Karla Schefter ihren ersten Einsatz in Afghanistan. Die einst leitende Krankenschwester des Dortmunder Krankenhauses ließ sich für ein Jahr beurlauben, um in Chak-e-Wardak in einem Krankenhaus, das aus zwei winzigen Räumen bestand, als Krankenschwester zu arbeiten.

Die Organisation, die sie einstellte, löste sich bald darauf auf. Doch sie blieb, auch dann, als das international unterstützte Projekt ausgelaufen war und es keine Finanzierung des Krankenhauses mehr gab. Sie blieb, weil sie die Menschen dort einfach nicht im Stich lassen konnte. Sie sorgte für Spenden aus Deutschland, beaufsichtigte Bauarbeiten, bildete Krankenhauspersonal aus, behandelte die Kranken. Mit einfachsten Mitteln, anfangs ohne Elektrizität.

Sie lernte, sich den Umständen anzupassen und zu improvisieren: Man darf den Menschen keine fremden Strukturen aufzwingen, "es muss langsam von unten wachsen, um Akzeptanz zu finden", davon ist Karla Schefter nach wie vor überzeugt. Sie kam, um zu helfen, und nicht, um den Menschen vorzugeben, wo es langgeht. Und sie hat selbst viel von den Afghanen gelernt:

"Afghanen sind - und deswegen kamen sie auch im Guerilla-Krieg zurecht - wie Bergzeigen, wenn der Vergleich genehmigt ist. Sie können sich in den Bergen bewegen, auch wenn sie nur Plastik-Latschen haben, sie können sich im Dunklen ohne Taschenlampe zurechtfinden, sie gehen über Stock und Stein. Daher rührt auch das Sprichwort der Afghanen: ‘Über jeden Berg gibt es einen Weg‘. Auch wenn es so schwierig ist."

Situation ist für afghanische Frauen nach wie vor schwierig

Diesem Leitfaden folgend meisterte sie jede Situation: Da es an Personal mangelt, wird die Grundpflege der Kranken von den Familienangehörigen übernommen. Kinder kommen mit den Müttern und werden auch von ihnen versorgt. Frauen und Kinder stellen ohnehin 70 Prozent der jährlich 40.000 Patienten, die hier behandelt werden.

Die Kindersterblichkeit ist in Afghanistan sehr hoch. Die Lebenserwartung beträgt etwa 44 Jahre. Jede zehnte Frau stirbt schwangerschaftsbedingt. In vielen Krankenhäusern werden Frauen erst gar nicht aufgenommen, weil es immer noch so ist, das Frauen nur von Frauen behandelt werden dürfen. Weibliches medizinisches Personal gibt es jedoch selten und wenn, dann fast ausschließlich in der Hauptstadt. Und so sei es auch mit der allgemeinen Lage der Frau in Afghanistan,

"Geändert hat sich vieles in Kabul", so Karla Schefter. "Der Schleierzwang ist weg, also das Tragen der Burka ist jetzt nicht mehr erzwungen und jede, die die Burka trägt, macht das freiwillig oder durch die Einstellung der Familie bedingt. Wichtig ist, dass Mädchen bis zur 12. Klasse in die Schule gehen können, dass Mädchen wieder studieren können, dass Frauen berufstätig sein können. Das hat sich sehr verändert. Aber leider ist es doch begrenzt: Auf Kabul!"

Auf dem Land sei es anders, und so hatte Karla Schefter ein Problem, ein Ärztepaar für ihr Spital zu gewinnen, weil deren Töchter auf dem Lande nicht zur Schule könnten. Sechs Regierungswechsel hat Karla Schefter in Afghanistan erlebt. Auch zu Taliban-Zeiten hat sie nicht aufgegeben, als sie als Frau ohne männliche Begleitung kaum aus dem Haus oder nicht neben dem Fahrer im Auto sitzen durfte.

"Kidnapping... davor kann man sich nicht schützen"

Auch mit dem Krieg könne man sich arrangieren, so die gebürtige Ostpreußin, die in Hamburg aufgewachsen ist: Man weiß schließlich, wie die Fronten verlaufen und meide die Gefahr. Doch heute sei es anders in Afghanistan: Der "Unsicherheitsdruck" sei erheblich gewachsen, was das Leben und ihre Arbeit erschwert:

"Jetzt ist es so: Es ist nicht richtig Front. Aber es sind diese Hinterhältigkeiten", meint Schefter. "Man weiß ja nicht, wann sprengt sich so ein Selbstmordattentäter in die Luft, wann geht so ein Auto hoch? Oder Kidnapping... davor kann man sich nicht schützen."

Und anscheinend kann auch die Präsenz der internationalen Truppen an dieser Situation wenig ändern. Die Menschen seien enttäuscht und müde, doch die alten Zeiten wünsche sich nun wirklich keiner zurück, so Karla Schefter.

Aber der Frieden hat Afghanistan nicht nur den "Unsicherheitsdruck" gebracht: Seit das Land allmählich aus den Schlagzeilen der europäischen Medien verschwand, ist auch die Spendenbereitschaft für Afghanistan zurückgegangen. Zwei Drittel des Bedarfs an Arzneimitteln im Krankenhaus von Chak-e-Wardak werden vom deutschen Medikamentenhilfswerk action medeor gedeckt. Für den Rest der Spenden sorgt eine kleine Stiftung, die Karla Schefter in Deutschland gegründet hat.

Einseitige Berichterstattung in der Presse

Sie hat auch ein Buch über ihr Krankenhaus und das Leben in Afghanistan geschrieben mit dem Titel "Weil es um Menschen geht". Und sie sorgt mit ihren öffentlichen Auftritten für weitere Aufmerksamkeit:

"Das, was von der Presse nach dem 11. September gekommen ist, ist doch ein bisschen einseitig", beklagt Karla Schefter. "Man dachte: Nach dem 11. September die Taliban sind weg, nun ist Demokratie, und die Frauen sind befreit... Und so ist es eben nicht."

Deshalb geht Karla Schefter im Frühjahr wieder zurück: Gesundheit sei das Menschenrecht Nummer eins, und in Afghanistan haben vor allem die Frauen dieses Recht nicht. Mit ihrem Einsatz versucht Karla Schefter das Tag für Tag zu ändern. Seit 15 Jahren. Dafür erhielt sie bereits das Große Verdienstkreuz am Bande, den Human Rights Award und den Bambi.

Nun bekommt sie eine weitere hohe Auszeichnung für ihren humanitären Einsatz: Das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Das will sie als "Ich im Wir" entgegennehmen, stellvertretend für alle, die sie in ihrer Arbeit unterstützt oder auch gespendet haben, so Karla Schefter.

Elena Beier

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