Integration unerwünscht?

Oft wird Muslimen in Deutschland ein grundsätzliches Misstrauen entgegengebracht, ganz gleich wie sehr sie sich um Integration bemühen. So auch im Fall der weltoffenen Moscheegemeinde in Penzberg, die noch immer als verfassungsfeindlich eingestuft wird. Von Claudia Mende

Von Claudia Mende

​​Integration ist ein mühsames Geschäft. Besonders mühsam wird es dann, wenn man sie nur halbherzig oder gar nicht will. Im Fall der Islamischen Gemeinde Penzberg kommt der Verdacht auf, der Freistaat Bayern habe kein ernsthaftes Interesse am Engagement deutscher Muslime für die Gesellschaft. Anfang März ist der neue bayerische Verfassungsschutzbericht erschienen und wieder erwähnt er die Gemeinde wegen angeblicher Kontakte zu extremistischen Organisationen, obwohl diese sich vorbildlich um Integration bemüht.

Verstrickungen in Widersprüche

Es klingt nach einer Provinzposse: Während der Freistaat vor der Gemeinde warnt, arbeitet die Stadt München mit führenden Vertretern aus Penzberg beim ambitionierten Projekt einer Islam-Akademie für die bayerische Landeshauptstadt zusammen. Auch in Kreisen des Koalitionspartners ruft die Entscheidung des Verfassungsschutzes Unverständnis hervor. "Ich gehe davon aus, dass die Gemeinde Penzberg zum letzten Mal erwähnt wurde", sagt Thomas Hacker, Vorsitzender der FDP-Fraktion im bayerischen Landtag, der die Gemeinde selbst schon besucht hat. "Was in der Penzberger Gemeinde an Arbeit geleistet wird, schätze ich sehr."​​

Benjamin Idriz; Foto: dpa
Dem Imam Benjamin Idriz wird trotz breiter gesellschaftlicher Unterstützung der Kontakt zu extremistischen Organisationen vorgeworfen.

Dem Islamischen Forum in Penzberg unter dem liberalen, aus Mazedonien stammenden Imam Benjamin Idriz, wirft der Verfassungsschutz Kontakte zu extremistischen Organisationen wie "Milli Görüs" und der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland (IGD) im Zeitraum 2007 bis 2009 vor. Hintergrund sind vom Verfassungsschutz aufgezeichnete Telefongespräche des Imams mit Ibrahim El-Zayat, dem damaligen Vorsitzenden der IGD, aus denen angeblich eine Unterstützung des Imams für dessen Ziele hervorgehe.

Idriz bestreitet die Kontakte nicht, stuft sie aber als "belanglos" ein. Den Inhalt dieser Gespräche muss man nicht als Unterstützung für El-Zayat lesen, die Vorwürfe wirken konstruiert. 2009 reichte die Gemeinde gegen ihre Erwähnung Klage vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht ein. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag des Islamischen Forums Penzberg auf einstweilige Verfügung jedoch am 5. Mai 2010 ab. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat diese Entscheidung bestätigt, gleichzeitig aber festgehalten, dass die Beschuldigten nicht als verfassungsfeindlich eingestuft werden. Wieso sie dann im Verfassungsschutzbericht erwähnt sind, bleibt rätselhaft. Trotzdem, so Idriz, werde man weiterhin "für ein friedliches Zusammenleben arbeiten".

Ein Urteil mit weitreichenden Folgen

Buchcover Grüß Gott Herr Imam
Argumentation für einen zeitgemäßen Islam: Der Penzberger Imam ist gegen Zwangsehen und für Religionsfreiheit. Er will, dass Imame in Deutschland ausgebildet werden und dass sich Muslime im Gemeinwesen engagieren.

