Ein Bild der arabischen Jugend

Eine neue Form der Filmkunst beginnt sich in der arabischen Welt durchzusetzen: "Arabisches Autorenkino". Die sehr persönlichen Filme zeichnen sich durch ein hohes Maß an Authentizität aus. Ein Bericht von Stefanie Suren

Von Stefanie Suren

​​Auf internationalen Filmfestivals wurden arabische Regisseure wie der junge Marokkaner Nabil Ayouch (der als erster Marokkaner für den Oscar nominiert wurde) oder Ghassan Salahd aus dem Libanon zuletzt mit viel Kritikerlob bedacht. Gleiches gilt für eine beachtliche Zahl weiblicher Regisseure. Ihre Filme weisen eine Gemeinsamkeit auf: Sie sind authentisch und persönlich.

Das gilt für die Wahl ihrer Inhalte, aber auch für ihren cineastischen Stil. Bewusst verzichten sie auf politische Statements zu nationalen oder globalen Fragen. Statements also, die kennzeichnend waren für die so genannte "realistische" Schule des internationalen Films.

Das Roadmovie "Windhorse"

Der marokkanische Film "Windhorse" ist ein Roadmovie. Er erzählt die Geschichte zweier, unterschiedlichen Generationen angehörender Männer, die durch Marokko reisen. Auf dem Weg suchen sie nach dem Einzigen, was ihnen wichtig ist: dem Sinn des Lebens. "Windhorse", gedreht vom marokkanischen Regisseur Daoud Aoulad Syad, ist ein typisches Beispiel des viel gelobten arabischen Autorenkinos. Alles dreht sich um den einzelnen Menschen, seine Probleme und Erfahrungen. Die Sicht ist eine sehr persönliche.

Die Fragen, mit denen sich die Protagonisten auseinandersetzen müssen, sind ihre eigenen und sollen in keiner Weise gesellschaftliche Probleme ihres Landes widerspiegeln. Gelobt wurden die Filme des arabischen Autorenkinos von der westlichen Kritik vor allem dafür, dass sie bewusst auf diese Gesellschaftsanalyse verzichten. Stattdessen stellen die Filmemacher ihre persönlichen Erfahrungen in den Mittelpunkt und bewegen sich damit fort von den politischen Botschaften zu globalen Fragen.

Die Filme der "realistischen" Phase in den 1990er Jahren waren da ganz anders. Erfolgreiche Regisseure wie der Ägypter Youssef Chahine nutzten das Medium, um soziale Ungerechtigkeit und Materialismus anzuklagen. Dr. Viola Shafik, Dozentin für Filmwissenschaft an der Amerikanischen Universität Kairo, beobachtet bei der neuen Generation von Filmemachern eine Hinwendung zur Darstellung von Beziehungen und persönlicher Entwicklung.

"Diese Generation von Regisseuren scheint sich weniger mit der Tradition zu beschäftigen und dem, was als 'typisch arabisch' gesehen wird, sondern zeigt uns vielmehr ein Bild der arabischen Jugend, ihren Bedürfnissen und kleinen Rebellionen." Die Wahl der Inhalte und der cineastische Ansatz dieser experimentellen Filme fanden große Beachtung auf den Filmfestivals von Berlin, Cannes und Venedig. Schon werden sie von manchen Kritikern als die Stimme einer neuen, reformierten arabischen Welt gefeiert.

Reflektionen westlicher Arabien-Bilder

Dennoch bilden sie nur einen kleinen Teil der arabischen Kultur, insistiert Dr. Viola Shafik: "Diese Filme, die die arabische Kultur als Ganzes zu repräsentieren scheinen, sind letztlich vielleicht doch eher ein Echo dessen, was man im Westen gern sehen würde. Den Kontrast dazu bilden Filme, die in kleinerem Maßstab produziert wurden, oftmals sehr trivial und manchmal auch reaktionär sind, doch eine andere Facette dessen zeigen, was sich viele Menschen in den arabischen Ländern wünschen und was sie brauchen." Viele der arabischen Jungfilmer sind auf Gelder westlicher Organisationen angewiesen.

Letztlich dreht sich alles ums Geld. Filme, die in den arabischen Ländern gemacht werden, sind nicht so unabhängig und spezifisch arabisch wie sie sein könnten, meint dazu der bekannte ägyptische Schauspieler Mahmoud Hamida: "Es gibt keine richtige Zusammenarbeit innerhalb des arabischen Marktes.

So werden beispielsweise in Marokko gar keine ägyptischen Filme gezeigt. Der Filmmarkt hier ist ein einziges Durcheinander, und deshalb ist es leicht zu erklären, dass es einer mächtigen internationalen Filmindustrie so leicht gelingt, hier Fuß zu fassen." So repräsentiert das arabische Autorenkino nur einen sehr kleinen Teil der gesamten arabischen Filmkultur und oftmals erreichen diese Filme das breite Publikum in den arabischen Ländern gar nicht. Die populären Mainstream-Produktionen sind in ihrer Machart viel traditioneller.

Das häufigste Motiv in ihnen bildet der Gegensatz zwischen Arm und Reich. Auch wenn diese Filme trivial erscheinen mögen und westliche Kritiker oft die Nase über sie rümpfen, bieten sie ein Forum, innerhalb der arabischen Gesellschaft Diskussionen in Gang zu bringen, meint Dr. Viola Shafik: "In diesen populären Filmen werden Fragen zur Rolle der Frau, zum Feminismus verhandelt, und das, obwohl diese Filme sehr reaktionär anmuten.

So hat sich Nadia Ghendi, ein berühmter Star, dem oft ein Hang zur Trivialität vorgeworfen wird, in Actionfilmen versucht, in denen sie eine starke, unabhängige Frau verkörpert, die den Männern mit weiblicher List entgegentritt." Der arabische Film ist viel zu heterogen und hat zu viele Facetten, als dass er sich leicht auf einen Trend wie dem des arabischen Autorenkinos festlegen ließe.

Um zu erkennen, was in den arabischen Ländern wirklich populär ist, reicht es nicht, sich die Filme anzusehen, die in Cannes gezeigt werden. Dazu sollte man in Kinos in Ägypten, im Libanon oder Marokko gehen.

Stefanie Suren

Aus dem Englischen von Daniel Kiecol

© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2005