Buchmesse Kairo

Die Buchmesse in Kairo ist eine der größten der Welt. Die Besucher können Bücher kaufen oder sich ganz einfach amüsieren. Der Übersetzer und Publizist Stefan Weidner schildert seine Eindrücke.

Zum 35. Mal fand vom 23. Januar bis zum 7. Februar 2003 in Kairo die Buchmesse statt, die als die größte in der arabischen Welt gilt. Die Angaben über die Besucherzahlen schwanken zwischen drei und sechs Millionen. Damit ist die Messe in Kairo nicht nur die größte Buchmesse in der arabischen Welt, sondern die größte Buchmesse überhaupt.

Als Deutscher denkt man bei dem Stichwort Buchmesse stets an Frankfurt, doch außer dem Namen und der Tatsache, dass es um Bücher geht, haben die beiden Messen nicht viel gemeinsam. Das Ziel der Messe in Frankfurt ist der Handel mit Copyright-Lizenzen und der Verkauf zwischen Verlagen und Buchhandlungen oder die Begegnung von Autoren und Verlagen. Und während in Kairo die Besucher gezählt werden, die auf die Messe kommen, um die Bücher direkt von den Verlagen zu kaufen, zählt man in Frankfurt die Aussteller, d.h. die Verlage, die ihre Waren präsentieren.

Auch die Buchmesse in Kairo ist eine Begegnungsstätte. Anders als in Frankfurt kommen freilich kaum internationale Schriftsteller nach Kairo, dafür aber viele Autoren aus anderen arabischen Ländern. Auch was die Verlage anbetrifft, ist die internationale Präsenz eher gering. Die USA sind durch die Amerikanische Universität Kairo auf der Messe vertreten, die Franzosen haben ein eigenes, großes Zelt, und Deutschland ist mit einem Stand vertreten, der gemeinsam von der Deutschen Welle, der Buchmesse Frankfurt und dem Goethe-Institut Kairo organisiert wurde. Wie üblich richteten diese drei deutschen Institutionen auch diesmal mehrere Diskussionsveranstaltungen aus, unter anderem über die Rolle der Übersetzung im Kulturaustausch.

Bei dieser Diskussionsveranstaltung nahmen die beiden schon ins Deutsche übersetzten ägyptischen Schriftstellerinnen Salwa Bakr und Miral al-Tahawi teil sowie der in Köln lebende irakische Verleger und Dichter Khalid Al-Maaly und der Verfasser dieses Artikels. Die Veranstaltung war sehr gut besucht, was kaum wundert, denn von Anfang an ging es um mehr als nur um Literatur.

Miral al-Tahawi erzählte, wie sie auf ihrer ersten Reise in die USA mit Vorurteilen konfrontiert wurde. Die Vorurteile kamen einerseits von den Amerikanern, die sich wunderten, dass die Ägypterin kein Kopftuch trug; aber sie kamen auch von in den USA lebenden Arabern, die sie stets verbessern zu müssen glaubten, weil sie ein anderes Bild vom Orient vermittelte, als sie selber es vermitteln wollten. Missverständnisse bestehen also nicht nur zwischen Orient und Okzident, sondern auch zwischen Orient und Orient.

Salwa Bakr konnte diese Erfahrung bestätigen. Sie beklagte, dass es nicht einmal einen Dialog zwischen den Ägyptern selber gebe. Dies hänge vor allem mit der politischen Situation in der arabischen Welt zusammen, wo allzu selten Meinungsfreiheit herrsche. Die arabische Kultur, sagte sie selbstkritisch, "beruhe auf Unterdrückung". Daher sei es nicht verwunderlich, wenn auch der Dialog der Kulturen bruchstückhaft bleibe.
Khalid Al-Maaly sprach von seinen Erfahrungen als Verleger. Er beklagte, dass die Araber selber kaum die Übersetzung ihrer Literatur in andere Sprachen fördern, anders als die Staaten Nordeuropas. Daher sei es nicht verwunderlich, dass es relativ wenige Übersetzungen aus der arabischen Literatur ins Deutsche gebe. Dabei ist die arabische Literatur auf dem deutschen Buchmarkt gar nicht so schlecht vertreten. Über hundert Werke aus der zeitgenössischen arabischen Literatur sind derzeit auf Deutsch zu lesen. Außerdem darf man nicht aus dem Auge verlieren, dass bei der Rezeption fremder Literatur auch Geschmacksurteile eine Rolle spielen, nicht nur politische und finanzielle Gründe.

Die anschließende Diskussion mit dem Publikum machte deutlich, dass die Literatur im Kulturaustausch mittlerweile die Funktion einer Stellvertreterin für viele andere ungelöste Probleme übernommen hat. Wenn man von Literatur spricht, geht es nie nur um Romane und Gedichte, sondern immer um die Kultur insgesamt. Einerseits ist es schön, dass der Literatur soviel zugetraut wird. Andererseits ist sie damit aber auch überfordert. Die Literatur kann viel zur Verständigung beitragen, aber sie kann Missverständnisse, die durch die im Lauf der Geschichte durch Politik und wirtschaftliche Ungleichheit entstanden sind, nicht ursächlich bekämpfen. Dessen sollte man sich immer bewusst sein – und ansonsten möglichst viel lesen!

© 2003 Stefan Weidner