Für die Penzberger Moschee hat das Urteil weitreichende Folgen. Ihr wurde die Gemeinnützigkeit aberkannt, das Kulturministerium rät Schulklassen vom Besuch der Moschee ab. Dabei hat die 1994 gegründete Gemeinde in dem oberbayerischen Städtchen gerade durch ihre intensiven Kontakte zu allen Religionsgemeinschaften, Schulen und anderen Institutionen gezeigt, wie Integration aussehen kann. Sie ist so zu einem Zentrum eines offenen, mit europäischen Wertmaßstäben kompatiblen Islam geworden, der nicht zu den Moscheeverbänden gehört. ​​Idriz selbst ist häufiger Gast bei interreligiösen Veranstaltungen und in Diskussionsforen.

Vom ehemaligen israelischen Botschafter Avi Primor bis zur Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger oder Ex-Landtagspräsident Alois Glück von der CSU sind viele Prominente schon dort gewesen. Zuletzt diskutierte der Imam in München über Homosexualität und Islam, ein heikles Thema, an das sich nur wenige Islamgelehrte wagen. In seinem Buch "Grüß Gott, Herr Imam" hat sich Idriz für einen Reformislam ausgesprochen, der Werte wie Demokratie und Gleichberechtigung der Frau verkörpern soll. Wichtig für diesen europäischen Islam ist die Ausbildung islamischer Prediger in deutscher Sprache, mit hiesigen Standards und ohne Einflussnahme von Gelehrten aus den Herkunftsländern deutscher Muslime.

Neues Projekt Islam-Zentrum

So ist die Idee des "Zentrums für Islam in Europa München" (ZIEM) entstanden. Die Kommunalverwaltung unterstützt die Pläne eines Trägervereins um den Penzberger Imam, das Zentrum mit Islam-Akademie, Bibliothek, Gemeindezentrum und einer repräsentativen Moschee im Herzen der bayerischen Landeshauptstadt aufzubauen. Alle Fraktionen – auch die CSU haben dem zugestimmt. Dazu will sie auch mit dem Land Bayern über finanzielle Unterstützung für das Projekt verhandeln.

Koranverse auf Deutsch und Arabisch an  der Moschee Penzberg; Foto: www.islam-penzberg.de
Unter Verdacht: Der bayerische Verfassungsschutz warnt vor einer islamischen Gemeinde, mit der die Stadt München erfolgreich kooperiert.

​​Die Finanzierung des Projekts ist noch völlig ungesichert. Das Islam-Zentrum soll laut Idriz etwa 20 bis 30 Millionen Euro kosten. Eine Anfrage bei den Vereinigten Arabischen Emiraten mit der Bitte um Unterstützung läuft. Der Emir von Sharjah hat bereits die Moschee in Penzberg finanziert. Neben katholischer und evangelischer Kirche hat sich auch die Israelitische Kultusgemeinde, als Charlotte Knobloch noch Vorsitzende des Zentralrats der Juden war, für ZIEM ausgesprochen.

Die breite gesellschaftliche Unterstützung für den Imam beeindruckt das bayerische Innenministerium offenbar nicht. Zwar hatte Innenminister Herrmann (CSU) nach einem Vier-Augen-Gespräch mit Idriz 2010 eine Neubewertung signalisiert, trotzdem findet sich der gleiche Eintrag vom Vorjahr wieder, allerdings mit einer Ergänzung.

"Neue Erkenntnisse über verfassungswidrige Aktivitäten ergaben sich im Berichtsjahr jedenfalls nicht", beruhigen die Verfassungsschützer, führen aber erneut die altbekannten Vorwürfe auf. Und weiter: "Ob in der zwischenzeitlich geäußerten Distanz zu extremistischen Organisationen eine anhaltende, eigenständige, der freiheitlichen demokratischen Grundordnung entsprechende Ausrichtung zu sehen ist, bleibt abzuwarten." Hoffentlich warten auch die Penzberger Muslime so lange ab, bis das Innenministerium ihren Beitrag annehmen will.

Claudia Mende

© Qantara.de 2011

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de